6 Clubs und Bars, die wir schmerzlich vermissen: Von Morisson Club bis Elektro Gönner

Während einer Pandemie zünftig wegzugehen, ist ohnehin schon eine Herausforderung. Schließen immer mehr Clubs und Bars, wird es aber wirklich hart. Ein Nachruf.
Ob ranziger Keller-Club oder edle Schickimicki-Bar: Das Weggeh-Angebot hat sich in Wien in den letzten zehn, 15 Jahren derart gebessert, dass es mit internationaler Konkurrenz locker mithalten kann. Frag einmal deine älteren Geschwister oder gar deine Eltern: Fortgehen war in der Hauptstadt früher mitunter wirklich ein Trauerspiel. Umso schlimmer also, wenn geliebte Clubs und Bars für immer schließen oder sich in einem Ausmaß ändern, dass man unter gar keinen Umständen mehr einen Fuß über deren Schwelle mehr setzen mag.
1. Morisson Club: Ein ehemaliges Bordell
Wer in den frühen 2010er-Jahren zu den coolen Kids zählen wollte, kam um den Morisson Club in Wien-Margareten in Naschmarktnähe nicht herum. Dem in einem ehemaligen Bordell angesiedelten Lokal haftete stets etwas leicht Provisorisches an. In den verwinkelten Räumlichkeiten konnte alles passieren, nicht nur, was das Programm anbelangte. Das reichte von Minimal Techno über Hip-Hop bis hin zu experimenteller Frickel-Elektronik und schloss Kunst-Performances nicht aus.
Ein großartiger Ort also, mit dem legendären Türsteher Andi, der dafür Sorge trug, dass auch ja keine Deppen das bunte Treiben stören konnten. Allerdings war Ende 2013 Schicht im Schacht, zumindest in Margareten. Zu viele Beschwerden von Anrainer:innen. Ersatz wurde in der Zieglergasse im siebenten Bezirk gefunden, allerdings auch nur für ein Jahr. Mit November 2014 war es endgültig vorbei. Zwar gab es mit dem temporären Jessas am Petersplatz im Ersten und der Übernahme des Tschocherls Café Monic in der Gumpendorfer Straße im Sechsten feine Nachfolgeprojekte. Die Magie des Morisson Clubs erreichte aber keines von beiden so wirklich.
2. Club Pi: Gothic-Club im 7ten
Zuvor war an der Morisson-Club-Adresse in der Zieglergasse ein ganz anderer Laden beheimatet, sowohl was Klientel als auch musikalische Ausrichtung anbelangt. Der Club Pi war neben dem Megiddo im 15. Bezirk eine der letzten Bastionen der Wiener Gothic-Szene, die Kleidung war also eher schwarz, die Musik düster gehalten.
Dass das Pi letztlich seine Pforten schließen musste, hat wohl mehrere Gründe. Nämlich dass die Szene um einiges überschaubarer als noch in den 1980ern und 1990ern ist, dass sich die Protagonist:innen in einem Alter befinden, indem man den Rotwein lieber daheim schlürft und vor allem, dass es ein Nachwuchsproblem gibt. Die Zeit der in sich abgeschlossenen verschiedenen Jugendkulturen ist halt längst vorbei.
3. Transporter Bar: Abgefuckter Berlin-Style
Zurück in den Fünften, Ecke Kettenbrückengasse/Margaretenstraße. Dort, wo sich heute die zum Weinschenke-Imperium gehörende und tatsächlich gar nicht schlechte Bar/Ristorante-Kombi Pizzeria Randale befindet, war bis Ende 2016 die legendäre Transporter Bar untergebracht. Dort konnte man sich nicht nur im gepflegt abgefuckten Berlin-Style der Nullerjahre seinem Bier widmen.
Mitten unter der Woche fanden hier die wildesten Partys, aber auch Konzerte und Lesungen statt, etwa frühe Auftritte von Stefanie Sargnagel. Aber auch Tischtennisturniere im Lokal. Jeden Mittwoch konnte man mit bis zu 20 Gleichgesinnten im Ringerl Ping Pong spielen. Geschmust wurde nicht eben selten dort. Berühmt-berüchtigt verraucht, als man noch drinnen der Nikotinsucht frönen durfte, und die obligaten Anrainer:innen-Beschwerden, als man dafür vor die Tür musste.
Das und die leider doch sehr unterschiedliche Auslastung sorgten letztlich für das frühzeitige Aus der Transporter Bar. Ein herber Verlust. Kleiner Trost: Transporter-Chef Roman betreibt jetzt das famose Weinhaus Pfandler „Zu den Seligen Affen“ in Meidling.
4. Elektro Gönner: Zwischen Club und Bar
Wir bleiben bei Lokalen, die sich irgendwo zwischen Bar und Club angesiedelt haben und letztlich das perfekte zweite Wohnzimmer sind. Zum Beispiel beim Elektro Gönner, das erst vor Kurzem nach ziemlich genau 17 Jahren für immer dicht gemacht hat. Im Herbst 2004 von einem Haufen motivierter Grafiker:innen und Architekt:innen ins Leben gerufen gab es fast täglich DJ-Line mit bester Musik quer durchs Gemüsebeet, Ausstellungen sowie hin und wieder Konzerte und Performances.
Benannt nach dem früher dort angesiedelten gleichnamigen Elektrofachhandel und gut versteckt in einem Durchgang der Mariahilfer Straße war es jahrelang eine unverzichtbare Institution im Wiener Nachtleben. Für viele gar ein zweites Wohnzimmer. Vor einigen Jahren zogen sich die ursprünglichen Betreiber:innen zurück, den neuen Hausherr:innen gehören auch die beiden Cocktail-Bars If Dogs Run Free und die Miranda Bar. Damit war die neue Stoßrichtung klar, sogar ein eigens gebrautes Gönner-Bier konnte nun bestellt werden.
Ehemaligen Stammgästen und Teilen des Personals schmeckten die Änderungen gar nicht, dafür besuchten nun auch Menschen das Gönner, die sonst eher einen Bogen darum gemacht hätten. Die Rechnung ging auch auf, bis zwei Dinge passierten: Die COVID-19-Pandemie sowie großräumige Bauarbeiten in der Schulhofpassage, also dem Zugang zum Lokal. Das war dann doch zu viel, am 15. Oktober wurde noch eine letzte große Party gefeiert, dann für immer der Strom abgedreht.
5. Nachtasyl: Bar für tschechische Exilant:innen
Für immer der Strom abgedreht wurde auch dem legendären Nachtasyl, Hort so mancher Abstürze zu später Stunde. Ab der Eröffnung 1987 legte sich eine durch Zigarettenrauch verursachte Nikotin-Patina über das gesamte Lokal in der Stumpergasse in Mariahilf. Vor dem in der Gastronomie gültigen Rauchverbot stand hier folgerichtig die Luft. Trotzdem oder gerade deswegen kam man aus diesem Ort nicht mehr so schnell heraus, hatte man ihn erst einmal betreten.
Ursprünglich öffnete das nicht von ungefähr nach einem Stück von Maxim Gorki benannte Nachtasyl tschechoslowakischen Geflüchteten die Pforten, die aufgrund ihres Engagements für die Bürger:innenbewegung Charta 77 ihre Heimat verlassen musste. Bis 1990 galt es als Treffpunkt tschechischer Emigrant:innen und des Wiener Untergrunds, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bot es vorwiegend der tschechischen Kulturszene ein Forum. Selbst der tschechische Dramatiker und spätere Staatspräsident Václav Havel stattete nach seinem ersten Staatsbesuch in Österreich dem Nachtasyl einen Besuch ab. Doch auch ohne politische Diskussionen führen zu müssen, konnte man hier durchzechte Nächte verbringen.
Anfang 2020 übernahm Dan Lestrade das in finanzielle Schwierigkeiten gekommene Lokal - ausgerechnet knapp vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Dadurch hatte er keinerlei Anspruch auf finanzielle Hilfe aus dem Ausgleichsfonds, auf die er für die Sanierung der feuchten Wände des Kellerlokals angewiesen wäre. Durch den Lockdown konnte er auch keinen Umsatz machen, schlussendlich waren auch seine privaten Mittel erschöpft. Anfang des Jahres 2021 gab Lestrade nach einem erfolglosen Spendenaufruf auf Facebook bekannt, dass das Nachtasyl endgültig schließen müsste. Damit geht Wien nicht nur ein leiwandes Beisl, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte verloren.
6. brut: Bar für Performance, Tanz und Theater
Ebenfalls verloren gegangen, dabei komplett anders ausgerichtet war die Bar des brut im Künstlerhaus. Mit ihrer dazugehörigen Terrasse bot die kleine Schwester des für zeitgenössische Performance, Tanz und Theater bekannten Haus feine Musik, schmackhafte Drinks - ja, auch Bier - und zog eine prinzipielle lässige Crowd an. Diese war eine Mischung aus den obligaten Nachtschwärmer:innen, coolen Kids und Leuten aus der weit gefassten Kunstszene. Die Bar wurde übrigens von Roman Pfandler vom Transporter betreut. Ein Indiz, wohin sich ein Abend entwickeln konnte.
Dass etwa der Club U mit legendären Veranstaltungen wie „Rhinoplasty“ nur einen Steinwurf entfernt ist, trug zur Diversität auf angenehmste Weise bei. Anregende Diskussionen etwa darüber, wer der beste Star-Trek-Captain war -Spoiler: es war mit Kathryn Janeway eine Frau - gehörten genauso zu einem gelungenen Abend wie Tanzen und Schmusen.
Mit dem Umbau des Künstlerhauses ab 2017 musste sich das brut andere Austragungsorte suchen, bespielt wurden bis 2021 zunächst 90 Spielstätten in 90 Bezirken. Bis 2023 wird mit dem neuen temporären Hauptquartier brut nordwest eine ehemalige Industriehalle in der Brigittenau bespielt. Fixe Spielstätte wird ab 2024 die ehemalige Zentralbankzweigstelle St. Marx im dritten Bezirk. Die brut Bar in ihrer legendären Form blieb dabei freilich auf der Strecke, selbst die Terrasse gibt es nicht mehr.
Shoutout: Verlorene Bars und Clubs vom 1. bis zum 20. Bezirk
Verloren gegangen sind im Laufe der Jahre noch viele andere Orte, die man mit wunderschönen Erinnerungen verbindet - wobei diese wohl nicht selten dem Alkohol geschuldet sind. Etwa das 1995 gegründete Shelter am Wallensteinplatz im 20. Das in den letzten Jahren seiner Existenz leider immer schlechter besuchte Pulse in der Schottenfeldgasse - dort befindet sich jetzt der Ableger eine Pub-Systemgastro-Kette. Oder aber die für die Techno-Veranstaltungsreihe „Icke Micke“ bekannte Künstlerhauspassage Ost. Nicht einmal mehr ein Schutthaufen.
Keine Bar, aber trotzdem schade drum: das Brickmakers in der Zieglergasse, jetzt Standort für die Hefenbrüder. Die Blue Box in der Richtergasse gibt es zwar seit Anfang der 1980er Jahre, hat aber mittlerweile so viele Besitzer:innenwechsel hinter sich, dass es nur noch ein müder Abklatsch seiner selbst ist. Und was aus der Prater Sauna nach der Übernahme durch Martin Ho wurde, darüber breiten wir lieber den Mantel des Schweigens.
Aber da hilft kein Jammern, kein Klagen, kein Zetern. Andere Zeiten bringen andere Ort hervor, an denen Menschen feiern, tanzen, sich betrinken und miteinander schmusen können. Und die etablierten Clubs und Bars gibt es ja auch noch. Alles halt noch unter den jeweils geltenden Corona-Vorschriften.