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„Es interessiert die Politik nicht“: In Österreich wurde schon wieder eine Frau umgebracht

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Von: Emily Erhold

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Das Haus, in dem eine 42-jährige Frau von ihrem Mann erschossen wurde.
In Oberösterreich wurde eine 42-jährige Frau am 8. Jänner von ihrem Mann erschossen. ©  Fotokerschi.at/APA-PictureDesk

Am 8. Jänner schoss ein Mann in Oberösterreich seiner Frau in den Hinterkopf. Der Frauenring fordert die Regierung auf, mehr gegen Gewalt an Frauen zu tun.

Gerade einmal 8 Tage waren vergangen ehe es zum ersten Femizid des Jahres kam. Am Samstag ermordete ein 46-Jähriger seine 42-jährige Ehefrau mit einer Faustfeuerwaffe. Er schoss ihr in den Hinterkopf und rief anschließend selbst die Polizei. Bei seiner Befragung gab er an, dass es zwischen ihm und seiner Frau immer wieder zu Streitigkeiten gekommen war. Die Frau hinterlässt fünf Kinder. Über den Täter wurde noch am 9. Jänner die Untersuchungshaft verhängt.

Gewalt gegen Frauen ist in Österreich schon länger ein großes Problem. 29 offiziell bestätigte Femizide, also Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts, gab es in Österreich im vergangenen Jahr (mehrere Medien berichten von 31). Die Regierung versprach 2021, mehr in den Gewaltschutz zu investieren - 24,6 Millionen Euro, um genau zu sein. Seit September gibt es zudem die verpflichtende Täterberatung für Männer, gegen die wegen häuslicher Gewalt ein Betretungsverbot ausgesprochen wurde.

Für Frauenorganisationen sind diese Maßnahmen zu wenig. Sie fordern 228 Millionen Euro. Ein Betrag, der nicht von irgendwo kommt, wie uns die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, erklärt. Frauenhäuser und leicht zugängliche Beratungsstellen sehen nichts von dem Geld der Politik. Sie fordert einen Krisenstab von der Politik.

Klaudia Frieben vom Österreichischen Frauenring im Interview

Das Jahr ist noch jung und trotzdem gibt es bereits den ersten Femizid. Was zeigt uns das?

Dass sich noch immer nichts geändert hat. Frauen werden nach wie vor umgebracht und Männer nehmen sich nach wie vor das Recht heraus, über das Leben von Frauen zu entscheiden. Außerdem zeigt uns der weitere Femizid, dass die Maßnahmen der Politik leere Versprechungen sind.

Die Regierung hat 2021 ein neues Gewaltschutzpaket vorgestellt, das von Ihnen in den Medien kritisiert wurde. Was hat die Politik falsch gemacht?

Es ist nicht ganz klar, für welche Maßnahmen das Geld ausgegeben wurde. Gewaltschutzzentren können das Geld abrufen, aber sehr viele niederschwellige Einrichtungen wie Frauenhäuser oder Beratungsstellen bekommen kein Geld. Die sind von diesem Gewaltschutzpaket ausgenommen. Gewaltschutzzentren selbst sind bereits sehr gut finanziert. Die Familienstellen, denen das Geld auch zugutekommt, machen keine Gewaltberatung. Das machen die Frauen- und Mädchenberatungsstellen und die bekommen kein Geld. Die Frauenhäuser ebenfalls.

Besonderer Fokus wurde auf die Täterberatung gelegt, die seit September verpflichtend ist. Wie stehen Sie dazu?

Die verpflichtende Täterberatung sind sechs Stunden. Ein Mann, der seine Frau vergewaltigt, misshandelt oder geschlagen hat, dem kann man in sechs Stunden nicht beibringen, wie er sein Verhalten ändert.

Was muss da noch getan werden, damit es in Österreich zu weniger Femiziden kommt?

Es geht ja nicht nur um Mord. Die generelle Gewalt gegen Frauen nimmt in Österreich zu. Was mich und auch die Frauenorganisationen am meisten ärgert: Es interessiert die Politik nicht. Durch den Mord am Wochenende haben fünf Kinder ihre Mutter verloren. Weiß die Regierung, was für ein Leid durch diese Taten in den Familien angerichtet wird? Es braucht einen Krisenstab, der sich ansieht, was wir in Österreich noch tun müssen. Das ist nicht einfach und kostet Geld. Aber das muss es dem Staat Österreich wert sein, um Frauenleben zu schützen.

Wie genau soll diese Krisenstab aussehen?

Wenn man nicht mit den Expert:innen spricht, die mit den von Gewalt betroffenen Frauen arbeiten, dann wird man auch nicht weit kommen. Sie sind es, die Frauen beraten und wissen, in welcher Gefahr sich Betroffene befinden. Diese Expert:innen müssen mit Politik und Polizei an einem Tisch sitzen können. Bis Ende 2017 hat es das sogenannte Marac-Projekt gegeben. Das waren Fallkonferenzen zu Hochrisiko-Gewaltfällen gegen Frauen. Der damalige Innenminister Herbert Kickl hat dieses Projekt eingestellt.

Das Marac-Projekt

Die Multi-Agency Risk Assessment Conference war ein Projekt der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Dabei wurden Hochrisiko-Gewaltfälle gegen Frauen von Polizei, Justiz und Interventionsstellen gemeinsam untersucht. 2017 stoppte das Innenministerium unter der Leitung des damaligen FPÖ-Innenminister Kickl die Konferenzen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass eine Evaluierung des Pilotprojekts ergeben habe, dass der erhoffte Nutzen nicht erzielt worden sei.

Diese regelmäßigen Vernetzungen mit den Expert:innen aller Organisationen konnten auch von den Gewaltschutzorganisationen und Frauenhäusern selbst einberufen werden. Das geht jetzt nicht mehr. Ein Krisenstab könnte genau darauf achten, wo Frauen in Gefahr sein könnten und wo es schon zuvor Anzeichen gibt. Es muss auch ein Zeichen nach Außen gesetzt werden, dass wir diese Männergewalt in Österreich nicht mehr tolerieren.

Was muss die Politik im Jahr 2022 tun, um Frauen besser vor Gewalt zu schützen?

Man muss erst einmal an der Umsetzung des Istanbul-Konvention weiterarbeiten. Immerhin hat sich Österreich zur Umsetzung dieses Vertrages verpflichtet. Die Umsetzung kostet aber Geld und das ist bis jetzt nicht aufgebracht worden.

Die Istanbul-Konvention

Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen von 13 Staaten, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Sie wurde 2011 in Istanbul unterzeichnet. Der Vertrag enthält Verpflichtungen zur Prävention von Gewalt, zum Schutz der Opfer und zur Strafverfolgung der Täter:innen. In Österreich trat die Konvention 2014 in Kraft.

Die Allianz GewaltFREI Leben hat zudem konkrete Handlungsrichtlinien definiert, was in Österreich im Bereich Gewaltschutz längerfristig noch getan werden muss. Was wir brauchen ist Geld. Das sind diese 228 Millionen Euro, die gefordert werden. Die sind ja fundiert errechnet worden von den Organisationen. Denn wir brauchen eine ganz massive Aufstockung der Arbeitsplätze in den Einrichtungen. Wenn auf ein:e Berater:in 300 von Gewalt betroffene Frauen in Wien kommen: Wie sollen diese Berater:innen denn diese Frauen nachhaltig betreuen? Sie können diese Frauen gerade einmal fünf Stunden betreuen. Wir brauchen das Geld, wir brauchen die Arbeitsplätze, wir brauchen auch eine gescheite Basisförderung für die ganzen Organisationen, damit sie nicht jedes Jahr in Projektförderungen um Geld betteln müssen. Wir brauchen auch eine Sicherheitspolitik, die ein Zeichen nach Außen setzt und Gewalt gegen Frauen nicht toleriert. Man müsste auch schon in der Bildungspolitik ansetzen, um Kinder früh genug aufzuklären. Das ist alles nicht so schnell getan. Für 2022 wünsche ich mir jedenfalls, dass die Politik einmal Stellung zu diesem Problem nimmt. Aber das tut sie nicht. 

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