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„Sollen sie doch Porsche fahren“: Aktivist:innen erklären, warum sie Fake-Plakate von Christian Lindner aufhängen

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Von: Jana Stäbener

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Fake-Plakate von Christian Lindner und der FDP: „Kein Geld für ÖPNV? Sollen sie doch Porsche fahren“
In Anlehnung an das bekannte Zitat „Sollen sie doch Kuchen essen“, kritisieren diese Fake-Plakate des Kollektivs „Dies Irae“ die Politik der FDP und die Werbeindustrie. © Dies Irae

Fake-Plakate zeigen Christian Lindner (FDP) mit dem Zitat „sollen sie doch Porsche fahren“. Dass die Polizei ermittelt, sehen die Urheber:innen von „Dies Irae“ jedoch gelassen. 

Wer an diesem Wochenende durch die Innenstadt in Düsseldorf oder auch Mönchengladbach spazierte, ist vielleicht über das ein oder andere Kunstwerk des Künstler:innen-Kollektivs „Dies Irae“ gestolpert. Die Rede ist von gelb, magentafarbenen Plakaten mit FDP-Logo, die Christian Lindner im üblichen schwarz-weiß-Stil zeigen – neben ihm die Worte „Kein Geld für ÖPNV? Sollen sie doch Porsche fahren“, die sich über Christian Lindners Aussagen zur „Gratismentalität“ beim 9-Euro-Ticket-Nachfolger lustig machen sollen.

Ganz in Anlehnung an das Zitat „Sollen sie doch Kuchen essen“, will „Dies Irae“ (übersetzt: Tag des Zornes) mit den Fake-Lindner-Plakaten auf die Abgehobenheit und die „Klientelpolitik“ – besonders die der FDP – aufmerksam machen. Das ganze nenne sich „Adbusting“, so ein Sprecher des Kollektivs, der Luther Blisset genannt werden will, im Gespräch mit BuzzFeed News DE. Er erklärt uns, warum grade Christian Lindner zur Zielscheibe wird und was die deutsche Werbeindustrie mit der Aktion zu tun hat.

Fake-Plakate mit Christian Lindner: „Adbusting“ holt sich den öffentlichen Raum zurück

Auch Werbeboxen von Ströer Publishing sind, wenn man sich Bilder auf Social Media anschaut (siehe unten), von dieser Mischung aus Kunst und Aktivismus betroffen. Dabei äußern sich nicht alle User:innen positiv, so wie Grünen-Politiker Volker Beck. Auf eine Anfrage von BuzzFeed News DE will sich Ströer Publishing jedoch nicht zu den Christian-Lindner-Plakaten äußern – man könne nur sagen, dass es sich hier eben nicht um bezahlte Werbung, sondern um „Adbusting“ handle.

Luther Blisset von „Dies Irae“ spricht da offener mit uns von BuzzFeed News DE. Das Kollektiv habe etwa vor zwei Wochen angefangen, die aktuelle Adbusting-Kampagne zu Lindner und dem 9-Euro-Ticket zu planen (hier übrigens 7 mögliche Ideen für Nachfolger). Erstmals gebe es bei dieser Kampagne zur FDP auch eine Gofundme-Seite, die eine Privatperson ins Leben gerufen habe, erzählt Blisset. Schon über 3.300 Euro (Stand 22. August, 16 Uhr) sind hier bereits zusammengekommen – alles um sich den öffentlichen Raum zurückzuholen.

Aber wie funktioniert „Adbusting“ eigentlich? „Wir haben da einen Standardschlüssel aus dem Baumarkt, mit dem wir die Werbeboxen aufschließen. Dann hängen wir unsere Plakate ganz einfach über die ursprüngliche Werbung. Das ist übrigens nicht strafbar – hat die Staatsanwaltschaft Berlin 2020 entschieden.“ Schon seit 2013 kapert „Dies Irae“ immer wieder verschiedene Werbeflächen, um Kritik an der Werbeindustrie auszuüben. „Der öffentliche Raum ist quasi eine Dauerwerbesendung. Da greifen wir ein, denn die Stadt gehört uns allen und nicht nur den Konzernen, die sie mit ihren Marketing-Budgets gestalten.“

„Sollen sie doch Kuchen essen“

Die Aussage „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen“ ist wohl eines der bekanntesten historischen Zitate. Dass Marie Antoinette sie getroffen haben soll, ist jedoch sehr unwahrscheinlich, denn die Formulierung tauchte erstmals in den Schriften des französischen Philosophen Jean-Jaques Rousseau auf, der als Quelle nur auf eine anonyme Prinzessin verweist. Ein Faktencheck der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zeigt, dass Marie Antoinette damit wahrscheinlich nicht gemeint ist – sie war zu dem Zeitpunkt erst elf bis dreizehn Jahre alt.

„Christian Lindner steht mit der FDP für Verarmungspolitik“

Wir fragen sie, ob sie mit den Lindner-Plakaten nicht in eine ähnliche Richtung gehen, wie die Kampagne „Grüner Mist“, die bei der Bundestagswahl 2021 für Aufsehen sorgte. Blisset verneint. „Bei ‚Grüner Mist‘ ging es darum, die Grünen als Partei zu diffamieren. Das ist bei unserer Kampagne anders – wir äußern einfach nur Kritik an einem bestimmten politischen Thema, nämlich der Tatsache, dass Lindner und die FDP die Weiterführung des 9-Euro-Tickets blockieren“, sagt der Pressesprecher.

Aber warum gerade Christian Lindner? „Christian Lindner steht mit der FDP für Verarmungspolitik: Anstatt die Sorgen und Nöte der Bevölkerung wahrzunehmen, schreibt er SMS an Porschebosse und disqualifiziert sich damit als Mitglied der Bundesregierung“, so Blisset. Die FDP betreibe mit Aktionen wie dem Tankrabatt, der laut Robert Habeck gescheitert ist, politischen Nichtwillen auf Kosten des Klimas und der Bevölkerung. „Die Leute wollen bezahlbaren ÖPNV und Christian Lindner ignoriert das einfach hart“, sagt der Sprecher von „Dies Irae“ gegenüber BuzzFeed News DE.

Auch wir schreiben über Armut in Deutschland: „Junge Erwachsene sind die Altersgruppe mit dem höchsten Armutsrisiko“.

Fake-Plakate zu Lindner: „Die FDP kann uns ruhig verklagen“

Dass die Polizei in Düsseldorf nun schon aus Gründen des „Staatsschutzes“ ermittelt, wie der WDR berichtet, besorgt den „Dies Irae“ nicht. Man habe das Gefühl, das Richtige zu tun – dafür nehme man auch Stress in Kauf. „Die FDP kann uns ruhig verklagen, aber dann sollen sie sich nicht beschweren, wenn das ganze noch mehr Aufmerksamkeit bekommt.“ Blisset macht deutlich: Das Kollektiv will weiterhin für Empörung sorgen, inspiriert vom Kabarettisten Georg Schramm, der sagte: „Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht.“

Über Empörung und warum ihr politische Taten folgen müssen, um Wutbürgertum zu verhindern, sprechen wir hier mit dem Philosophen Andreas Urs Sommer.

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