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Nationalspielerin Lisa Makas: „Was man verdient, steht in keiner Relation zu dem, was man körperlich opfert“

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Von: Johannes Pressler

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Lisa Makas von FK Austria Wien.
„Es braucht eine Verjüngung“, sagt Austria-Spielerin Lisa Makas gegenüber BuzzFeed Austria. © Johannes Pressler/BuzzFeed Austria

Lisa Makas (FK Austria Wien) spricht im Interview mit BuzzFeed Austria über den Gender Pay Gap im Fußball und Verhandlungen mit dem Österreichischen Fußball-Bund.

„Es ist historisch, und ich denke, es wird viele andere Dinge im Sport auslösen, nicht nur in den USA, sondern weltweit.“ Das sagte die US-amerikanische Nationalspielerin Margaret Purce nach dem erfolgreichen Deal mit dem Verband US Soccer für eine gleiche Bezahlung der Frauen- und Männer-Nationalteams. Die USA sind zudem auch das erste Land überhaupt, wo die Höhe der WM-Boni nicht vom Geschlecht der Fußballprofis abhängen. Ein großer Schritt für den Frauenfußball im Kampf gegen den Gender Pay Gap.

Doch wie sieht das Ganze eigentlich in Österreich aus? Das weiß die 65-fache Nationalspielerin Lisa Makas. Nach fünf Jahren in Deutschland spielt die 30-Jährige seit Jänner bei FK Austria Wien. Trotz des starken dritten Platzes in der Frauen-Bundesliga ist sie beim Wiener Traditionsverein die einzige Spielerin mit einem Vollprofivertrag. Im Interview mit BuzzFeed Austria spricht Lisa Makas ausführlich über die Lage des österreichischen Frauenfußballs, was von der sensationellen Europameisterschaft 2017 geblieben ist und fordert ein Ende des Scheuklappendenkens der heimischen Fußballszene.

Frau Makas, in den USA erhalten die Frauen und Männer der Nationalteams künftig die gleiche Bezahlung. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie davon gehört haben?

So wie der Stand des Frauenfußballs in Amerika ist, passt das ganz gut. Dort war der Frauenfußball schon immer sehr hoch angesehen. Von dem her ist es nur fair, dass die Frauen jetzt die gleiche Bezahlung bekommen wie die Männer. Sie füllen die Stadien nämlich genauso. Da reden wir einfach von gleichen Umständen, deswegen muss es eine faire Bezahlung geben. Dass es jetzt tatsächlich so ist, finde ich sehr, sehr cool.

Martina Ernst, Gründerin einer Gehaltsberatungsfirma, schrieb letztes Jahr in einem Gastkommentar in der Tageszeitung „Der Standard“, dass der Gender Pay Gap nirgends deutlicher sichtbar wäre als im Fußball. Wie steht es um die Bezahlung der Fußballerinnen in Österreich wirklich?

Wir reden in Österreich von keinen Profispielerinnen. Obwohl die Trainingseinheiten und Matches plus die Zeit, die jede Spielerin aufwendet - das ist alles auf Profiniveau. Der Aufwand ist genau derselbe, die Bezahlung teilweise aber nicht vorhanden - bis auf bei SKN St. Pölten und ich jetzt bei Austria Wien. Hier bin ich als Profispielerin angestellt. Da ist die Austria einen sehr großen Schritt in die richtige Richtung gegangen.

Generali-Arena von Austria Wien.
Seit Jänner 2022 der neue Arbeitsplatz von Lisa Makas: Die Generali-Arena der Wiener Austria. © Johannes Pressler/BuzzFeed Austria

Viele Fußballerinnen in der besten Liga Österreichs brauchen also tatsächlich noch einen Nebenjob?

Es ist nicht einmal ein Nebenjob. Manche gehen 40 Stunden arbeiten oder absolvieren aufwendige Studiengänge - und spielen daneben trotzdem Fußball. Da bleibt null Zeit für Privatleben. Im Frauenfußball ist extrem viel Leidenschaft da, ansonsten würde man das so nicht machen. Wenn die Spielerinnen aber nicht Vollzeit arbeiten gehen würden oder etwa Elternhäuser daheim hätten, die sie unterstützen, wäre es in Österreich rein vom Fußball her sicher nicht möglich zu überleben.

2015 wechselten Sie nach Deutschland, fünf Jahre verbrachten Sie dort. Die Bezahlung soll beim „großen Nachbarn“ um einiges besser sein. Woran liegt das? 

Durch internationale Erfolge, die das Nationalteam schon frühzeitig gehabt hat, ist in Deutschland ein ganz anderer Weg geebnet worden. Große, vom Namen her bekannte Vereine sind auf diesen Zug aufgesprungen und haben voll investiert. Das ist anfangs wichtig, um dann einen Ertrag zu bekommen. Das sieht man jetzt bei Topklubs wie FC Bayern München. Die haben investiert, obwohl sie nicht gleich Meister wurden. Jetzt sind sie auf einem Level mit dem erfolgreichen VfL Wolfsburg. Hier geht es also schon um Millionen an Euro, die in den Frauenfußball hineinfließen. Da ist ein ganz anderer Zugang, es gibt mehr finanzielle Unterstützung. Der DFB ist natürlich auch ein viel größerer Verband als der ÖFB. Bei der Europameisterschaft 2017 mit dem Nationalteam haben wir in Österreich aber Türen geöffnet. Es werden jetzt viel mehr Spiele im ORF übertragen. Mit der größeren Präsenz in den Medien stoßen auch mehr Leute dazu, die vielleicht früher keinen Zugang gehabt haben. Zuvor waren es hauptsächlich Familie und Freunde - jetzt kommen kleine Mädchen auf einen zu und sagen, dass sie so wie ich werden möchten. Das ist natürlich sehr schön. Das Ganze gehört aber weiterhin noch viel mehr gefördert, um die Leute so richtig mitreißen zu können.

Sie haben die EURO 2017 in den Niederlanden bereits angesprochen. Der Einzug ins Halbfinale ist einer der größten Erfolge in der Geschichte des österreichischen Fußballs. Sie steuerten einen Treffer zur Sensation bei. Das Team wurde in Österreich sogar zur „Mannschaft des Jahres“ gewählt. Außer der medialen Präsenz, was hat sich seitdem in Sachen Gleichberechtigung verändert?

Ich bin jetzt über 15 Jahre Nationalteamspielerin. Da muss man schon sagen: Für das, was wir damals verdient haben und was wir jetzt bekommen, da gibt es natürlich einen großen Unterschied. Trotzdem ist es mit dem Männersport noch nicht wirklich vergleichbar. Nun liegt es an uns älteren Spielerinnen im Nationalteam, jenen, die nachkommen, den Weg so gut es geht zu ebnen. Es sollte eine gute Verhandlungsbasis vorhanden sein, damit immer wieder Schritte nach vorne gegangen werden können - auch in der Bezahlung. Ich glaube schon, dass wir hier gute Arbeit leisten, scheuen keine Konfrontation und sagen auch mal: So geht es nicht.

Gab es mit dem ÖFB seit 2017 solche Verhandlungen bezüglich besserer Bezahlung?

Ja, die haben wir immer wieder. Der ÖFB ist immer offen dafür, sich mit uns zusammenzusetzen. Da muss man auch Danke sagen. Seit 2017 sind wir im regelmäßigen Austausch. Nicht nur bezüglich der Bezahlung, sondern es ist auch wichtig, dass man in andere Bereiche investiert, um bei Spielen des Nationalteams mehr Fans in die Stadien zu bringen. Wenn es hier nämlich zu keiner Steigerung kommt, dann geht sich das mit dem Geld auch nicht aus. Sind nur zwei Fans bei uns im Stadion, können wir auch nicht so und so viel Geld fordern. Das geht wirtschaftlich nicht und dem sind wir uns sehr bewusst. 

Präsident Gerhard Milletich bei der ÖFB-Bundeshauptversammlung.
Seit Oktober 2021 ist er an der Spitze: ÖFB-Präsident Gerhard Milletich. © Barbara Gindl/BuzzFeed Austria

Gute Kommunikation ist natürlich ein erster wichtiger Schritt, aber gibt es da vom ÖFB auch schon erste Versprechen in diese Richtung?

Ja natürlich. Wir als Spielerinnenrat und der ÖFB sind da ständig im Austausch. Es ist ein gutes Gesprächsniveau.

Etwas Konkreteres wollen Sie jetzt dazu aber nicht sagen?

Nein.

Dann machen wir nochmals einen Sprung zurück zur EURO 2017. Der Weg dorthin war für Sie kein einfacher. 18 Monate lang mussten Sie im Vorhinein wegen zweier Kreuzbandrisse pausieren. Über diese Zeit in Ihrer Karriere sagten sie: „Da fragt man sich schon, ob man nicht besser einen Cut machen soll.“ Im Viertelfinale gegen Spanien dann der nächste Kreuzbandriss. Was ging zu dieser Zeit in Ihrem Kopf vor? 

Der erste Gedanke war: Ich lass es jetzt! Was man verdient, steht nämlich in keiner Relation zu dem, was man körperlich opfert. Wenn ich ein Profispieler wäre und meine 500.000 Euro verdienen würde, dann denkt man sich wohl: Okay, jetzt mache ich einfach meine Reha und arbeite mich dann wieder zurück. Mit unserer Bezahlung ist es aber etwas schwieriger, man denkt mehr darüber nach. Möchte ich meinen Körper für in Wahrheit wenig Geld so sehr zerstören? Das muss man dann schon abwägen. Ich habe mit meiner Familie und meinen Freundinnen - viele auch im Nationalteam - Rücksprache gehalten. Die haben mir das Gefühl gegeben, dass die Zeit zum Aufhören noch nicht gekommen war. Ich kann noch gehen, das ist gut. Es wird aber sicher nicht mehr ewig so weiterlaufen, das ist mir auch bewusst. Dass ich dann mit 40 Jahren vielleicht ein künstliches Kniegelenk brauche, das will ich auch nicht.

Lisa Makas wird nach ihrer Verletzung bei der EURO 2017 von einer Mitspielerin getröstet.
Lisa Makas wird nach ihrer Verletzung bei der EURO 2017 von einer Mitspielerin getröstet. © Hans Punz/APA-PictureDesk

Tendieren Frauen bei solch schwerwiegenden Verletzungen eher dazu, über das Karriereende nachzudenken?

Ja. Ich kenne mehrere Spielerinnen, auch deutsche Nationalteamspielerinnen, die mit 21 Jahren die Karriere beendet haben, weil sie davor schon öfters verletzt waren oder sich lieber zum Beispiel für ein Studium entschieden. Jede Frau hat neben dem Fußball ohnehin eine weitere Beschäftigung. Hier ist der Fokus für sie genauso wichtig wie jener im Leistungssport - ansonsten stehst du später leer da. 

Sagen wir, Sie würden ab sofort alle Geschicke des österreichischen Frauenfußballs leiten. Lisa Makas, die Sportministerin, ÖFB-Präsidentin und Bundesliga-Vorstandsvorsitzende. Was wären die ersten Änderungen, die Sie vornehmen würden?

So etwas ist immer schwierig. Die Personen in diesen Positionen versuchen schon, ihr Bestes zu geben. Was ich aber auf jeden Fall ändern würde: Dem Fußballgeschäft einen moderneren Stempel aufdrücken. Damit auch Leute einbezogen werden, die nicht dieses Scheuklappendenken haben. Es gibt im Fußball immer noch Leute, die den Frauenfußball nicht ernst nehmen. Da tue ich mich persönlich sehr schwer. Ich verstehe nicht, was ihr Problem ist. Da sind auch Trainer und Funktionäre dabei, die selbst mal gespielt haben. Meine Meinung ist hier ganz klar: Es braucht eine Verjüngung. So würde ein frischer Wind hineinkommen. Andere Nationen machen das auch so und daher sind ihre Ligen auch weiter entwickelt.

Sie haben zuvor schon die jungen Mädchen erwähnt, die zu Ihnen kommen und ebenfalls Profifußballerinnen werden möchten. Welchen Ratschlag würden Sie ihnen unbedingt mitgeben wollen?

Dass sie an sich selbst glauben und auf keine anderen Menschen hören sollen, die das Gegenteil behaupten - lieber ganz strikt den eigenen Weg gehen. Im Leben ist immer alles möglich. Man ist selbst der größte Motivator. Es braucht die richtigen Leute im Umfeld, die einen pushen. Dann stehen einem im Leben alle Türen offen - auch im Frauenfußball. Ich hoffe, dass es immer mehr Mädels werden, die diesen Traum haben. Von mir selbst kann ich nämlich sagen: Es ist ein sehr geiler Traum, so zu leben und im Profibereich zu spielen.

Anmerkung: Dieses Interview wurde am 31. Mai 2022 veröffentlicht.

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