Toxische Beziehungen in Filmen und Serien sind mein Guilty Pleasure und dafür schäme ich mich

Toxische Beziehungen werden in Filmen und Serien extrem romantisiert. Das ist problematisch - genauso wie die Tatsache, dass ich davon nicht genug kriegen kann.
„Three words, eight letters, say it and I‘m yours“ - ich bin ehrlich, dieses Zitat aus „Gossip Girl“ kriegt mich jedes Mal. Chuck Bass und Blair Waldorf sind für mich natürlich nicht „Couple Goals“ und erfüllen auch sonst nicht die Vorstellung, die ich von einer funktionierenden, gesunden Beziehung habe. Doch obwohl sich alles in mir sträuben müsste, wenn ich sehe, wie Blair ihn zurücknimmt, nachdem er sie gegen ein Hotel eingetauscht hat, kommen mir die Freudentränen.
Für alle, die sich bei der US-Serie nicht auskennen: Chuck und Blair haben diese Art von Beziehung, die man keinem Menschen wünscht. Eine toxische Beziehung wie sie im Buche steht, ein ständiges Manövrieren zwischen Herzschmerz und Streit und auf der anderen Seite die Leidenschaft und das totale Glück, das man glaubt, nur in dieser einen Person finden zu können.
Die beiden idealisieren sich und verteidigen jede noch so verletzende Aktion vor Freund:innen und Familie, machen sich runter, nur um sich dann wieder aufzubauen. Würde eine Freundin von mir jemanden wie Chuck Bass daten, würde ich nur eins raten: Renn, solange du noch kannst.
Toxische Beziehungen sind alles, aber nicht romantisch
Natürlich könnte ich mir einreden, dass Chuck Bass und Blair Waldorf einfach einen besonderen Zauber auf mich haben und ich toxische Beziehungen sonst nicht romantisiere. Doch das wäre eine Lüge. Egal ob Jack und Ally in „A Star Is Born“ (Vorsicht, hier kann es ein alkoholkranker Mann gar nicht ab, wenn seine Frau mehr Erfolg hat als er selbst), Damon und Elena von „Vampire Diaries“ oder all die Highschool-Dramen auf Netflix wie „The Kissing Booth“ und „To All The Boys I‘ve Loved Before“: Toxische Beziehungen sind mein Guilty Pleasure. Ich lache und weine mit ihnen, auch wenn mir total bewusst ist, was daran alles falsch ist.
Doch woran liegt das? Wer selbst schonmal in einer toxischen Beziehung war oder eine bei Freund:innen miterlebt hat, sollte wissen, dass es an ungesunden Liebesbeziehungen eigentlich gar nichts Romantisches gibt. Dass es nicht cool ist, wenn Kontrollzwang und Eifersucht den Alltag bestimmen. Dass es auch nicht süß ist, wenn Männer Frauen runtermachen, um selbst Dominanz ausleben zu können.
Und es ist auch nicht schön, wenn Beleidigungen im Streit fallen, nur weil die Versöhnung dann umso besser wird. Weil ich das alles weiß, bin ich noch verwirrter. Verwirrt von meiner ungesunden Liebe zu toxischen Beziehungen im Fernseher während ich Bücher über Feminismus lese.

Ein kollektives Problem: Wieso toxische Beziehungen in Filmen und Serien weniger werden müssen
Umso mehr ich in mir nach Gründen für mein Guilty Pleasure suche, wird mir klar: Das Problem bin nicht (nur) ich, sondern die Industrie dahinter. Ich mag Drama-Serien und romantische Filme und kenne wirklich viele - trotzdem muss ich lange überlegen, bis mir Produktionen einfallen, in denen gesunde Beziehungen gezeigt werden.
Serien und Filme, die toxische Liebe verherrlichen, fallen mir hingegen viele ein. Weil diese Storys offensichtlich funktionieren. Natürlich verstehe ich, dass es aus dramaturgischen Gründen Sinn ergibt, wenn es in Romanzen mal ordentlich kracht und nicht alles von der ersten Sekunde an auf Happy End zeigt.
Doch es gibt auch etwas dazwischen, was dringend öfters gezeigt werden muss. Denn vor allem für junge Zuschauer:innen wird ein gefährliches Narrativ vermittelt: Wenn er dich verletzt, bedeutet das insgeheim, er mag dich. Wenn er dir sagt, du gehörst nur ihm, ist das ein gutes Zeichen. Wenn er sagt, er „braucht“ dich, um ein besserer Mensch zu werden oder dir droht, sich etwas anzutun, wenn du ihn verlässt, solltest du bleiben und ihn „retten“.
Das alles ist falsch und macht mich, umso mehr ich darüber nachdenke, wütend. Ich schäme mich, dass ich toxische Beziehungen im Film und in Serien liebe, weil einfach die Alternativen fehlen und ich es seit vielen Jahren nicht anders kenne. „Gossip Girl“ war die erste Serie, die ich je gesehen habe und ich werde Chuck und Blair immer irgendwo lieben. Doch ich freue mich auf mehr Serien wie „Sex Education“ oder „The Bold Type“, sodass ich meinen Guilty Pleasure auf Dauer vielleicht ablegen kann. Und junge Mädchen gar nicht erst in diese Abwärtsspirale geraten.