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Feministin Beatrice Frasl: „In patriarchalen Verhältnissen ist es gefährlich, eine Frau zu sein“

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Von: Iris Adelt

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Beatrice Frasl und ihr Buch „Patriarchale Belastungsstörung“
Interview mit Beatrice Frasl über „Patriarchale Belastungsstörung“ © Haymon Verlag

Beatrice Frasl spricht im Interview mit BuzzFeed Austria über ihr neues Buch „Patriarchale Belastungsstörung“ und warum psychische Gesundheit politisch ist.

Am 10. Dezember endeten die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ - mit ihnen auch die erste Verkündung zu den Gewaltambulanzen, die gerichtsmedizinische Unterstützung versichern soll. Einblicke in das österreichische Gesundheitssystem zeigen, es gibt noch viel zu tun. Warum das so ist, erklärt Feministin, Podcasterin, Kolumnistin und Kulturwissenschaftlerin Beatrice Frasl gegenüber BuzzFeed Austria.

Das Patriarchat ist von und für Männer gedacht. Frauen gibt es trotzdem - wo haben sie ihrer Meinung nach besonders keinen Platz?

Frauen sind vor allem Positionen verweigert, die mit Macht, Prestige und Geld einhergehen.

Sie schreiben in ihrem Buch „Patriarchale Belastungsstörung“ unter anderem davon, Frauensein bedeutet Gefährdung auf vielen Ebenen. Wie riskant ist es, eine Frau zu sein?

In patriarchalen Verhältnissen ist es gefährlich, eine Frau zu sein. Diese patriarchalen Verhältnisse sind aber nicht naturgegeben. Es gäbe Möglichkeiten, Gesellschaften anders zu organisieren.

Ihr Buch handelt (auch) von psychischer Gesundheit: Glauben sie, Frauen leiden unter dem Patriarchat, da sie Gefühle wie Wut nicht spüren dürfen? Immerhin können unterdrückte Emotionen krank machen.

Das ist gewiss eines der Elemente, die zu psychische Belastung führen. Was wir auch aus der Forschung wissen, ist, dass Frauen eher zu internalisierenden Bewältigungsmechanismen neigen, die Wut also zudem gegen sich selbst richten. Wie wir auf psychische Belastungen reagieren, hat also viel damit zu tun, welche sozialen Rollen und Regeln wir erlernen - und diese sind geschlechtsspezifisch.

Die Wissenschaft weiß mittlerweile, dass Trauma im Körper sitzt. Sind davon größtenteils Frauen betroffen, in Betrachtung traumatischer Erlebnisse wie Gewalt?

Frauen haben häufiger posttraumatische Belastungsstörungen und komplexe posttraumatische Belastungsstörungen. Zwei wesentliche Gründe hierfür sind das Ausmaß an einerseits sexueller Gewalt und andererseits häuslicher Gewalt gegen Mädchen und Frauen.

Was ist ihr Anliegen, das sie mit ihrem Buch erreichen möchten?

Ich möchte natürlich eine größtmögliche Öffentlichkeit erreichen, um einen Diskurs anzustoßen. Ich möchte, um es mit Mark Fisher zu sagen, psychische Erkrankung repolitisieren. Ich möchte, dass wir über die systemischen Bedingungen sprechen, die uns krank machen. Und ich möchte Anregungen geben für ein System, in dem wir gesunden und gesund bleiben können.

Warum ist psychische Gesundheit politisch?

Gesundheit insgesamt ist politisch, weil sie - genau wie Kapital, Raum oder Zeit - nicht fair verteilt ist. Ärmere Menschen sind kränker als reichere. Und: Männer und Frauen sind unterschiedlich von verschiedensten Erkrankungen betroffen, auch von psychischen. Neben der Frage, wer erkrankt und wer nicht und warum, stellt sich aber auch die Frage der Behandlung. Diese ist vor allem bei psychischen Erkrankungen hochschwellig und teuer. Das wiederum bedeutet: Viele können sich notwendige Gesundheitsdienstleistungen nicht leisten. All das sind politische Fragen.

Warum passen psychische Erkrankungen nicht in ein kapitalistisches System?

Im neoliberalen Kapitalismus lernen wir von klein auf uns durch Leistung und Nützlichkeit zu definieren und unseren Wert als Menschen daran zu knüpfen. Wir leben in der Illusion, dass Leistung und Talent darüber bestimmt, welche finanziellen Mitteln zur Verfügung haben, in anderen Worten: Wir denken, dass wir in einer Meritokratie leben, in der jene, die besonders klug, talentiert und fleißig sind, besonders weit nach oben kommen. Der Umkehrschluss ist, dass jene, die nicht klug, nicht talentiert und nicht fleißig sind, arm sind.

Und das entspricht nicht der Realität?

Das ist insofern eine Illusion, als unsere Gesellschaft maximal undurchlässig ist und sozialer „Aufstieg“ so gut wie unmöglich bleibt. Vermögen wird nicht erarbeitet (durch Fleiß und Talent), sondern vorrangig vererbt. Das ist die Realität.

Es wird uns somit erschwert, einfach „ausfallen“ zu dürfen - wieso?

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ideologie ist es natürlich sehr schwer zu akzeptieren, wenn Menschen mal nicht können, wenn sie ausfallen, wenn sie zusammenbrechen, wenn sie krank sind und nicht arbeiten und leisten können, weil wir das Nicht-Können und das Nicht-Leisten mit Schwäche und letztendlich mit Wertlosigkeit in Verbindung sehen.

Peter Hacker (SPÖ) meinte gegenüber dem ORF, das Kernproblem des österreichischen Gesundheitssystems sei, dass es von Männern dominiert wird. Was denken Sie darüber?

Wenn mit „dominiert“ machtvolle Positionen gemeint sind, stimmt das gewiss. In Zahlen stimmt es aber nicht, denn die überwiegende Mehrheit der Personen, die in der Pflege oder Ordinationen als Ordinationsassistentinnen arbeiten, sind Frauen. Dass Frauen allerdings nicht in prestigeträchtigen Positionen sind, die mit Entscheidungsmacht verbunden sind, ist kein Unikum des Gesundheitssystems, das zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. Ich würde also weitergehen und sagen: Es ist ein Kernproblem des Gesamtsystems, dass es von Männern dominiert ist.

Das Gesundheitssystem ist nicht das Einzige, das für Frauen problematisch ist: Gegen sexuelle Übergriffe wurde in Wien nun ein sogenannter „Rettungsanker“ ausgeworfen.

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