Christopher hat die ersten Symptome mit 16 gespürt. Er erklärte gegenüber BuzzFeed: „Ich hab nie damit gerechnet, dass ich mich mit Schizophrenie auseinandersetzen muss. Ich habe in den darauffolgenden Jahren Geflüster gehört, das andere nicht hören konnten und das Gefühl gehabt, als würde ich von ‚Phantom-Augen‘ beobachtet werden. Es war völlig egal, wo ich war, ich hab diese Augen ständig auf mir gespürt. Es ist so ähnlich wie eine soziale Phobie, nur 24/7 und als ob sie immer stärker wird.“
Christopher hat die Schule abgebrochen, nachdem die Stimmen angefangen haben, sein Verhalten zu beeinflussen. Er hat daraufhin Obdachlosigkeit, Stimmungsschwankungen und vor allem eine schrecklichen Angst erfahren. Das hat dazu geführt, dass er wieder nach Hause gezogen ist, wo er einen ‚Zusammenbruch‘ erlebt hat und ins Krankenhaus gekommen ist. Die Ärztinnen und Ärzte dort haben ihn dann mit Schizophrenie und einer bipolaren Störung diagnostiziert.
Nach jahrelanger Verhaltenstherapie und Medikamenten, die geholfen haben, seine Stimmung zu stabilisieren, hat sich der 25-Jährige eine 1,3 Millionen starke Community auf TikTok aufgebaut. Diese kann sich mithilfe der Simulationen des Künstlers in ihn hineinversetzen und ihm sogar Fragen stellen, auf die Christopher sehr ehrlich antwortet.
Die Fragen, die Christopher auf TikTok beantwortet, reichen von seinem Weg zur Diagnose bis hin zu den extremsten Dingen, zu denen ihn die Gesichter bringen wollten.
Er hat auch erklärt, welche Polarität zwischen den Gesichtern herrscht. Diese sind zwei prägende Figuren, denen er die Namen Chester und Bertrum gegeben hat. Ähnlich wie Engelchen und Teufelchen auf deiner Schulter sitzt Bertrum an einem Ende des Spektrums der Stimmen, die Christopher hört, während Chester auf dem anderen Ende sitzt. Bertrum versucht, ihn zu ‚bösem‘ Verhalten zu verleiten, Chester ist hingegen auf ‚gutes‘ Verhalten aus. Zwischen diese beiden dominierenden Perspektiven fallen all die anderen Stimmen und Gesichter, denen Christopher keine Namen gegeben hat.
Christopher erklärt: „Schizophrenie ist ein Spektrum-Phänomen. Es äußert sich auf eine Weise, die deinen inneren Bewusstseinsraum widerspiegelt. Deine Erziehung, Kultur, deine Traumata und deine Gene fließen mit rein und wirken sich auf die Erfahrung aus, die du haben wirst.“
„Es ist wie Äste an einem Baum: Es gibt Gemeinsamkeiten, die von Ärzt:innen geteilt und gemessen werden, wie beispielsweise die Sprachverarmung, Halluzinationen und die eigens wahrgenommen Wahnvorstellungen. Aber genau wie ein Baum wachsen diese Dinge dann auf eine eigene einzigartige Weise“, erläutert er weiter.
„Schizophrenie ist wie die Natur selbst. Sie kann nicht gänzlich erklärt, zerlegt oder begriffen werden, weil so viele sensorische Aspekte mit der eigenen Wahrnehmung und individuellen Symbolen und Assoziationen zusammenkommen. Jede Antwort auf eine Frage bezüglich Schizophrenie wirft weitere Fragen auf.“
Diese Unterscheidung der Erfahrungen wird auch häufig in den Kommentaren zu Christophers Videos erwähnt. Viele schreiben, dass seine Erfahrungen nicht auf jede:n zutreffen. Christopher selbst stimmt dem zu: „Meine Simulationen sind so genau, wie ich sie mit den Ausdrucksmöglichkeiten, die ich habe, erstellen kann. Die Gefühle, die Zuschauer:innen beim Ansehen haben, spiegeln jedoch wider, wie sich Menschen fühlen würden, wenn sie ein ähnliches Phänomen erleben.“
In einem Antwortvideo fügt er hinzu: ‚Ich bin ein Künstler, der meine [...] persönlichen Erfahrungen mit Schizophrenie teilt. [...] Schizophrenie ist so ein weitreichendes Spektrum, dass es unmöglich ist, einen einzelnen Schizophrenie-Simulator zu erstellen, der für alle passt.“
Zuschauer:innen schätzen es, dass Christopher seine eigene Perspektive online teilt, schließlich gibt es immer noch einen Mangel an Berichten über Schizophrenie, die aus erster Hand kommen. Christophers Videos haben Menschen nicht nur dabei geholfen zu verstehen, was ihnen nahestehende Personen durchmachen ...
... sondern auch die Aufmerksamkeit von medizinischem Fachpersonal auf sich gezogen, die Kommentare darüber hinterlassen, wie seine Kreationen ihnen geholfen haben, ihre Patient:innen besser zu verstehen.
DSM ist das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Auf Deutsch: der Diagnostische und statistische Leitfaden psychischer Störungen.
Und genau das war Christophers Ziel. Durch seine Arbeit will der Animationskünstler falsche Vorstellungen über Schizophrenie aus dem Weg räumen und dabei helfen, die Krankheit zu entstigmatisieren.
Er erklärt: „Es fällt mir nicht leicht, aber manchmal muss man die Wahrheit an die Öffentlichkeit bringen, um die Leute dazu zu bringen, verständnisvoller zu werden. Auch wenn es dazu führen kann, dass sie sich unwohl fühlen oder Angst haben.“
Christopher fügt hinzu: „Ich tue das, was ich mache, weil ich es leid war, missverstanden zu werden. Ich war es auch leid, nicht menschlich behandelt zu werden und das nur, weil meine Wahrnehmung vielleicht anders ist als die anderer. Meiner Meinung nach: Pech gehabt. Ich bin hier, ich lebe und atme und ich werde all das zeigen, was mich ausmacht.“
Und anderen, die so sind wie er, sagt der Animationskünstler: „Ich hoffe, dass meine Arbeit anderen neurodiversen Menschen dabei hilft, aus diesem Loch aus Selbstzweifel und Scham herauszukommen. Ich bin es leid, dass sich Menschen wegen einer Diagnose selbst schlechtreden und fälschlicherweise glauben, dass sie nichts wert sind. Wir sind alle aus einem Grund hier. Mach, was du willst. Zeig, wer du bist. Tu nur niemandem weh.“
Wenn du Christophers Weg und seine Kreationen weiter verfolgen willst, dann folge ihm auf TikTok und Instagram.
Informationen über und Anlaufstellen zur Behandlung von Schizophrenie findest du auf der Webseite der Psychosozialen Dienste Wien. Für psychiatrische Krisen gibt es dort auch eine Notfallnummer, die 24 Stunden am Tag erreichbar ist.
Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit setzt sich außerdem dafür ein, dass psychische Erkrankungen nicht mehr tabuisiert werden. Ihre Projektarbeit wie die „Woche der seelischen Gesundheit“ oder die „Grüne Schleife“ kannst du hier mithilfe von Spenden unterstützen.
Dieser Post wurde übersetzt von einem Post von Alexa Lisitza.