125 queere Mitarbeitende der deutschen katholischen Kirche outen sich - das ist auch für Österreich wichtig

In der Nacht auf den 24. Jänner haben sich 125 Mitarbeitende der katholischen Kirche in Deutschland geoutet. Sie fordern eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts.
So eine Aktion hat es noch nie zuvor gegeben. Hunderte Priester, Gemeinde- und Pastoralrefent:innen, Religionslehrer:innen und Mitarbeitende in der Verwaltung outen sich im Rahmen der Initiative #OutInChurch und der ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“. Auch österreichische LGBTQIA+-Vertreter:innen begrüßen das.
In a Nutshell
- Was ist passiert? 125 queere Menschen, die für die katholische Kirche in Deutschland arbeiten, traten in der Nacht zum Montag das erste Mal an die Öffentlichkeit. Sie rufen andere Mitglieder der LGBTQIA+-Community dazu auf, die für die katholische Kirche haupt- oder ehrenamtlich sich dem Netzwerk #OutInChurch anzuschließen.
- Was bedeutet das? In der katholischen Kirche gibt es keine Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare. Outet sich jemand, der für die Kirche arbeitet, als queer, kann diese Person im schlimmsten Fall ihren Job verlieren. Die Diskriminierung von LGBTQIA+-Personen ist in der katholischen Kirche fest verankert. Das soll sich nun ändern, fordern die Betroffenen.
- Wieso ist das wichtig? Queere Menschen, die ihren katholischen Glauben ausleben möchten oder für ihre Kirche arbeiten, können das oft nur, in dem sie ihre sexuelle Orientierung oder Identität für sich behalten. Denn, obwohl das Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland, Benachteiligung aus Gründen der sexuellen Identität verbietet, gilt in der Kirche ein eigenes Arbeitsrecht. Queere Menschen müssen in der Kirche also ständig um ihren Arbeitsplatz fürchten. Auch in Österreich gibt es für die Mitarbeitenden der katholischen Kirche keinen Diskriminierungsschutz.
Queere Mitarbeitende der Kirche machen auf Diskriminierung aufmerksam
Menschen wie Monika Schmelter müssen ihr Leben geheim halten, um ihren Glauben zu leben und ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Schmelter ist Mitarbeiterin der Caritas, dem Wohlfahrtsverband der römisch-katholischen Kirche. Sie musste die Beziehung zu ihrer heutigen Frau, einer Religionslehrerin, 40 Jahre lang verheimlichen. Nachdem die Partnerschaft doch ans Licht gekommen war, wurde ihr von ihrem Chef nahegelegt, ihren Job nur behalten zu können, wenn sie die Beziehung weiterhin geheim halte.
125 Mitarbeitende der katholischen Kirche in Deutschland wollen das nicht mehr hinnehmen. Im größten Coming-Out, das die Kirche wohl je gesehen hat, machen sie auf ihre Situation aufmerksam und fordern die Kirche dazu auf, die Diskriminierung gegen queere Personen zu beenden. Denn noch immer ist es in der katholischen Kirche ein Kündigungsgrund, wenn die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität nicht dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau entspricht.
#OutInChurch fordert Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts
Die Initiative #OutInChurch, die in der Nacht zum 24. Jänner online gegangen ist, fordert daher eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts. Außerdem sollen beleidigende und verletzende Aussagen zu Geschlechtlichkeit und Sexualität aus der kirchlichen Lehre gestrichen werden. Zudem wollen die Initiatoren, dass der Zugang zu allen katholischen Sakramenten und zu allen Berufsfeldern der Kirche queeren Menschen nicht mehr vorenthalten werde. Zu den sieben Sakramenten in der katholischen Kirche gehören unter anderem Taufe, Firmung und Ehe.
Im März hatte der Vatikan betont, dass homosexuelle Partnerschaften nicht den „Plänen Gottes“ entsprechen würden. Erst im Herbst sprach sich Papst Franziskus erneut deutlich gegen die Öffnung des Ehe-Sakraments für gleichgeschlechtliche Paare aus. Die katholische Kirche betrachtet die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau.
Solidarisierung mit queeren Kolleg:innen
Etwa 20 katholische Verbände und Organisationen solidarisieren sich mit ihren queeren Kolleg:innen. In einer gemeinsamen Erklärung, die die deutsche Katholische Nachrichten-Agentur veröffentlichte, heißt es: „Es darf nicht länger hingenommen werden, dass Menschen in kirchlichen Kontexten aus Angst gegenüber Kirchenvertreter:innen ein Schattendasein führen müssen, wenn sie nicht dem von der Kirche normierten Geschlechterbild entsprechen.“ Auch die Reformbewegung Maria 2.0 solidarisierte sich mit der Initiative. Eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts und der kirchlichen Lehre seien unbedingt notwendig.
Die österreichische Bischofskonferenz wollte auf Anfrage von BuzzFeed Austria die Initiative in Deutschland derzeit noch nicht kommentieren. Man wisse noch zu wenig darüber. Die steirische LGBTQIA+-Interessensvertretung RosaLila PantherInnen begrüßt das Coming-Out in Deutschland. „Wir finden das großartig und wichtig. In der katholischen Kirche sind queere Themen ein großes Tabuthema. Auch in Österreich gilt der Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt nicht für die Mitarbeitenden der Kirche. Das ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Ich freue mich sehr, dass die deutschen Mitarbeitenden die Courage haben, sich zu outen“, erklärt der Vorsitzende Joe Niedermayer. Auch er fordert, dass sich die Grundhaltung der Kirche zu queeren Themen ändert. „Ich kenne viele gläubige schwule und lesbische Paare, die gerne kirchlich heiraten würden. Warum ist das noch immer nicht erlaubt?“, fragt Niedermayer.
Coming Out in TV-Doku
Am 24. Jänner läuft auf dem deutschen Sender ARD die Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ von Investigativjournalist Hajo Seppelt. Rund 100 queere Katholik:innen sprechen darin öffentlich über ihre Erfahrungen in der katholischen Kirche und deren Einrichtungen. Sie berichten von jahrelangen Versteckspielen und ein Leben in Angst vor dem Outing.