Hochsensibilität ist „Fluch und Segen zugleich“ und eine Betroffene erklärt, warum

Hochsensible Menschen sind anders, heißt es.
Hochsensibilität ist keine Krankheit. Es ist ein Persönlichkeitsmerkmal, wofür es keinerlei diagnostisches Verfahren in der Medizin gibt. Wer hochsensibel ist, weiß in der Regel allerdings Bescheid - spätestens nach einem Selbsttest oder Therapeut:innen-Gespräch. Betroffene fühlen nicht nur mehr, sondern auch intensiver als andere. Es werden Gerüche, Geräusche und Emotionen stark und gleichzeitig wahrgenommen. Alle Reize werden ungefiltert aufgenommen. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um angenehme oder anstrengende Irritationen handelt.
Eine sogenannte Reizüberflutung ist somit keine Seltenheit. Empathie, Kreativität und ein intensives Gefühlsleben sind weitere Punkte, die auf der Liste einer hochsensiblen Person stehen. Zurzeit sollen bis zu 30 Prozent der Bevölkerung mit Hochsensibilität leben - darunter auch die Wienerin Lana. In einem Interview erzählt sie gegenüber BuzzFeed Austria, warum ein hochsensibles Leben schön ist - und warum nicht.
Was bedeutet es für dich, hochsensibel zu sein?
Einer ständigen Flut an Gefühlen, Reizen und Überforderung ausgesetzt zu sein. Es fällt mir beispielsweise nicht leicht, in einem vollen Lokal zu sitzen: Die Gespräche anderer, die Musik und die lauten Worte meines Gegenübers würden mich überfordern. Das kann dann auch schon mal in einer Panikattacke enden.
Es ist einfach wichtig darauf zu achten, was der Körper sagt. Wenn mir etwas zu viel ist, dann ist das eben so. Es gab schon Augenblicke, da musste ich ein Konzert verlassen, auf das ich zehn Monate gewartet habe. Oder Kinobesuche, Geburtstage, öffentliche Verkehrsmittel und Uni-Vorlesungen.
Das klingt sehr anstrengend. Wie steht es um dein Innenleben?
Das ist nicht weniger chaotisch. Ich bin extrem sensibel, was mein Umfeld betrifft. Ein falscher Ton reicht oft schon, damit ich grüble. Aber das ist OK, weil ich durch die Hochsensibilität sehr empathisch bin. Ich erkenne meistens schon, wie es jemand gemeint hat.
Viele Betroffene erzählen davon, bereits an der Mimik anderer Menschen ablesen zu können, wie es ihnen geht - trifft das auch auf dich zu?
100 Prozent. Das ist für mich Empathie, und die habe ich sehr stark ausgeprägt. Ich könnte beispielsweise keinen Film sehen, ohne mindestens einmal zu weinen. Und letztes hatte mir ein Freund ein DJ-Set eines elektronischen Musikers gezeigt, das ich so intensiv wahrgenommen habe, dass ich tränen musste. Dazu muss ich jedoch festhalten, dass es textlich um Gefühle ging.
Ich spüre so intensiv, dass selbst Erfahrungen, die ich nicht gemacht habe, sich wie meine eigenen anfühlen können. Das passiert mir häufig in Gesprächen, wenn mir von etwas berichtet wird: Entweder ich fühle komplett mit oder ich muss mich kurz alleine sammeln, weil es mich so mitgenommen hat.
Wie erklärst du anderen, was Hochsensibilität bedeutet?
Für mich bedeutet Hochsensibilität, Fluch und Segen zu gleich. Einerseits fühle ich intensiver - ich liebe mehr, ich rieche verstärkt, ich höre Musik anders als andere. Und ich bin äußerst kreativ, wofür ich sehr dankbar bin. Anderseits bin ich schnell überfordert, brauche viel Zeit für mich und kann einiges, wie Konzerte oder Clubnächte, nicht genießen. Es ist ein Wechselbad aus Dankbarkeit und Frustration.
Ein intensives Erleben der inneren und äußeren Welt kann sich auch auf die körperliche Gesundheit auswirken. Musstest du bereits damit Erfahrung machen?
Ja und Nein. Ich wurde nie ernsthaft krank. Nur ist Hochsensibilität oft mit starker innerer Unruhe verbunden. Und das bedeutet für den Körper Stress. Und wie man weiß, ist Stress nicht gut für die Gesundheit. Ich glaube aber, dass Betroffene sich mit der Zeit einfinden, was ihnen guttut und was nicht. Es dauert nur, zu verstehen, dass man nicht weinerlich ist oder sich selbst verurteilen soll - Hochsensibilität ist eine Eigenschaft und nichts, wofür man sich rechtfertigen muss.
Nicht nur hochsensible Menschen sind Stress ausgesetzt, sondern auch Betroffene der Hormonstörung PCO-Syndrom.