Liebe Wiener:innen, wir müssen über das Baum-Shaming am Rathausplatz reden

Alle Jahre wieder erntet der Weihnachtsbaum am Wiener Rathausplatz so richtig viel Hohn und Spott. Da bekommt man ja fast schon Mitleid.
Mit einer Höhe von 30 Metern ist das Ding kaum zu übersehen: der diesjährige Weihnachtsbaum am Wiener Rathausplatz. Bereits seit mehr als einem Monat steht die Fichte vor dem Rathaus im 1. Bezirk. Bürgermeister Michael Ludwig hat eine neue grüne Freundin. Nachdem Ludwig und die SPÖ Wien seit 2020 nicht mehr mit den Grünen, sondern mit den NEOS in der Stadtregierung zusammenarbeiten, wird es wohl seine derzeit einzige sein.
Weihnachtsbaum am Rathausplatz: Bodyshaming ist Wiener Tradition
Apropos Scherze: Die gab es auch auf den sozialen Netzwerken, als der Twitter-Account der Stadt Wien dieses Jahr die frohe Botschaft in die Welt hinaus trug, dass der Christbaum nun angekommen sei. Ein User bezeichnete den Baum aufgrund seines Aussehens als „Mahnmal von Vienna For Future gegen die Klimakatastrophe“, für einen anderen sah die Fichte eher wie ein Maibaum als ein Weihnachtsbaum aus.
Das Sich-lustig-Machen und das bäumliche Bodyshaming über den Look des Christbaumes am Rathausplatz ist beinahe schon eine jährliche Tradition. Egal, wie sehr sich die Stadt bemüht, man scheint es den Menschen in Wien einfach nicht recht machen zu können. Also lasst uns gemeinsam einen Blick zurückwerfen zu einigen der Weihnachtsbäume, die es besonders hart getroffen hat und in Zukunft vielleicht etwas netter zu unseren weihnachtlichen Besuchern sein.
Christbaum am Rathausplatz: Aus den Bundesländern in die Hauptstadt
Woher der Weihnachtsbaum am Wiener Rathausplatz kommt, das ist ein bereits jahrzehntelanges Brauchtum. Seit 1959 sendet Jahr für Jahr immer abwechselnd ein anderes Bundesland den Baum in die Hauptstadt. Dabei ein Fun Fact: Alle neun Jahre kommt der Christbaum nicht aus einem der österreichischen Bundesländer, sondern aus Südtirol. „Der Weihnachtsbaum ist seit jeher ein Zeichen des Miteinanders und des Zusammenhalts“, sagte Bürgermeister Ludwig, als die 130 Jahre alte Fichte im November 2021 in Wien ankam.
Blicken wir zurück in das Jahr 2012. Da kam der Christbaum aus Niederösterreich, genauer gesagt aus der Gemeinde Schwarzenbach an der Pielach im Bezirk St. Pölten. Für einen Twitter-User war die Fichte jedoch eine herbe Enttäuschung.
Diese 29 Meter hohe und rund 80 Jahre alte Fichte wäre eigentlich für sogar noch größere Aufgaben bestimmt gewesen. Und zwar für den Vatikan. Allerdings sei der Baum dort für den Petersplatz ein „bisschen zu schlank“ gewesen, sagte Ernst Kulovits, Bürgermeister der Christbaum-Gemeinde Schwarzenbach. Dann halt also doch nach Wien.
Baum-Shaming am Limit
Besonders schlimm traf es den Christbaum im Jahr 2018. Da war Kärnten an der Reihe für die richtige Weihnachtsstimmung am Wiener Rathausplatz zu sorgen. Aus einem Wald in der Gemeinde Metnitz im Bezirk St. Veit an der Glan kam in diesem Jahr die 28 Meter hohe Fichte. „Er ist sicher der schönste Baum in ganz Oberkärnten“, sagte MA-49-Forstdirektor Andreas Januskovecz damals im Interview mit der „Kronen Zeitung“.
Auf die Frage, welche Voraussetzungen so ein Weihnachtsbaum am Rathausplatz erfüllen muss, sagte Januskovecz: „In erster Linie muss er den Wienerinnen und Wienern gefallen, das ist das Allerwichtigste.“ Da scheint jemand die Menschen in Wien nicht wirklich zu kennen, denn die hielten mit ihrer Kritik am Aussehen des Baumes nicht zurück: „Zu karg“, schrieb ein:e User:in. Ein:e andere:r stellte sogar eine noch härtere Frage: „Können wir uns keinen schöneren Christbaum mehr leisten?“ Die arme Kärntner Fichte.
Wenn ein Baum mit einem Jahr verglichen wird
Im letzten Jahr dann wahrscheinlich das bisherige Lowlight der rund 60 Jahre alten Tradition am Wiener Rathausplatz. 2020 kam der Weihnachtsbaum nämlich aus Oberösterreich - und erntete wohl so viel Spott wie noch kaum ein Christbaum zuvor. Vielleicht lag es einfach an dem verdammten Katastrophen-Jahr, das 2020 für uns alle allgemein war. Österreich befand sich zu diesem Zeitpunkt auch bereits inmitten der zweiten Corona-Welle. Das führte auf jeden Fall dazu, dass der Look des Weihnachtsbaums einfach direkt mit dem gesamten Jahr verglichen wurde.
Der Baum am Rathausplatz erinnere sogar an einen alten Mann, der ein schönes Leben im Wald gehabt hat und in seinen letzten Stunden in der Wiener Innenstadt zur Schau gestellt wird, wie ein Passant im Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“ sagte. Now that‘s just sad.
Neues Jahr, neuer Shitstorm
Das bringt uns wieder zum diesjährigen Weihnachtsbaum aus dem Burgenland. Wie böse Zungen auf Social Media bereits scherzhaft gesagt haben, soll Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) an seinen Wiener Kollegen Michael Ludwig extra einen nicht so schönen Baum entsendet haben. Das soll die schwierige Beziehung zwischen den beiden Landeshauptmännern symbolisieren.
Seit dieser „bösen Tat“ von Doskozil hat sich aber natürlich auch einiges getan. Mit eigens gelieferten Ästen, die in den Baum eingearbeitet werden, und rund 1000 LED-Lichtern erhielt die burgenländische Fichte eine ordentliche Schönheitskur.
Nach all diesen Witzen und dem gemeinen Christbaum-Shaming möchten wir uns abschließend direkt an die wenden, die es am meisten betrifft: Liebe Weihnachtsbäume, egal, woher ihr kommt, wie alt ihr seid oder wie dicht eure Äste sind, ihr seid alle schön, genau so, wie ihr seid.