Die Menschen wollen keinen Traumjob mehr haben und ehrlich gesagt kann ich sie gut verstehen

Muss man einen Traumjob haben? Darf man auch einfach nur chillig vor sich hin leben oder ist man dann ein:e Verlierer:in?
Darüber diskutieren in letzter Zeit verschiedene Influencer:innen auf YouTube und TikTok. Dabei hinterfragen viele die Konzepte, die in einer kapitalistischen Gesellschaft normal sind.
Die meisten von uns (du wahrscheinlich auch) sind in einem „normalen“ Angestelltenverhältnis. Wir zahlen Einkommenssteuern, haben dafür aber eine gewisse Job-Sicherheit und unser Pensions- und Sozialversicherungsbeitrag-Game ist on fleek.
Oft hinterfragen wir es gar nicht mehr, welche Art von Normalität uns hier vorgeschrieben wird.
Ja klar, wir brauchen Geld, also müssen wir arbeiten gehen - so funktioniert unser kapitalistisches System. Viele von uns strugglen trotzdem damit, einen Job zu finden, der auch wirklich zu uns passt. Einen „Traumjob“ sollte man im besten Fall haben, also eine Betätigung, die man am liebsten tagtäglich ausübt, und zwar gegen Geld.
Dass man dieses Konzept aber dekonstruieren kann, zeigt der „I don‘t dream of labor“ („Ich träume nicht von Arbeit“)-Trend. In den gleichnamigen Videos reden Youtuber:innen davon, dass „Traumjobs“ keine Norm sind und Selbstverwirklichung in der Arbeitswelt oft nicht realistisch ist. Hier sind einige ihrer Argumente:
1. Von klein auf wird uns anerzogen, dass wir einen Traumjob haben müssen.
Nicht jeder Mensch hat aber das Glück, überhaupt eine Tätigkeit zu finden, die er über mehrere Jahrzehnte 40 Stunden pro Woche gerne macht.
2. Wir identifizieren uns und andere zu sehr über den Beruf.
Unser Job ist eines der ersten Dinge, mit denen wir uns im Erwachsenenalter anderen vorstellen - dabei sagt er nicht unbedingt darüber aus, was für ein Mensch wir sind. Unsere Berufswahl macht uns entweder zum Verlierer oder Gewinner, je nachdem wie gesellschaftlich angesehen er ist. Dabei haben nicht alle Menschen denselben Zugang zu Bildung und Ausbildung.
3. Unterschiedliche Jobs werden teilweise komplett random mit Gehalt bemessen.
Ein Manager verdient vielleicht das fünffache Jahresgehalt von einer Putzfrau. Geistige Arbeit bringt meist mehr Geld als körperliche. Gerade deswegen macht das Traumjob-Konzept keinen Sinn. Nicht jeder kann es sich leisten, seinem Traumjob überhaupt nachzugehen.
4. „Produktivität“ ist inzwischen ein Totschlagargument, um Freizeitaktivitäten zu shamen.
Man kann sich gar nicht mehr richtig entspannen, weil Faulheit sofort mit Misserfolg gleichgesetzt wird.
5. Die neoliberale Hustle-Kultur ist schlecht für unsere psychische Gesundheit.
Sie führt dazu, dass Menschen ihren Wert danach bemessen, wie viel sie erreichen. Das brennt uns auf die Dauer aus. Es ist an der Zeit, dass wir unsern Selbstwert von unserem Jobprofil lösen.
Burnout, Depressionen und Minderwertigkeitskomplexe seinen die logischen Folgen der Hustle Culture, heisst es in den „I don‘t dream of labor“-Videos von Youtuber:innen wie zoeunlimited und Lynette Adkins.