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61-jähriger Familienvater geht täglich in Rock und High Heels ins Büro

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Von: Sven Barthel

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Mark Bryan, Influencer im Socialen Netzwerk Instagram, sitzt auf einer Bank.
Mark Bryan (61) trägt Frauenkleidung als Plädoyer, einzwängende Geschlechterordnungen zu überwinden und weil sie ihm gefällt. © picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Der Amerikaner Mark Bryan lebt sein Leben als Mann in High Heels und Frauenklamotten in der süddeutschen Provinz. Dadurch wurde er über Instagram zum Star und Vorbild für Hunderttausende, denn die Botschaft hinter dem Look des 61-jährigen Familienvaters reflektiert den Zeitgeist und berührt die Herzen der Menschen.

Stuttgart - Der Amerikaner Mark Bryan liebt schnelle Autos, schöne Frauen und seinen Beruf als Ingenieur. Also ein ganz normaler Kerl, wie so viele andere auch? Nicht ganz. Denn, der gebürtige Texaner liebt auch High Heels - und zwar an seinen eigenen Füßen. In ihnen stöckelt er täglich zur Arbeit bei einem deutschen Robotik-Unternehmen. Dazu kombiniert er enge, knieumspielende Bleistiftröcke, die seinen Office-Look komplettieren.

Wenn der 61-Jährige in diesem Aufzug morgens am Bahnsteig eines kleinen Bahnhofs in der süddeutschen Provinz auf seinen Zug wartet, nutzt er die Zeit, um Fotos von sich in seinen Business-Outfits für seinen Instagram-Kanal zu machen. Der zählt aktuell über eine halbe Million Follower und täglich werden es mehr. In der kontinuierlichen Bilderflut im Social-Media-Komsos stechen seine Fotos hervor - weil sie mit Sehgewohnheiten brechen und Geschlechterstereotype infrage stellen.

Anmerkung der Redaktion

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 02.06.2021 veröffentlicht. Da er für unsere Leserinnen und Leser noch immer Relevanz besitzt, haben wir ihn erneut auf Facebook gepostet.

Instagram-Star Mark Bryan: „Ich nehme mir einfach die Freiheit, das anzuziehen, was ich will“

In seinem Heimatort irgendwo zwischen Stuttgart und Nürnberg, ist Mark Bryan bekannt wie ein bunter Hund. Während die Männer in der Bahn den Blickkontakt mit ihm vermeiden würden, schenkten Frauen ihm gelegentlich auch mal ein Lächeln. Nur selten wird er angesprochen, erzählt der 1,80 Meter große Crossdresser im Interview mit vogue.de. Die Leute würden ihn natürlich bemerken, seien aber zu höflich, um etwas Negatives zu sagen.

Wer sich für Mode interessiert, weiß, welchen Einfluss Kleidung auf Gemüt und Haltung ausüben kann. Auch Mark Bryan schöpft aus seiner Art, sich zu kleiden pure Lebensenergie*. Bevor er anfing sich in Frauensachen zu hüllen, sei es immer nur darum gegangen, den nächsten dunkeln Anzug aus dem Schrank zu holen und die immer gleichen braune oder schwarze zu tragen, wie er im Gespräch mit Vogue verrät: „Wie langweilig!“ Heute hantiert Bryan sogar in weißen Pumps und weißem Minirock mit der Zapfpistole an der örtlichen Tankstelle, wenn sein Wagen Sprit braucht.

Männer auf hohen Hacken und im Rock sind nichts Neues. Auf den Laufstegen internationaler Top-Designer wie Jean Paul Gaultier sind sie spätestens seit Anfang der 1980er Jahre präsent und auch zahlreiche Künstler wie Prince, David Bowie und Elton John haben bewiesen, dass man als Kerl in femininem Gewand die Herzen der Menschen erobern kann. Neu dagegen ist die zunehmende Akzeptanz der vertauschten modischen Codes der Geschlechter im Mainstream, ohne sich als Crossdresser noch erklären zu müssen.

Mark Bryan: Chi Chi sucht man in seinem Kleiderschrank vergeblich

Angst, dass ihm jemand mal wegen seines Aussehens körperlich angreifen könnte, hat Mark Bryan nicht.
„Ich glaube, wenn man Unsicherheit zeigt oder Angst hat, dass jemand etwas gegen einen sagen könnte, dann zieht man Attacken förmlich an“, so Bryan gegenüber Vogue.

Doch seine Souveränität scheint ihn davor zu schützen. So wedelt Bryan weder hektisch mit den Händen, noch klimpert er theatralisch mit den Augen - sprich er agiert kein bisschen affektiert. Zudem ist seine Kleidung frei von Chi Chi* - keine Pailletten, keiner Federn oder sonstiger Glamour - stattdessen hochwertige Stücke im Business-Look. Dadurch wird er nicht als Travestiekünstler wahrgenommen, sondern als das, was er ist: ein Kerl, der gerne Frauenklamotten trägt.

Auch Bryans deutsche Ehefrau steht voll und ganz hinter der Kleiderwahl ihres Gatten: „Man lebt nur einmal. Und das sollte man so gut es geht auskosten“, findet sie. Beide sind der Ansicht, dass es überhaupt keinen Grund gibt, sich in irgendeine Kategorie einreihen zu müssen. Was Bryan in Bezug auf seinen Style am meisten nervt, ist dessen ständige Reduktion auf etwas Sexuelles. Seine Art sich zu kleiden, errege ihn nicht, er fühle sich in seinen Outfits einfach nur schöner und darüber hinaus sei er auch nicht schwul, wovon die meisten, die ihm begegnen, zunächst einmal fest ausgehen würden.

Mode hat kein Geschlecht

Mark Bryan ist Vater von drei erwachsenen Kindern, die in den USA leben und überhaupt kein Problem mit dem Kleidungsstil ihres Dads haben. Seine Tochter kommentiert nahezu jedes seiner auf Instagram veröffentlichten Fotos und habe ihn darüber informiert, dass sogar Rihanna seinem Account folgt. Und sein Sohn habe ihm mal ein Kompliment gemacht, dass er nie erwartet hätte: “Dad, das sieht echt gut aus.“

Bryan wünscht sich, dass die Menschen begreifen, dass Kleidung nichts mit sexueller Orientierung zu tun hat. Seiner Überzeugung nach, sollte jeder Mensch absolut frei sein, in dem, was er tut und was er trägt. Dafür setzt er jeden Tag aufs Neue ein Zeichen; immer morgens, wenn er in High Heels zur Arbeit geht: „Auch in High Heels bin ich bin immer noch ein Mann.“ (Sven Barthel) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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