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„Muss ich mich entschuldigen, weil ich Brüste habe?“: Eine junge Frau wehrt sich gegen Cybermobbing

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Von: Emily Erhold

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Bildmontage: Das Instagram-Foto von Christine.
Christines Foto wurde bearbeitet und in einer WhatsApp-Gruppe verbreitet. Ein Fall von Cyber-Mobbing? © Screenshot/christineziv/Instagram

Christine stellt ein Bild auf Instagram hoch. Einer ihrer Follower bearbeitet es und verbreitet es in einer WhatsApp-Gruppe. Seine Freunde sehen die Schuld bei ihr.

Ein ästhetisches Foto auf Instagram ist keine Seltenheit. Immerhin ist die Social Media Plattform dazu da, um Bilder mit seinen Follower:innen zu teilen. Genau dafür verwendet auch Christine ihr Insta-Profil. Dass ihr Foto plötzlich bearbeitet in einer Männer-Gruppe auf WhatsApp landet - damit hatte sie nicht gerechnet.

Unterschiedliche Motive für Cybermobbing

Laut einer Erhebung der Europäischen Grundrechteagentur wird jede fünfte Frau online belästigt. Auch Cybermobbing wird immer häufiger. Eine Studie des Karlsruher Bündnisses für Cybermobbing, die im November veröffentlicht wurde, zeigt, dass hier vor allem Frauen und jüngere Menschen betroffen sind. „Die Motive für Cybermobbing sind sehr unterschiedlich. Manchen geht es um Aufmerksamkeit, andere versuchen ihren Selbstwert zu erhöhen, in dem sie anderen Schaden zufügen. Es kann auch sein, dass das das Grundmotiv eine Form von Neid ist. Und es gibt natürlich ganz andere Motive, wie zum Beispiel eine Art von Rache, wenn man nicht gelernt hat, mit der eigenen Wut und den eigenen Hassgefühlen umzugehen“, erklärt die Psychologin Elke Prochazka im Interview mit BuzzFeed Austria.

Das Internet ist ein hartes Pflaster. Das bekam auch die 24-jährige Social Media Managerin Christine zu spüren, als sie im Dezember 2021 ein Bild von sich auf Instagram stellte. „Ich bin zwar oben ohne, aber mein Oberkörper ist auf dem Foto verdunkelt, sodass man meine Brüste nicht mehr erkennen kann. Es ist also kein Nacktfoto, sonst hätte es sowieso nicht auf Instagram stellen können“, erklärt die junge Wahlwienerin gegenüber BuzzFeed Austria.

Das Foto erhält über hundert Likes und viele positive Kommentare. Doch kurz darauf bekommt Christine eine Privatnachricht von einem Bekannten. Sie solle das Bild lieber wieder von der Plattform entfernen, denn es wurde von jemandem bearbeitet und auf WhatsApp weiterverbreitet. „So eine Nachricht kriegt man nicht alle Tage. Ich wusste dann auch gar nicht, wie ich darauf reagieren soll“, erzählt sie.

Doch dann kommt ihr der Gedanke: „Es ist ein normales Foto, das mir gefällt. Ich finde es schön so und ich möchte es auch öffentlich teilen.“ Sie fragt ihren Bekannten, wer denn das Bild bearbeitet hätte. Doch dieser wollte ihr zunächst keine Auskunft darüber geben. Er wollte ihr nur Bescheid sagen, dass es da Männer gäbe, für die solche Fotos ein gefundenes Fressen ist. Schließlich überzeugt Christine den Bekannten aber, ihr nicht nur zu sagen, wer das Foto in die WhatsApp-Gruppe gestellt hatte, sondern auch Screenshots von dem Chat-Verlauf zu schicken.

Sexismus und Cybermobbing

Im Verlauf kann sie erkennen, dass der Mann ihr Foto in die Gruppe gestellt hatte und darunter „klassisches Instapic von irgendeiner alternativen oiden“ kommentierte. Danach fügte er hinzu: „Ich ein neugieriger Mann“ und stellte das bearbeitete Bild hoch, auf dem ihre Brüste vermeintlich entblößt sind. Christine ist schockiert. Die erwachsenen Männer haben augenscheinlich nichts Besseres zu tun, als sexistische Kommentare und Witze über ihren Körper und ihr Geschlecht in einer WhatsApp-Gruppe auszutauschen. „Ich war richtig genervt. Wieso muss ich mich mit so etwas herumschlagen, nur weil ich ein Foto gepostet habe, dessen Ästhetik mir gefällt? Muss ich mich dafür entschuldigen, dass ich Brüste habe?“, fragt sich die 24-Jährige.

Es ist nicht das erste Mal, dass Christine mit Sexismus zu tun hat: „Ich kann im Sommer nicht einmal in kurzer Kleidung laufen gehen, ohne dass mir jemand blöd nachschaut oder nachpfeift. So etwas passiert mir ständig und ich denke, dass es vielen Frauen so geht“. Deswegen entscheidet sie sich, die Geschichte in ihrer Insta-Story zu teilen.

Die Reaktionen darauf bestätigen, dass Christine nicht die einzige ist, die sich mit sexistischen Kommentaren und Cybermobbing auseinandersetzen muss. „Gerade, wenn es um Sexismus geht, trifft es vor allem als weiblich gelesene, aber auch queere Menschen. Hier werden vor allem Vorwürfe gemacht, die auf vermeintlichen, traditionellen Gesellschaftsrollen basieren“, erklärt Psychologin Prochazka. Cybermobbing ist in Österreich strafbar. Ein Follower von Christine rät ihr, zur Polizei zu gehen. Das tut sie zwei Wochen später auch. 

Cybermobbing ist strafbar, aber ganz so einfach ist es nicht

Den Straftatbestand Cybermobbing gibt es in Österreich seit 2016. Im Gesetzbuch ist er unter §107c „Fortdauernde Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“ zu finden. „Cybermobbing ist das bewusste Beleidigen, Bedrohen oder Belästigen über elektronische Kommunikationsmittel wie Handy, Internet und Soziale Netzwerke“, erklärt Rechtsanwältin Carmen Thornton gegenüber BuzzFeed Austria.

„Fortdauernd“ bedeutet dabei aber nicht, dass man mehrere Fotos oder beleidigende Posts absetzen muss, um auch bestraft zu werden. „Auch ein einmaliger Vorfall könnte bereits Cyber-Mobbing sein. Es reicht schon, wenn jemand etwas hochlädt und nicht wieder runternimmt.“ Für Thornton ist es offensichtlich, dass die Aussage „irgendeine deppade oide“ beleidigend ist.

Dennoch fällt der Fall von Christine noch nicht eindeutig unter „Cybermobbing“. Ausschlaggebend ist nämlich, wie viele Personen in der WhatsApp-Gruppe sind. „Die Rechtsprechung sagt derzeit, dass es mindestens zehn Menschen mitbekommen müssen. Erst dann ist es strafbar“, so Thornton. Ist das aber der Fall, und sind alle Tatbestandsmerkmale erfüllt, kann der Täter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen rechnen.

Privatnachrichten sind in der Regel nicht strafbar

Die Grenze von mindestens zehn Personen bedeutet in der Regel auch, dass beispielsweise sexistische Privatnachrichten nicht strafbar sind. „Passiert es beispielsweise in einem Chat zwischen zwei Personen, dann fällt das weder unter Cybermobbing noch unter sexualisierte Gewalt. Denn sexuelle Belästigung setzt laut Strafgesetzbuch eine geschlechtliche Handlung voraus. Das ist online nicht der Fall, weil die körperliche Nähe fehlt“, so Thornton. Im Fall von Christine wurde aber nicht nur eine beleidigende Aussage in einer Gruppe geteilt, sondern auch ein Foto von ihr bearbeitet und weiterverbreitet. Das verletzt ihr Recht am eigenen Bild. „Grundsätzlich könnten sich hier Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz sowie auch nach dem Datenschutzgesetz ergeben“, erklärt die Rechtsanwältin, räumt aber ein: „Hier stellt sich die Frage nach der Durchsetzbarkeit. Die Betroffene muss sich überlegen, ob sie das Prozessrisiko und die Anwaltskosten wirklich in Kauf nehmen möchte.“

Die Anwältin rät in einem Fall wie Christines, nicht strafrechtlich, sondern zivilrechtlich vorzugehen. „Im Rahmen des ‚Hass im Netz‘-Gesetzespaket gibt es das neue Mandatsverfahren. Das bedeutet, dass die Betroffene einen Unterlassungsauftrag gegen den Mann erwirken kann. Dieser muss die WhatsApp-Nachricht dann löschen und darf auch künftig keine beleidigenden Nachrichten gegen die Betroffene richten.“ Die Klage und den Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags können Betroffene online ausfüllen. Er fordert im Gegenteil zu einem Strafverfahren nur geringe Gerichtsgebühren und Betroffene brauchen keinen Anwalt. Gewinnt man dieses Verfahren, muss der Täter diese Kosten zahlen. Christine hat also mehrere Möglichkeiten, sich rechtlich zu wehren. Wichtig ist in solchen Fällen so schnell wie möglich Schritte einzuleiten, damit man weitere Postings oder die Verbreitung des Postings eindämmen kann.

Die Täter:innen-Opfer-Umkehr

Nachdem die 24-Jährige den Fall auf Instagram teilt, wird sie auch von den anderen Männern in der WhatsApp-Gruppe kontaktiert. Sie wollen wissen, wer ihr die Screenshots geschickt hat. Auch zur Freundin des Täters nimmt Christine Kontakt auf. Diese antwortet ihr lediglich: „Wäre ich du, würde ich einmal dezent meine Fotos anpassen, weil mit solchen Fotos im Netz ist es kein Wunder, dass die in einer Burschengruppe landen.“

Eine Reaktion, die nicht unüblich ist, wie uns die Psychologin Elke Prochazka erklärt. „Wenn es zu Cybermobbing kommt, gibt es danach sehr oft eine Täter:innen-Opfer-Umkehr.“ Für sie ist es daher wichtig zu betonen: „Ich denke, es ist noch tief in unserer Gesellschaft verankert, dass wir als weiblich gelesenen Personen vorschreiben, wie sie sich zu zeigen haben. Dabei darf sich jede:r so zeigen, wie er oder sie das möchte und nichts rechtfertigt Cybermobbing oder sexualisierte Gewalt.“

Wichtig ist hier auch, dass Personen, die Cybermobbing mitbekommen, nicht einfach wegsehen. „Studien haben gezeigt, dass die Reaktionen auf beleidigende Posts ausschlaggebend sind. Wenn sich die ersten drei bis fünf Kommentare unter dem Post gegen das Mobbing stellen, dann nimmt es in der Regel kein so extremes Ausmaß an.“ Hier zeigt sich, dass jeder etwas tun kann, um das Internet zu einem angenehmeren Raum für alle zu machen. Denn die Verantwortung tragen wir alle.

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