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Gelebter Feminismus: Warum Spanien für mich als Frau gerade zu einem Traumland wird

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Von: Jana Stäbener

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Internationaler Frauentag - Spanien
Die spanische Regierung schreibt Feminismus groß – daran kann sich Deutschland ein Beispiel nehmen, findet unsere Autorin. (Archivbild) © Paco Freire/dpa

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Feminismus in Spanien: „Catcalling“ ist strafbar, Abtreibung ein Gesundheitsrecht und Menstruationsurlaub normal – hier möchte man als Frau leben, oder?

Fragt man mich, in welchen Ländern Europas ich mir ein Leben ganz gut vorstellen könnte, dann war Spanien schon immer unter den Top Drei: Sommer, Strand, Tapas und ein Lebensgefühl, das man mit Deutschland nicht wirklich vergleichen kann. Gut, ich gebe zu: Dass ich mich in Spanien noch einigermaßen verständigen könnte, war vielleicht auch ein Grund. Manchmal träumte ich also davon, in Valencia oder irgendwo in einem Vorort nahe Barcelona am Strand zu leben – so wie einige Influencerinnen, die Spanien seit einigen Jahren ihr Zuhause nennen.

Zurückblickend betrachtet, waren das alles keine guten Gründe für meine Träumereien über ein Leben in Spanien. Denn das europäische Land, das einst eher für seine deutschen Tourist:innen auf Mallorca, Stierkämpfe oder Unabhängigkeitsproteste bekannt war, mausert sich in den vergangenen Monaten zum Superheld in Sachen Frauenrechte. Das Kabinett um Präsident Pedro Sánchez ist seit Januar 2020 im Amt und bildete aus der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) und den Unidas Podemos die erste Koalitionsregierung, die Spanien je hatte.

Feminismus in Spanien: Ein wichtiges Thema für Pedro Sánchez

Für Sánchez scheint Feminismus ein wichtiges Thema zu sein (was ich ehrlich gesagt ziemlich heiß finde). Auf seinem Twitter-Account schreibt er zum Weltfrauentag 2022: „Der Feminismus macht uns besser, er schafft eine gerechtere Gesellschaft. Durch den Feminismus verwandeln wir Spanien in ein Land, in dem Frauen und Männer die gleichen Chancen und Rechte haben. An diesem Tag wollen wir die erreichten Erfolge feiern und uns für das einsetzen, was noch vor uns liegt. Für alle“. Dazu postet er ein lilafarbenes Herz. Hach. Wie schön.

Aber was planen Sánchez und seine offenbar feministische Regierung? Mitte Mai beschlossen sie: Frauen sollen in Zukunft nicht arbeiten müssen, wenn sie unter besonders starken Menstruationsschmerzen leiden – das Konzept heißt „Menstruationsurlaub“. Damit sei Spanien Vorreiter in Europa, schreibt die Tagesschau. Und obwohl es an der Idee auch Kritik gab (der Begriff sei unpassend, man laufe Gefahr, dass Arbeitgeber Frauen weniger gerne einstellen als Männer und so weiter), finde ich es großartig, dass die spanische Regierung zumindest auf Augenhöhe über „Frauen-Themen“ wie Menstruation sprechen kann.

Spricht eine Politikerin wie Annalena Baerbock (Grüne) im Deutschen Bundestag über feministische Außenpolitik, dann wird sie von Friedrich Merz (CDU) nur belächelt. Klar könnte man jetzt sagen: Merz, der ist ja auch in der Opposition. Stimmt. Aber auch ohne auf die Unionsfraktion zu schauen, wird klar: Bei der Ampel-Koalition kann es noch lange dauern, bis solche feministischen Gesetze wie ein Recht auf „Menstruationsurlaub“ durchgesetzt werden. Dabei schreibt sie in ihrem Koalitionsvertrag: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden.“ Dass sie noch nicht erreicht ist, erkennt man unter anderem daran, dass Care-Arbeit in Deutschland noch immer Frauensache ist.

Abtreibungen in Spanien bald kostenfrei und ab 16 Jahren möglich

Anrechnen kann man der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP immerhin, dass sie im März beschloss, den umstrittenen Paragraf 219a abzuschaffen. Er verbietet bislang die „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. Spanien aber geht noch einen Schritt weiter –irgendwie klar, sie haben ja auch ein ganzes Gleichstellungsministerium. Das brachte letztens einen Gesetzentwurf auf den Weg, der Abtreibung als öffentliches Gesundheitsrecht kostenlos im normalen Gesundheitssystem sicherstellt.

Auch eine elterliche Zustimmung für über 16-Jährige soll in Zukunft nicht mehr nötig sein, wenn sie sich entscheiden, dass sie in ihrem Körper kein Kind austragen möchten. Gleichstellungsministerin Irene Montero plant auch, dass die „Pille danach“ kostenfrei wird. In Deutschland braucht es Beratungsgespräche für die „Pille Danach“, genauso wie für Abtreibungen selbst – wir haben recherchiert, dass Frauen in diesen Gesprächen oft von Organisationen beeinflusst werden.

Feminismus in Spanien: Nur „Ja“ heißt „Ja“ – „Catcalling“ ist in Zukunft strafbar

Doch das ist nicht alles. Besonders in den vergangenen Monaten ist Spanien ein echtes Vorbild für andere europäische Länder geworden. Im März brachte Spanien ein Gesetz auf den Weg, das sexistische Werbung bei Spielzeug verbietet. Jetzt brachte die Regierung ein Vergewaltigungsgesetz auf den Weg, das ganz klar definiert, was eine Vergewaltigung ist: nämlich dann, wenn eine Person nicht „Ja“ sagt. Sie muss sich nicht gewehrt haben, um zu beweisen, dass sie keinen Geschlechtsverkehr wollte. Unglaublich wichtig, denn viele Menschen reagieren in Momenten solches Schocks nicht mit Gewalt – sondern einfach nur mit Resignation.

Du denkst, das war‘s? Pustekuchen. Auch „Catcalling“, also wenn Menschen (oft vor allem Frauen) sich von fremden Leuten auf der Straße Kommentare über ihren Körper oder ihre Sexualität anhören müssen, soll in Zukunft strafbar sein. Kein Hinterherpfeifen mehr, keine Männer, die einem beim Joggen zu hupen und auch keine anzüglichen ungewollten Kommentare zum eigenen Outfit – klingt fast zu schön, um wahr zu sein.

Spanien ist in Sachen Gleichberechtigung ein echter Vorreiter in Europa. Absolut ein Grund dafür, dass es auf die Spitze der Top Drei EU-Länder rutscht, in denen ich mir ein Leben vorstellen kann. Und das nicht nur, weil es dort leckere Tortilla gibt oder weil man dort wunderschöne Sommertage erleben kann, sondern eher, weil Spanien sich wirklich dafür einsetzt, dass Frauen keine sexistische Diskriminierung mehr erfahren müssen – da kann sich Deutschland ruhig eine Scheibe von abschneiden.

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