1. BuzzFeed.at
  2. News
  3. Gender

Diese 7 Beispiele zeigen, dass wir in einer Männer-Welt leben

Erstellt:

Von: Emily Erhold

Kommentare

Frauen vor einer öffentlichen Frauentoilette
Die lange Schlange vor der Frauentoilette hat einen Grund. © Geisser/Imago

Wir leben in einer Männer-Welt: Diesen Satz hört keiner wirklich gerne - egal ob Feminist:in oder nicht. Aber leider trifft er immer noch zu. Zumindest in vielen wichtigen Aspekten unseres Lebens.

Die lange Schlange vor dem Frauenklo, das Klischee von Frauen am Steuer, frierende Kolleginnen: Das alles hat einen Grund. Und nein: Das „typische“ Verhalten von Frauen hat damit nichts zu tun. In der Forschung oder bei Datenerhebungen für Medizin, Gesellschaft und Wirtschaft wird das weibliche Geschlecht nämlich gerne einmal vergessen. Diese Lücke nennt man auch den Gender Data Gap. Der standardisierte Mensch war eben lange Zeit der Mann. Und das hat noch heute Auswirkungen auf unseren Alltag. Hier ein paar Beispiele:

1. Die Schlange vor dem Frauenklo

Wer von uns hat es noch nicht getan? Wenn das Frauenklo im Club oder bei einem Konzert wieder mit wartenden Besucherinnen vollgestopft ist und wir uns schon ausrechnen können, dass das jetzt länger als zehn Minuten dauern wird, ist das leere Männerklo eine wesentlich bessere Alternative als eine platzende Blase. Den meisten Männern ist das egal, immerhin können wir ihnen ohnehin nicht das Pissoir stehlen. Hin und wieder regt sich doch jemand mit Worten wie „wenn ich das beim Frauenklo machen würde, gäb‘s Probleme“ auf.

Dass die Schlange vor der Damentoilette in der Regel länger ist, hat damit zu tun, dass Frauen einfach länger brauchen. Für dieses Phänomen gibt es bereits seit langer Zeit halbherzige Erklärungsversuche. Der Mythos von Frauen, die auf der Toilette mit ihren Freundinnen plaudern oder stundenlang vor dem Spiegel stehen und ihr Make-up richten, wird gerne bei jeder unreflektierten Pub-Runde rezitiert.

Dass weiblich gelesene Personen länger brauchen, wenn sie mal Klein müssen, liegt aber einfach an der Biologie. Wir können uns nicht einfach mal hinstellen und laufen lassen. Außerdem kommt hinzu, dass menstruierende Personen, die Tampons, Binden oder Menstruationstasse wechseln müssen, ebenfalls zusätzliche Zeit in der Kabine benötigen. Das alles wird bei der Raumplanung aber üblicherweise nicht beachtet. Frauen- und Männerklos haben meist die gleiche Fläche. Weil aber Pissoirs weniger Platz brauchen, gibt es mehr Männer- als Frauenklos. Und das, obwohl Frauen kleinere Blasen und kürzere Harnwege haben, also öfters auf die Toilette müssen. Da hat man einfach zu kurz gedacht.

via GIPHY

2. Autofahren ist für Frauen viel gefährlicher

Das Klischee von „Frauen, die nicht Autofahren können“ ist so alt wie der älteste Boomer. Dabei ist das ganze eine ernstzunehmende Sache. Laut einer vergleichenden Analyse aus dem Jahr 2011 ist es für Frauen um 47 Prozent wahrscheinlicher, bei einem Autounfall eine schwere Verletzung davonzutragen. In der Analyse wurden die Frauen übrigens mit einem gleich großen, gleich alten und gleich schweren Mann verglichen. Wie kommt es also dazu, dass Frauen sich im Straßenverkehr einem höheren Risiko aussetzen?

Ganz einfach: Die meisten Autos sind auch heute noch auf den männlichen Körper standardisiert. Crash-Tests werden überwiegend mit männlichen Dummys durchgeführt. Zwar gibt es auch weibliche Dummys, doch Zulassungsverfahren in der EU sehen immer noch nicht vor, Crash-Tests mit beiden Dummys durchzuführen. Und das, obwohl es große Unterschiede zwischen einem weiblichen und einem männlichen Körper gibt. So liegt etwa der Körperschwerpunkt bei Männern im oberen Drittel des Rückens. Bei Frauen liegt er eher im unteren Rücken oder im oberen Teil des Hinterns. Dass die Körper bei einem Aufprall also ganz anders reagieren, liegt auf der Hand.

via GIPHY

3. Eiszeit in der Arbeit

Dass es zwischen weiblichen und männlichen Körpern Unterschiede gibt, merkt man auch am Kälteempfinden. Männer haben durchschnittlich um etwa 25 Prozent mehr Muskelmasse als Frauen. Muskelzellen setzen wiederum Energie frei, beispielsweise zum Anspannen der Muskulatur, aber auch in Form von Wärme. Muskeln produzieren also Wärme. Die Rechnung geht also folgendermaßen: Mehr Muskeln mehr Wärme. Hinzu kommt, dass die Haut von Frauen durchschnittlich um 15 Prozent dünner ist als die von Männern. Dadurch verlieren sie schneller Körperwärme. Frauen frieren in der Regel also einfach schneller als Männer.

Diese Tatsache wird aber bei Klimaanlagen in Büros oder an anderen öffentlichen Orten gerne mal ignoriert. Denn sie sind meist auf den Durchschnitts-Mann eingestellt. Die kalten Büros können sich übrigens auch auf die Leistung der Mitarbeiterinnen auswirken. Ein Experiment, das 2019 im Fachmagazin „Plos One“ veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass Frauen bei niedrigeren Temperaturen deutlich schlechtere Leistungen erbrachten. So schnitten sie bei Mathe- und Sprachaufgaben in wärmeren Räumen am besten ab.

via GIPHY

4. Ärztliche Diagnosen

Mittlerweile ist bekannt, dass sie typischen Symptome für einen Herzinfarkt - nämlich Schmerzen in der Brust und im linken Arm - eigentlich nur typisch für Männer sind. Bei Frauen kommt es häufiger zu Übelkeit, Erschöpfung und Atemnot. Die Symptome, die Frauen bei einem Herzinfarkt haben, sind aber generell noch zu wenig erforscht. Das medizinische Personal ist zudem auch weniger für die Symptome bei Frauen sensibilisiert. Durch diese Datenlücke kommt es oft dazu, dass Herzinfarkte bei Frauen gar nicht erst erkannt werden. Eine britische Studie etwa zeigt auf, dass Frauen zu 50 Prozent häufiger eine Fehldiagnose erhalten als Männer. Menschen, die zu Beginn falsch diagnostiziert werden, haben ein um 70 Prozent höheres Sterberisiko. Die Lücke kostet hier also vielen Frauen das Leben.

Aber nicht nur bei der Herzinfarkt-Diagnose spielen die Geschlechter eine Rolle. Denn schon bei der Entwicklung von modernen Diagnoseverfahren wird der weibliche Körper oft hinten angestellt. „Frauen werden in diesem System chronisch falsch verstanden, falsch behandelt und falsch diagnositziert“, schreibt etwa Caroline Criado-Perez in ihrem Buch „Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert“.

via GIPHY

5. Schmerzen

Bei der Schmerz-Therapie ziehen Frauen auch meist den Kürzeren. Laut einer klinischen Studie aus dem Jahr 2008 müssen Frauen bei gleicher Schmerzrate in der Notaufnahme wesentlich länger auf eine Behandlung warten als Männer. Frauen werden zudem weniger häufig Schmerzmittel verschrieben. Der Grund kann mit Geschlechter-Klischees zusammenhängen. Frauen gelten als schmerzempfindlicher, ihre Schmerzen werden daher oft weniger ernst genommen. Auf der anderen Seite erhalten Männer viel seltener Rezepte für Antidepressiva, Schlaftabletten und Beruhigungsmittel, wie ein Bericht der Krankenkasse Barmer GEK zeigt.

via GIPHY

6. Medikamente

Alle Menschen sind gleich und sollten auch so behandelt werden. In der Medizin trifft Letzteres aber nicht ganz zu, zumindest nicht wortwörtlich. Das zeigt sich auch bei Medikamenten. Sie müssen zwar an beiden Geschlechtern getestet werden, um für Männer und Frauen auch zugelassen zu werden. Dennoch werden Frauen häufig in der ersten Phase von Medikamentenstudien ausgelassen. Die Gründe sind hier vor allem mögliche Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit. Auch nach der Zulassung der Medikamente werden die Geschlechterunterschiede im Gesundheitswesen, insbesondere bei der Dosierung von Arzneimitteln, zu wenig beachtet.

via GIPHY

7. Klaviere

Ja auch in der Musik spielen Geschlechterunterschiede eine Rolle. Die Welt von professionellen Pianist:innen ist ebenfalls männlich. Denn Klaviere sind für Männerhände gemacht. Die durchschnittliche Handspannweite von Frauen beträgt 17,5 bis 20,5 Zentimeter. Die Oktaven beim Klavier sind normalerweise 18,8 Zentimeter auseinander. Wer größere Hände hat, hat hier einen deutlichen Vorteil, und das sind im Regelfall die männlichen Kollegen. Für Pianistinnen ist das nicht nur eine berufliche Hürde. Studien aus den 90er-Jahren haben gezeigt, dass überdurchschnittliche viele professionelle Pianistinnen an berufsbedingten Verletzungen leiden. „Piano Man“ heißt also nicht ohne Grund „Piano Man“.

Bücher zu diesem Thema

Caroline Criado-Perez: „Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert“

Rebekka Endler: „Das Patriarchat der Dinge“

Auch interessant

Kommentare