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5 Gründe, warum österreichische Start-ups noch immer von Männern dominiert werden

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Von: Sophie Marie Unger

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Ein Start-up, das rein von Männern betrieben und geleitet wird.
Frauen sind in der Start-up-Szene stark unterrepräsentiert. © Unsplash

Start-ups sprießen gefühlt wie Schwammerl aus dem Boden. Doch Female Founders sind in Österreich noch immer Mangelware. Warum ist das so?

Nur 18 Prozent der Start-ups werden in Österreich von Frauen gegründet. 35 Prozent der Start-ups haben zumindest eine Frau im Gründungsteam. Laut einer Studie von Austrian Startup Monitor 2020 stehen zahlentechnisch gesehen somit 1300 Start-up-Gründerinnen 5700 Gründern gegenüber. Damit schneidet das eigentlich als jung und innovativ geltende Feld nicht so viel besser ab als die sogenannte „Old Economy“.  Dort werden laut einer Studie der AK Wien überhaupt nur 8,4 Prozent der umsatzstärksten Unternehmen des Landes von Geschäftsführerinnen geleitet. Doch warum geht es in der Start-up-Szene geschlechtermäßig gesehen nicht eklatant besser zu? Das sind fünf mögliche Gründe.

1. Zu wenige Frauen mit technischer Ausbildung

Ein Projektbericht des Österreichischen Instituts für Höhere Studien zeigt, dass in den Ausbildungsfeldern Informatik und Ingenieurswesen der weibliche Anteil nur bei 17 Prozent liegt. Außerdem nehmen Bachelorabsolventinnen der Mathematik, Statistik und Informatik deutlich seltener ein Masterstudium auf als ihre männlichen Kollegen. Natürlich können Start-ups auch nicht technologische Produkte vermarkten, trotzdem muss die Infrastruktur bereitgestellt werden, wodurch bei einer Unternehmensgründung jene Kenntnisse verfügbar sein müssen.

Geschlechterstereotype und festgefahrene Rollenbilder führen nach wie vor dazu, dass Mädchen bereits im Kleinkindalter diskriminiert werden (ein Mädchen, das lieber mit Baggern und Bausteinen spielt, wird schnell als ungewöhnlich angesehen) - dadurch entsteht sicher kein neutrales Umfeld für die Berufswahl. Genau jene Situation bekritteln auch die Gründerinnen des ersten feministischen Radshops in Wien, worüber BuzzFeed Austria bereits berichtet hat.

2. Druck der Familiengründung

Ich musste meiner Mutter mindestens 10 Mal sagen, dass ich jetzt mal ein eigenes Unternehmen gründen möchte, bevor ich dann eventuell mal Kinder bekomme.

Alina, Gründerin einer PR-Agentur

Steht man dann vor der Wahl eines Berufs (eventuell hat man sich sogar für einen technischen entschieden), kommen nächste Hürden auf, die eine Start-up-Gründung nicht unbedingt attraktiver machen. Laut WU-Universitätsprofessor Nikolaus Franke ist bereits die Biologie einer der großen Hemmschuhe für Gründerinnen. Nachdem die Möglichkeiten für eine potenzielle Mutterschaft zeitlich begrenzt sind, beeinflussen der Druck, eine Familie zu gründen und gesellschaftliche Erwartungen die Prioritätensetzung vieler Frauen. Das bestätigt auch Alina, die derzeit im Aufbau ihres ersten Unternehmens im PR-Bereich steckt. „Ich musste meiner Mutter mindestens 10 Mal sagen, dass ich jetzt mal ein eigenes Unternehmen gründen möchte, bevor ich dann eventuell mal Kinder bekomme“.

3. Fehlende Karenzregelungen

Möchte man Familie und Unternehmung verbinden, wird es für Frauen nicht unbedingt einfacher. Gründerinnen sind selbstständig, was bedeutet, dass Mutterschutz und Freistellungen - wie sie bei einem Angestelltenverhältnis vorhanden sind - wegfallen. Genaugenommen gibt es für Selbstständige überhaupt keine Karenzregelung. Und obwohl man Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat, muss davon dennoch der Sozialversicherungsbeitrag von rund 180 Euro in den vier Monaten rund um die Entbindung bezahlt werden. Unter dem Strich bleiben der selbstständigen Frau in dieser Zeit etwa 26 Euro pro Tag. Viele Frauen, die eigentlich interessiert sind, hält dieser Umstand von einer Selbstständigkeit ab. „Falls ich dann irgendwann Kinder haben sollte, ist das schon ein Punkt, der mir Sorgen bereitet, aber so weit will ich noch gar nicht denken“, sagt Alina.

Anlaufstellen für Female Founders

Initiative Female Founders: Der Verein hat mittlerweile rund 100 Mitglieder und veranstaltet regelmäßig Netzwerk-Events, auf denen Frauen von anderen Frauen lernen können. 

Investorinnen.com: Seit 2013 gibt es mit Investorinnen.com ein von Sophie Martinetz initiiertes und Irene Fialka und Selma Prodanovic unterstütztes Netzwerk speziell für die weibliche Business-Angel-Szene, die jährlich eine Konferenz mit Award-Verleihung ausrichtet.

Gründerservice der Wirtschaftskammer: Dieses wird mit Elisabeth Zehetner-Piewald und Henrietta Egerth von Frauen geführt, die genau wissen, was Frauen bei einer Unternehmungsgründung so brauchen.

Bundesländer-Angebote: Auch in den Bundesländern gibt es zahlreiche Anlaufstellen. Die Innsbrucker Initiative „FRAUEN. START. UP!“ möchte Dialoge zwischen Frauen schaffen und auch im Burgenland versucht man, Frauen mit individuellen Einzelberatungen bei Gründungen zu unterstützen.

4. Das Gründungsumfeld

Nicht unterschätzt werden darf, dass die Start-up-Community ein in sich stark geschlossenes System ist. Das kann bei der Suche nach Investor:innen einschüchternd sein und dürfte von Frauen auch als Barriere wahrgenommen werden. Marie Hélène Ametsreiter, Partnerin beim erfolgreichen Venture Capital Fonds Speedinvest, beschrieb die Situation wie folgt: „Investitionen zu tätigen ist ein Vertrauensgeschäft – und so investiert man leichter in Teams, die man bereits kennt, deren Entscheidungsmuster und Hintergründe vertraut sind. Ehemalige erfolgreiche Gründer sind die Investoren von heute – also ein sich selbst verstärkendes Netzwerk.“ Dass Männerdominanz für Frauen im Geschäftsumfeld tatsächlich ein Nachteil sein kann, bestätigt auch ein wissenschaftliches Projekt am Nikolaus Frankes Institut. Frauen könnten hier frischen Wind hineinbringen, wovon die ganze Branche und vor allem Gründerinnen profitieren würden.

5. Starke Selbstbeschränkung 

Frauen scheinen stärker als Männer zu Selbstbeschränkung zu neigen. Ihre Sozialisierung und die jahrzehntelangen patriarchalen Strukturen - die noch immer nicht beseitigt sind - sorgen für ein geringeres Selbstbewusstsein , was „Confidence Gap“ genannt wird. Das muss nicht sein: Die Studie von McKinsey „Woman Matter” zeigt etwa, dass Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil in Managementpositionen circa 50 Prozent höhere Gewinne erwirtschaften als der Branchendurchschnitt. Das befürworten auch Kapitalgeber wie Banken. „Die Unternehmen von Frauen sind stabiler, leben länger und sind rentabler“, hält Thomas Schaufler, Privatkundenvorstand der Erste Bank, fest. In der Studie hieß es aber auch, dass potenzielle Geldgeber Männer und Frauen unterschiedlich bewerten und seltener Geld in Start-ups von Frauen investieren. Während junge, enthusiastische Männer positiv bewertet werden, werden Frauen mit den selben Eigenschaften eher als unerfahren eingeschätzt.

Diese Vorurteile müssen unbedingt beseitigt werden, damit der Gender-Gap auch im Unternehmertum endlich geschlossen werden kann. Marie Hélène Ametsreiter plädiert darüber hinaus für ein breites Verständnis von Diversität. „Wirkliche Bereicherung kommt nicht nur durch eine ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen, sondern auch durch kulturelle, soziale, nationale und intellektuelle Vielfalt zustande.“

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