Jahresrückblick: Die getöteten Frauen Österreichs

2021 war das zweite Jahr, in dem der Kampf gegen Corona dominierte. Und es war das Jahr, in dem wieder einmal zu viele Frauen getötet wurden, weil sie Frauen waren.
Bevor 2022 mit Feuerwerk und Sekt eingeläutet wird, möchte ich mich an all diese Frauen erinnern und an die Umstände, die zu ihrem Tod geführt haben.
Zu viele Femizide im Jahr 2021
Als mich meine Kollegin Sophie fragte, ob ich einen Jahresrückblick schreiben möchte über ein Ereignis, das mir 2021 besonders in Erinnerung geblieben ist, musste ich erst einmal überlegen. Viel ist passiert. Corona dominierte weiterhin die Berichterstattung und unseren Alltag. Waldbrände in Kalifornien, Griechenland, aber auch vor unserer Haustür im Reichenau an der Rax. Joe Biden löste Donald Trump als US-Präsident ab. In Deutschland verabschiedete sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nach 16 Jahren im Amt. Auch in Österreich gab es mehrere Wechsel an der Regierungsspitze.
Was mich aber besonders getroffen hat, waren gleich mehrere Ereignisse. 29, um genau zu sein. So viele bestätigte Femizide (Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts) gab es nämlich im zu Ende gehenden Jahr. Hier muss ich gleich aufklären: Je nach Zählung sind es 29 oder 31. Während die Autonomen Frauenhäuser und verschiedene Medien, darunter auch wir, zuletzt von insgesamt 31 getöteten Frauen berichteten, fand das Online-Magazin „moment.at“ heraus, dass sich der Mordverdacht in zwei Fällen in Wien nicht bestätigt hatte. Trotzdem: 29 tote Frauen sind 29 zu viel.
Sie alle mussten sterben, weil sie Frauen waren. Diese Tatsache trifft mich noch immer zutiefst - egal wie oft ich lese, dass ein Mann seine Ex-Partnerin, seine Ehefrau oder eine andere ihm nahestehende Frau ermordet hat. 2021 hat mir zumindest gezeigt, dass das Problem mittlerweile von vielen Medien ernst genommen wird.
Mehr Präsenz in den Medien
2020 waren es insgesamt 31 Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts getötet wurden. 2019 waren es 39. Zwischen 2014 und 2018 hatte sich die Zahl der Femizide in Österreich sogar mehr als verdoppelt. Aber erst in den letzten zwei Jahren wird dem Thema vermehrt mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist wichtig, weil es auch innerhalb der Bevölkerung eine stärkere Awareness braucht. In Österreich gab es zuletzt einen deutlichen Anstieg an Gewalt gegen Frauen.
Doch die Präsenz in den Medien hat auch einen Preis: Diskussionen mit Menschen, die zu jedem Thema eine Meinung haben. Ja, auch bei getöteten Frauen scheint dies der Fall zu sein. Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wie viele Diskussionen ich 2021 mit Männern hatte, die sich über das Wort „Femizid“ aufgeregt haben. „Weltweit werden mehr Männer getötet“, wurde mir da oft als Argument geboten, aus den geschlechtsspezifischen Frauenmorden kein so großes Thema zu machen. „Wieso gibt es dafür kein Wort?“, hörte ich unzählige Male.
Ja liebe Männer, die sich jetzt angesprochen fühlen, weltweit werden tatsächlich mehr Männer als Frauen getötet. Dafür gibt es auch ein Wort. Es lautet Mord, im Englischen „Homicide“. Das UN-Büro für Drogen und Verbrechensbekämpfung (UNODC) berechnete 2017, dass etwa acht von zehn Mordopfern männlich seien. Übrigens sind die Täter auch meist Männer. Die Gründe für diese Morde lassen sich aber nicht auf ein konkretes Motiv herunterbrechen.
Ja, es ist ein Problem, dass Frauen von ihren Intimpartnern getötet werden
Anders ist es bei Tötungen innerhalb von Partnerschaften oder anderen Intimbeziehungen. In acht von zehn Fällen, bei denen eine Person von ihrem (Ex)-Partner oder einem Familienmitglied getötet wird, sind die Opfer Frauen. Ihr Geschlecht ist das ausschlaggebende Motiv. Denn stereotype Rollenbilder, Frauenhass und frauenverachtende Einstellungen spielen bei diesen Tötungen eine wichtige Rolle.
Dieses Problem gibt es in unserer Gesellschaft schon seit langem. Und um Probleme zu benennen, braucht es ein Wort. Deswegen verwendete die Soziologin Diane Russell 1976 erstmals den Begriff „Femicide“, auf Deutsch Femizid. Denn es ist nun einmal ein Problem, dass Frauen von ihren Intimpartnern ermordet werden. Nichts hat das so verdeutlicht wie das Jahr 2021 in Österreich.
Nein, nicht jeder Frauenmord ist ein Femizid
Was das Jahr 2021 aber auch deutlich gemacht hat: Es ist noch nicht klar ausdefiniert, ab wann ein Frauenmord auch wirklich ein Femizid ist. Wenn ein Mann eine Frau tötet, muss es sich nicht zwangsläufig um einen Femizid handeln. Die Entscheidung, wo hier die Grenze gezogen wird, ist je nach Stelle unterschiedlich. Genaue Zahlen und Studien zu Femiziden gibt es daher nicht. Das kann sich in Zukunft aber ändern. So entsteht gerade eine europäische Femizid-Datenbank, der „European Observatory on Femicide“.
Die ständigen Meldungen über getötete Frauen haben mein Verhalten geändert
Die verstärkte Berichterstattung über getötete Frauen hat sich übrigens auch auf mein Verhalten ausgewirkt. Streiten die Nachbar:innen, hör ich nicht mehr weg, sondern hin. Die Nummer der Frauen-Helpline 0800 555 222 werde ich wohl nie mehr vergessen. Auch auf das Handzeichen zur Signalisierung von häuslicher Gewalt, das sich dieses Jahr auf TikTok wie ein Lauffeuer verbreitet hat, achte ich nun bewusst.
Wer von Gewalt betroffen ist oder sich nicht sicher fühlt, kann sich an diese Stellen wenden:
Rat auf Draht: 147
Frauen-Helpline: 0800 222 555
Männer-Info: 0800 400 777
Männer-Beratung: 0512 576644
Männer-Notruf: 0800 246 247