Wut und 15 andere Dinge, die Frauen immer noch nicht offen zeigen dürfen

Frauen dürfen nicht zeigen, wer sie sind. Auch nicht im Jahr 2023.
Wir können nur hoffen, dass die Zukunft eine neue Realität für uns bereithält. Bis dahin kämpfen wir weiter gegen die patriarchalen Gesellschaftszustände, in denen Frauen vieles nicht offen ausleben dürfen.
1. Nippel
Mittlerweile dürfte jede:r mitbekommen haben, dass Männer oberkörperfrei sein können. Frauen ist dieses Privileg nicht vergönnt - weder auf sozialen Medien, noch in der Öffentlichkeit. 2019 wurde Sea-Watch Kapitänin Carola Rackete kritisiert, weil sie ohne BH im Gericht erschienen ist. Das italienische Medium „Libero“, das sich politisch rechts positioniert, schrieb daraufhin in einem Artikel: „Eine Schamlosigkeit ohne Grenzen“. Viel mit Gerechtigkeit hat das wohl nicht zu tun.
2. Tampons, Menstruationstassen, ...
Dass viele Frauen ihre Periode haben, ist bestimmt kein Geheimnis. Zumindest nicht für alle, die im Biologie-Unterricht aufgepasst haben. Trotzdem bleibt die Menstruation verteufelt. Die Realität vieler Frauen ist es, Tampons mit auf die Toilette zu schmuggeln. Mal ganz abgesehen davon, dass Menstruations-Utensilien ein Grundrecht sein sollten und wir in Österreich immer noch dafür zahlen. Wir sollten dringend damit aufhören, Frauen für ihre Periode zu verurteilen!
3. Eifersucht
Das Gefühl von Eifersucht hat jede:r schon erlebt. Während Männer teilweise dafür verstanden oder sogar gefeiert werden, sieht es bei ihren weiblichen Genossinnen anders aus: Frauen, die eifersüchtig sind, sind mühsam und anstrengend.
4. Körper
Mehrgewichtige Körper werden fetischiert, kommentiert oder abgewertet. Frauen auf ihr Äußeres zu reduzieren, ist nicht nur gefährlich, sondern auch schlichtweg falsch. Jeder Körper ist anders. Oft stecken Erkrankungen hinter dem Gewicht einer Frau: Essstörungen, hormonelle Verstimmungen oder Endometriose sind nur wenige Beispiele. Es bedarf mehr Verständnis.
Normschöne Körper haben es gesellschaftlich einfacher - kommentiert werden sie trotzdem. Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) wurde 2019 von „Kurier“-Chefredakteurin Martina Salomon auf ihre Figur reduziert. Rendi-Wagners Glaubwürdigkeit wurde infrage gestellt, immerhin habe sie behauptet ein Cordon bleu gegessen zuhaben. Für Salomon unvorstellbar. „Jetzt hat sie sogar gesagt, sie hat ein Cordon bleu gegessen, letzten Freitag. Ich glaube ihr kein Wort. So wie sie aussieht, wird sie sich eher nur von ein paar Salatblättern ernähren“, so die Chefredakteurin gegenüber Armin Wolf. Dazu hatte der Journalist nicht viel zu sagen.
5. Das Alter
Eine Frau darf eh schon wenig - aber wenn sie altert, dann ist es vorbei. Ein User ist sogar der Meinung, Frauen sind bereits ab dem Alter von 30 Jahren alt. Und außerdem sind sie wie Milch. Immerhin „sind sie dann ungenießbar“.
6. Ihre Meinung
Frauen haben eine Meinung - zur Überraschung vieler Männer. Leider bleibt ihnen die Möglichkeit, ihre Meinungen offen kundzutun, oftmals verwehrt. Schließlich gibt es immer mindestens einen Mann in unmittelbarer Nähe, der einen nicht ausreden lässt. Gelingt es dann doch, muss die Meinung sicher sitzen: Untermauert von unterschiedlichen Quellen, langer Überlegung und dem Zuspruch anderer. Erst dann darf eine Frau offen zeigen, eine starke Meinung zu haben, die anderen widerspricht.
7. Stärke
Eine Frau muss attraktiv sein - im besten Fall für das männliche Geschlecht. Und was ist anziehender als eine Frau, die in den Augen des Mannes schwächer ist? Ist eine Frau nämlich stark und unabhängig, wird sie als Gefahr eingestuft. Und weil man(n) das ungern zugibt, werden starke Frauen entwertet - so lange, bis sie das Gefühl haben, es nicht zeigen zu können.
8. Erfolg
Ähnlich wie bei starken Frauen, wird Frauen auch kein Erfolg vergönnt. Ein bisschen schon, aber nur so lange bis sie erfolgreicher sind als die Männer in ihrem Umfeld - das geht nämlich überhaupt nicht. Danke, Partriarchat.
9. Sexleben
Männer, die viel Sex haben, sind super. Und Frauen, die viel Sex haben? Eher weniger. Zumindest predigt uns die Gesellschaft bereitwillig, dass eine Frau unberührt sein muss - damit sie ihren Wert nicht verliert. Hat eine Frau aber keinerlei Erfahrung, dann ist sie prüde. Da stellt sich die Frage: Was genau sollen denn Frauen dann tun, liebe Gesellschaft?
10. Wut
Gefühle zu unterdrücken, ist enorm ungesund und macht krank. Was passiert, wenn es Menschen verwehrt bleibt, gewisse Emotionen überhaupt spüren zu dürfen? Auch das macht krank - und zwar sehr. Frauen dürfen vor allem ein Gefühl nicht empfinden, und zwar Wut. Das kann den Grund haben, dass Frauen ganz schön mächtig wären, wenn sie Wut zulassen dürften. Und natürlich stellt das eine Gefahr für das Patriarchat dar. Schauspielerin und Autorin Stefanie Reinsperger schreibt in ihrem Buch „Ganz schön Wütend“ unter anderem darüber, warum aber genau das wichtig ist.
11. Behaarung
Eine beehrte Frau: die personalisierte Emanzipation. Zumindest sehen viele Frauen ihre Behaarung als Widerstand. Eine Frau soll nämlich genauso viel Recht auf Haare an jeder Stelle haben, wie ein Mann. Und es macht ein weibliches Wesen nicht weniger feminin, wenn sich Haare auf ihren Beinen sammeln. Haare sind Haare, keine Werteskala.
12. Fehler
Frauen müssen unberührt sein, aber dürfen nicht prüde sein. Sie sollen schlank sein, aber essen, was sie wollen. Sie dürfen Erfolg haben, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Sie sollen selbstständig sein, aber bitte nicht zu stark. Sie sollen verständnisvoll sein, aber nicht zu viele Emotionen haben - und ja nicht anstrengend. Was Frauen aber auf keinen Fall passieren darf, sind Fehler jeglicher Art. Sonst wird ihre gesamte Persönlichkeit, ihr Werdegang und ihre Glaubwürdigkeit sofort infrage gestellt.
13. Feminismus
Hilfe! Eine Frau, die sich für ihre Rechte und die anderer Frauen einsetzt. Das ist für viele (Männer) sehr anstrengend und das bedeutet im weiteren Sinn: Frauen dürfen eh gern über Frauenrechte nachdenken, aber bitte nicht darüber sprechen.
14. Geweberisse
Geweberisse passen nicht in das Schönheitsideal einer dünnen, jungen Frau. Durch Schwangerschaften, Sport oder spezieller Haut, die vererbt wurde, lässt sich das jedoch selten vermeiden. Leider haben viele Frauen immer noch verinnerlicht, sie und sich zu verstecken.
15. Schwangerschaftsdepression
Die Folge einer Anpassungsstörung während der Schwangerschaft kann in einer Schwangerschaftsdepression münden. Frauen leiden hier verstärkt unter Lustlosigkeit, Sinnlosigkeit oder Schuldgefühlen. Eine psychische Krankheit ist genauso ernstzunehmen wie eine körperliche Verletzung. Und eine Schwangerschaftsdepression ist bestimmt nicht etwas, wofür betroffene Frauen Schuld verspüren sollen. In der Realität unserer Gesellschaft sieht das leider anders aus - deshalb zeigen es viele nicht und holen sich nicht die Hilfe, die ihnen zusteht.
16. Missbrauch
Der Fall von Harvey Weinstein durch die „New York Times“ war ein Meilenstein in der Debatte um männliche Gewalt. Durch das Aufdecken des Schleiers von Machtmissbrauch, der weitere Arten von Gewalt gedeckt hat, wurde der Filmproduzent gestürzt. Heute sitzt er im Gefängnis - es war ein wichtiger Stein, der ins Rollen gebracht wurde.
Frauen haben erstmals begonnen über ihre Erfahrungen mit (männlicher) Gewalt zu sprechen. Es war sehr schnell zu erkennen, dass es wohl kaum eine Frau gibt, die keine Art von Belästigung oder Gewalt erlebt hat. Und trotzdem bleibt es auch heute noch schwierig, sich öffentlich als weibliche Betroffene von Gewalt zu zeigen. Opfer werden online denunziert und ihre traumatisierende Realität als Schrei nach Aufmerksamkeit abgestuft. Es ist Frauen auch im Jahr 2023 noch nicht möglich, über ihren Missbrauch zu sprechen, ohne dafür infrage gestellt, entwertet oder beleidigt zu werden.
Frauen leiden teilweise unter den Dingen, die sich nicht öffentlich zeigen dürfen. Einige leiden aber auch unter den Folgen von Belästigung - anders als Männer, die an der anderen Seite der #metoo Debatte stehen.