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Wieso Adele, Taylor Swift und Billie Eilish zum Sterben von Vinyl-Platten beitragen

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Von: Christian Kisler

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Das neue Album von Adele „30“ erschien auf auch auf Schallplatte.
Das neue Album von Adele erschien auch auf Platte, was nicht gerade vorteilhaft ist. © Tolga Akmen/APA Picturedek

Vinyl ist seit einigen Jahren wieder auf dem aufsteigenden Ast. Allerdings droht der Schallplatte ein erneutes Aus. Warum?

Vinyl ist nicht einfach nur ein Tonträger. Der Umgang mit dem schwarzen Gold ist ein Ritual, ähnlich einer Tee-Zeremonie. Sagen wir, wie es ist: Es hat etwas Religiöses, etwas Feierliches. Setzt du dir deine Kopfhörer auf und hörst auf dem Weg zur Uni oder zur Arbeit Musik über Spotify, rauscht die meistens nur durch, sie versetzt dich in die jeweils gewünschte Stimmung. Und das ist eh okay so. Anders bei der Schallplatte, die du nicht unterwegs so nebenbei hören kannst

Glücksgefühl durch Vinyl

Da gibt es zunächst das erhebende Glücksgefühl, eine Platte, die man schon lange gesucht hat, im Plattenladen des Vertrauens gefunden zu haben. Diese eine, die sonst niemand hat. Dann damit voller Stolz nach Hause zu spazieren, sie aus der Hülle zu holen, gegen das Licht zu halten und begutachten, vorsichtig auf den Teller des Plattenspielers zu legen. Die Nadel senkt sich, es macht leise „Plopp!“, dann ein bisschen Knistern, bevor die ersten Töne aus den Lautsprecherboxen kommen.

Eine eigentlich veraltete Technik, die in den letzten Jahren immer mehr Liebhaber:innen für sich gewinnen hat können. Und trotzdem erweckt Vinyl das Gefühl , etwas Besonderes in Händen zu halten, durch seinen Besitz einem exklusiven Verbund anzugehören.

Vinyl-Produktion nur für Liebhaber:innen

Nach dem prognostizierten „Tod der Schallplatte“ mit der Einführung der CD in den 1980er Jahren war die Vinyl-Produktion nur noch für DJs, den Indie-Bereich aller Schattierungen sowie bis zu einem gewissen Grad für Jazz und Klassik-Liebhaber:innen interessant. Die sogenannte breite Masse kaufte zunächst Kassetten und eben CDs, später wurde in großem Stil downgeloadet, heute wird gestreamt.

Nach der Verdrängung der CD durch besagte Downloads und später Streams wurde die Langspielplatte, kurz LP, auch 12-Inch oder einfach Vinyl genannt, etwas überraschend zum letzten physischen Tonträger von Wert. Die Schallplatte sieht besser aus, klingt subjektiv angenehmer für das menschliche Ohr und zwingt zur bewussten Beschäftigung mit der Musik beim Hören.

Vinyl als Ausgleich zu digitalem Konsum

Mittlerweile wollen die großen Plattenfirmen, die Major-Labels, auch an diesem Hype mitverdienen - und zwar nicht zu knapp. Deshalb gibt es so ziemlich alle größeren Veröffentlichungen wie beispielsweise Taylor Swift und Billie Eilish auf Vinyl.

Nostalgie ist dabei nicht der alleinige Beweggrund, eine Schallplatte zu erwerben. Vinyl steht auch als Ausgleich zu digitalem Konsum. Du nennst tatsächlich etwas von materiellem Wert dein Eigen, etwas, das du angreifen kannst und das nicht nur als Icon auf einem Bildschirm existiert. Du besitzt letzten Endes nicht weniger als deine Lieblingsmusik in physischer Form. Das haben immer mehr Menschen für sich entdeckt - interessanterweise weniger, diejenigen, die damit aufgewachsen sind, sondern vielmehr deren Kinder und Enkelkinder.

Vinyl überholt Downloads

Im Jahr 2020 wurde in Österreich mit dem Verkauf von Schallplatten ein Umsatz in Höhe von neun Millionen Euro erwirtschaftet, 390.000 Langspielplatten wurden verkauft. 2011 lag der Umsatz noch bei lediglich 1,5 Millionen Euro, die Zunahme an Beliebtheit des als schwarzen Goldes bezeichneten Vinyls lässt sich also auch in Zahlen messen.

Eine junge Frau stöbert in einem Plattenladen nach Vinyl.
Das Finden einer begehrten Schallplatte sorgt für Glücksgefühl bei Vinyl-Sammler:innen. © DC_2/IMAGO

Und nicht nur das: Mit einem Marktanteil von 6,5 Prozent konnte die Schallplatte kostenpflichtige Downloads erstmals überholen. Diese konnten lediglich 4,5 Prozent für sich beanspruchen. Der Erfolgsmarsch der Schallplatte erreichte aber noch luftigere Höhen: In den USA hat Vinyl die CD das erste Mal seit den 1980ern in Sachen Verkaufszahlen überholt und schnitt um gleich 79 Prozent besser ab.

Geschlossene Vinyl-Presswerke

All diese Platten müssen natürlich hergestellt werden. Abgesehen davon, dass die Musik von den jeweiligen Künstler:innen und Interpret:innen aufgenommen, abgemischt und gemastert werden muss: Der Produktionsprozess einer Langspielplatte - und auch die ihrer kleinen Geschwister, der EP und der Single, ist wesentlich zeitaufwändiger und kostenintensiver als jener einer CD.

Dazu kommt, dass mit dem Siegeszug der CD im Laufe der 1990er Jahre ein Großteil der einst zahlreichen Presswerke schließen musste. Die Viennola im Wiener Umland stellte etwa 1997 ihren Betrieb ein. Dass mit Austrovinyl 2017, also genau 20 Jahre später, in der Südsteiermark wieder ein Vinyl-Presswerk aufsperren konnte, gehört zu den positiven Gesichtspunkten dieser Geschichte.

Pandemie als Treiber für Vinyl-Umsatz

Während des ersten Jahres und der ersten Lockdowns der COVID-19-Pandemie, 2020, stand der komplette Live-Betrieb in weiten Teilen der Welt still. Anstatt ihr Geld für Konzerte auszugeben, erwarben viele Menschen mehr Platten denn je, was der Umsatz von neun Millionen Euro zeigt. Im Februar 2020 brannte allerdings mit dem US-amerikanischen Werk Apollo Masters eine von weltweit lediglich zwei Fabriken ab, die sogenannte Lackfolien herstellen.

Diese werden zur Herstellung von Muttern gebraucht, von denen dann das jeweilige Negativ gezogen wird, von dem wiederum jede Platte gepresst wird. So weit, so schlecht. Das wirklich Üble daran: Mit dem Werk in den USA hat es die bei Weitem größere der beiden Einrichtungen erwischt. Das kleinere Werk in Japan ist ohnehin bereits mehr als gut ausgebucht und kann das neue Auftragsvolumen nur schwer alleine stemmen.

Schallplatte als knappes Gut

Vinyl wird also zum knappen Gut, weil die Nachfrage die Produktionskapazitäten übersteigt. UND weil eine entscheidende Zutat, nämlich die erwähnten Lackfolien, nur noch in bedeutend geringerem Maß als bisher zur Verfügung steht. Auch Lieferschwierigkeiten von Spezialpapier für die Etiketten auf den LPs kommen zum Tragen - aufgrund der Pandemie. Wer also im Herbst/Winter 2021 die Pressung einer neuen Schallplatte in Auftrag gibt, muss im schlimmsten Falle damit rechnen, dass er das fertige Produkt erst Anfang 2023 in Händen halten kann.

Das ist für kleine Indie-Bands und -Künstler:innen sowie deren Labels eine mittlere Katastrophe, arbeiten sie doch traditionell in knappen Intervallen, kümmern sich also um die zeitnahe Veröffentlichung einer Platte, sobald diese fertig aufgenommen ist. Bei den geringen Umsätzen, die meist lediglich aus Liebe zur Musik gemacht werden, ist es für viele Labels schwierig, über Jahre in Vorkasse zu gehen.

500.000 Langspielplatten von Adele

Wenn dann umsatzstarke Interpret:innen wie Taylor Swift, Elton John, ABBA, Ed Sheeran und Adele gleichzeitig neue Alben veröffentlichen, dann sind die Presswerke schon einmal gut ausgelastet und die Warteliste wird endlos. Wenn Adele von ihrem neuen Werk „30“ sage und schreibe 500.000 Stück in Auftrag gibt, dann sorgt das in der Branche für Beunruhigung.

Zum Vergleich: Mit 246.000 verkauften Exemplaren war das Album „Fine Line“ von Harry Styles das erfolgreichste auf Vinyl gepresste Album des Jahres 2020 in den USA. Zur steten Teuerung von bis zu 60 Prozent trägt auch etwas ganz anderes bei: der Brexit. Da Großbritannien nicht mehr Teil der EU ist, fallen plötzlich Zollabgaben an, die beträchtliche Ausmaße annehmen können. Das macht sich auf beiden Seiten des Atlantiks und des Ärmelkanals auch in Sachen Vinyl bemerkbar, sind doch nicht wenige Indie-Labels im Vereinigten Königreich beheimatet, dem Mutterland des Pop.

Comeback von Kassette und CD

Von dieser Situation profitiert überraschend ein anderer Tonträger: Gerade im Indie-Bereich feiert die Kassette ein kleines Comeback. Blöd nur, wenn man kein entsprechendes Gerät zum Abspielen mehr hat. Das gilt auch für die CD. Die könnte durchaus wieder einen Aufschwung erleben. Also: CD-Player lieber noch nicht einmotten. Denn Totgesagte leben schließlich länger.

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