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„Ich wurde als Verräter der LGBTQIA-Community bezeichnet“: Ein Leser spricht über seine Bisexualität

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Von: Sophie Marie Unger

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Ein Comic mit Flagge der Bisexualität und Pride Parade
Bisexuelle Menschen werden heftig diskriminiert. © Kuffles/Unsplash

Heute ist Tag der Bisexualität. Menschen, die sich zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlen, haben es oft nicht leicht. So auch Martin.

Irgendwie hatte ich in den vergangenen Monaten schon das Gefühl, dass die LGBTQIA+-Community enorm zusammenhält und zurzeit auch grundsätzlich positive Vibes hinsichtlich Sexualität vorherrschen. Doch ich wurde da schon ein wenig von den tollen Pride Erlebnissen und vermeintlich weltoffenen Netflix-Serien geblendet. Denn Erfahrungen, die etwa Martin tagtäglich miterlebt, sind weiterhin Realität. Er ist seit mehreren Jahren bisexuell. Mit BuzzFeed Austria hat er darüber gesprochen, warum Bisexuelle von „allen Seiten“ diskriminiert werden.

„Für Heteros bin ich treulos“

Auch wenn der Spruch „ein bisschen bi schadet nie“ fetzig daherkommt, mit der Realität hat er meist wenig zu tun. Das weiß auch Martin. „Als ich letztens auf einem Date mit einer Frau war und ich von meiner früheren Beziehung (mit einem Mann) erzählte, war sie so verstört, dass sie mich einfach stehen ließ.“ Die Dates seien das eine - was Martin aber noch viel stärker zusetzt, sind die generellen Vorurteile. „Irgendwie glauben viele Heteros, dass man als Bisexueller super viele Sexualpartner:innen hat, was einfach Bullshit ist.“ Oft höre man auch, man sei treulos und könne keine monogame Beziehung führen. „Ich verstehe echt nicht, woher das kommt“, sagt er.

„Für die LGBTQIA+-Community entscheidungsunfähig“

Was, wenn man aber nicht einmal in der eigenen Community Halt findet? „Ich bin der Meinung, das B für Bisexual hat in LGBTQIA einfach keine Berechtigung“, so Martin. Auf einer Party vor zwei Wochen wurde er sogar als „Verräter“ bezeichnet. „Als der Typ, mit dem ich gerade flirtete, von meiner Bisexualität erfuhr, fing er an, mich zu beschimpfen - ich sei grindig und solle mich lieber wieder Muschis widmen.“ Aus der Community höre man generell Sachen wie man sei entscheidungsunfähig, das alles sei nur eine Phase oder man sei einfach zu feige, sich als homosexuell zu outen.

„Ich habe keinen Platz“

„Ich hab einfach nirgends einen Platz.“ Er habe das Gefühl, seine Orientierung werde in der Community unsichtbar gemacht und bei Heteros höchstens als „Rechtfertigung für einen Party-Ausrutscher“ benutzt. „Es ist wirklich schwer, da seinen Weg zu finden“, so Martin. Früher - und da hat vor allem die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht - tauschte er sich vermehrt über das Netzwerk „visiBility Austria“ mit anderen Bisexuellen über Erfahrungen, Probleme und vor allem auch über Mental Health aus.

„Das alles führte zu Depressionen“

Was er nämlich nicht verschweigen möchte ist, dass er seit rund fünf Jahren an Depressionen leidet. „Dieses permanente Missverständnis, der Druck, dazugehören zu wollen und auch die Rahmenbedingungen, wie etwa eine Pandemie, treiben dich in extreme Einsamkeit“, berichtet Martin. Nicht einmal in Serien seien bisexuelle Figuren verbreitet. „Cool, dass der Trend in Richtung Offenheit geht, aber hast du schon jemals eine bisexuelle Hauptrolle in einer Netflix-Serie gesehen? Ich nicht.“, bekrittelt er.

Studie belegt: psychische Belastung hoch

Mehrere Studien zeigen, dass Bisexuelle die höchsten Raten an Depressionen haben. Die Suizidrate ist im Vergleich zu Homosexuellen teilweise noch höher. Konkret liegt der Anteil der Bisexuellen, die unter psychischer Belastung leiden, bei 58,5 Prozent und ist damit deutlich höher als der allgemeine Durchschnitt (11,7 Prozent) und als der Durchschnitt der LGBTQIA+-Community (19,6 Prozent).

Auch asexuelle Personen kämpfen nach wie vor mit gesellschaftlichen Vorurteilen.

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