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Burnout ist auch für Millennials ein reales Problem

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Von: Helena Dimmel

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Montage: Kopf eines Mannes vor Laptop / Junger Mann ist verzweifelt
Auch junge Erwachsene können ins Burnout schlittern. © IMAGO/Bihlmayerfotografie/Viktor Cap/BuzzFeed Austria

Konstanter Stress am Arbeitsplatz, keine geregelten Arbeitszeiten oder unrealistische Ziele: Burnout, oder chronische mentale Erschöpfung, betrifft auch Einsteiger:innen am Arbeitsmarkt. Oft sind toxische Unternehmensstrukturen der Auslöser.

Renata*, 28, sitzt neben mir am Rücksitz. Wir fahren zurück in die Großstadt, nachdem wir uns gemeinsam mit anderen Freundinnen über Weihnachten ein paar Tage Auszeit gegönnt haben. „Ich werde kündigen, Mädels!“ ruft sie in den mit Ende 20er Girls beladenen Kraftwagen hinein, um gleich darauf mit einem kollektiven „Whooo!“ von uns bekräftigt zu werden.

Wir düsen auf der Autobahn dahin, Musik schallt durch die Lautsprecher, eine Szene wie aus einem amerikanischen Teenie Film. Doch die dunklen Ringe unter Renatas Augen verraten, dass es sich gerade eben nicht nur um einen hochstilisierten, feministischen Self-Care Moment handelt. Daran können auch die von ihren Komparsinnen eingeworfenen Phrasen wie „Yahs Queen!“ und „You go girl“ nichts ändern.

Renata arbeitet bei einem Consulting-Unternehmen. Wie sie da reingerutscht ist, ist ihr selbst nicht so ganz klar, zur richtigen Zeit am richtigen Ort vielleicht? Jedenfalls hat sie den Job angenommen, um den ersehnten „Team Lead“-Titel in den Lebenslauf schreiben zu können: Ein Beweis für die restliche Arbeitswelt, dass sie Verantwortung übernehmen kann. Eine Eintrittskarte in eine neue Gehaltsklasse beim nächsten Anstellungsverhältnis. Doch die Strategie hat ihren Preis: Schlaflose Nächte, keine geregelten Arbeitszeiten, ein inhumanes Arbeitsumfeld. Renata erzählt von Kolleg:innen, die nach der Arbeit Drogen nehmen, Mobbing am Arbeitsplatz und einem Punktesystem, das „Human-Ressourcen“ evaluiert wie Inventar.

„Irgendwann konnte ich nichts mehr essen vor lauter Stress. Dazu kam eine konstante Übelkeit am Abend vor dem Einschlafen. Das war teilweise unerträglich. Ich bin dann zum Arzt gegangen und hab mich wochenlang krankschreiben lassen, aber die Kündigung war für mich letzten Endes der einzige Ausweg.“

Was ist ein Burnout?

Burnout ist eine Sympomatik, die durch chronischen Arbeitsstress und schlechte Arbeitsbedingungen ausgelöst wird. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, depressive Verstimmungen, Panikattacken und Angstzustände sind einige der psychischen Zustände, die damit in Verbindung gebracht werden. Zahlreiche körperliche Symptome wie Schwitzen, Nervosität, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Herzrasen, Appetitlosigkeit oder Rückenbeschwerden treten in allen Stadien und Schweregraden des Burnouts auf. Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie definiert die folgenden Risikofaktoren für Burnout:

Schlechte Arbeitsbedingungen und wenig Möglichkeiten, sich zu beschweren

Jakob*, 29, ist Teamleiter in einem österreichischen Start-Up. Für ihn sind es einerseits die toxischen Unternehmensstrukturen, die sich auf die mentale Gesundheit der Mitarbeiter:innen auswirken. „Mein Vorgesetzter ist nicht am selben Standort wie ich tätig. Ich weiß nicht, wann er im Urlaub ist oder ob er zu den Meetings kommt, die ich aufsetze.” Es sei auch nicht klar, welche Funktion der Vorgesetzte habe, außer dass er „ab und an reinschneit und micro-managt.” Dieses Vorgehen sei willkürlich, es gäbe keine konkreten Vorgaben, wie gearbeitet werden soll. Dennoch müssen die Firmenziele erreicht werden. Arbeitstage von bis zu 16 Stunden seien die Konsequenz daraus. „Natürlich fühle ich mich da komplett verarscht.”

Zu viel Verantwortung ohne Mitspracherecht

„Flache Hierarchie” ist das Stichwort, mit dem sich viele Unternehmen aus der Verantwortung ziehen. In Jakobs Arbeitsumfeld sieht das wie folgt aus: Einerseits wird ihm die komplette Verantwortung für ein Projekt auferlegt, andererseits hat er kein Mitbestimmungsrecht über die Rahmenbedingungen. Dies führe de facto dazu, dass er und andere Teamleiter:innen unbezahlte Mehrarbeit und Überstunden leisten, teilweise mehrere Rollen gleichzeitig übernehmen. 

Arbeitsverträge, die nur eine kurze Rollendefinition enthalten, sind in vielen Branchen gang und gäbe. Sie sind bewusst abstrakt formuliert und gerade deshalb problematisch: Welche Tätigkeiten die Rolle genau umfasst, wird erst im Unternehmensalltag definiert, oft auf Kosten der Arbeitnehmer:innen. In Jakobs Fall sei es außerdem schwierig, Feedback über die Rolle an die Vorgesetzten zu geben oder darauf hinzuweisen, dass Ziele zu hochgesteckt sind. „So ist das nun mal bei uns”, sei ihm einmal gesagt worden.

Ob diese Arbeitsbedingungen einen Einfluss auf sein Privatleben haben? „Unter der Woche habe ich kein Privatleben mehr. Ich arbeite teilweise von in der Früh bis zum Schlafengehen.” Auf die Frage, ob er denke, dass er gerade ein Burnout riskiere, antwortet Jakob mit einem klaren Nein. Das relativiert er aber wenig später: „Natürlich belasten mich diese Arbeitsbedingungen. Ich habe keine Lust mehr, in der Früh aufzustehen. Meine Arbeit macht mir keinen Spaß mehr. Mir fehlt der Appetit, ich esse nicht genug und bin am Wochenende komplett kraftlos.”

Früherkennung ist essentiell

Oft entwickelt sich das Burnout langsam, über Wochen, Monate oder Jahre hinweg. Das Max Planck Institut für Psychiatrie definiert die folgenden Punkte als Warnsymptome der Anfangsphase:

Wenn du dich in einem oder mehreren Punkten oder den oben angegeben Symptomen wieder findest, kannst du unter der Telefonnummer der 142 die österreichische Telefonseelsorge erreichen. Auch die ÖGK bietet kostenlose und anonyme Stress-/Burnout Einzelberatungen an. Psyonline bietet zudem einen Register aller in Österreich gemeldeten Psychotherapeut:innen.

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