Österreich hinkt in Sachen LGBTQIA+Rechte hinterher

Es gibt noch viel zu tun: Gerade im öffentlichen Raum geht Diskriminierungsschutz nicht weit genug. Bis heute gibt es kein Gesetz, das „Umpolungen“ verbietet.
Es tut sich was, aber es tut sich nicht genug. Lange Zeit war Sex zwischen Frau und Frau, zwischen Mann und Mann verboten und strafbar, erst 1971 wurde dieses Gesetz aufgehoben, 1989 erst in vollem Umfang für Männer. Seit 2009 gibt es für gleichgeschlechtliche Paar die Möglichkeit, eine Lebenspartnerschaft einzugehen, seit 2019 dürfen sie heiraten. Sie dürfen wie auch heterosexuelle Pärchen Kinder adoptieren. Seit drei Jahren kannst du als Geschlecht neben „weiblich“ und „männlich“ auch eine dritte Variante bekannt geben, nämlich „divers“.
Dass Österreich in manchen Belangen zwar Fortschritte macht, in anderen aber sogar gegenüber Ungarn und Polen das Nachsehen hat, die in Sachen LGBTQIA+ nicht unbedingt Vorzeigeschüler:innen sind, das zeigt Rechtsanwalt Helmut Graupner gegenüber der APA auf: „Im Familienrecht sind wir an der Spitze der Rechtsentwicklung, in vielen anderen Bereichen herrschen aber noch mittelalterliche Zustände.“ Wenigstens gibt es Ansätze, wie etwa das erste LGBTQIA+-Jugendzentrum in Wien .
In Österreich dürfen queere Menschen straffrei aus dem Taxi geworfen werden
Graupner ist kein Unbekannter, in seiner Funktion als Rechtsanwalt setzt er sich schon lange für die Rechte der LGBTQIA+-Community ein. Ihm ist zu verdanken, dass der sogenannte Homosexuellenparagraf gestrichen sowie die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare und die Ehe für alle erreicht wurden. Er war es auch, der als Präsident des Rechtskommitees „Lambda“ das Recht auf Eintragung des dritten Geschlechts erstritt.
Wenn jemand wie Graupner also „mittelalterliche Zustände“ bescheinigt, dann hat das Hand und Fuß. Was genau meint er eigentlich? Etwa dass es in Österreich immer noch legal und straffrei ist, Menschen aufgrund ihrer Sexualität aus einem Taxi zu werfen. Oder sich zu weigern, sie in einem Restaurant oder einer Bar zu bedienen. Oder aber auch, ihnen deshalb keine Wohnung zu vermieten. Vor Diskriminierung bist du zwar am Arbeitsplatz geschützt, nicht aber im öffentlichen Raum.
Queere Menschen dürfen immer noch „umgepolt“ werden
„Der Schutz vor Diskriminierung im Privatbereich ist in den allermeisten europäischen Ländern gesetzlich verankert“, so Graupner. „Selbst in osteuropäischen Staaten wie Polen oder Ungarn.“ Nun gibt es Menschen, die argumentieren, dass sich zum Beispiel Verkäufer:innen sehr wohl aussuchen können sollen, an wen sie ihre Ware verhökern. Das kann Graupner aber so nicht stehen lassen: „Wer sich gegen den Diskriminierungsschutz stellt, sagt im Endeffekt, Diskriminierer sollen weiter diskriminieren dürfen, da braucht man keine Interpretation.“
Was viele nicht wissen und im Jahr 2022 für ein vermeintlich aufgeklärtes Land wie Österreich eigentlich eine Schande ist: Konversionstherapien, in deren Rahmen queere Menschen „umgepolt“ werden sollen, sind nach wie vor nicht verboten. Hier hinkt man vor allem Deutschland und Frankreich hinterher, die in diesen Belangen bereits einen Schritt weiter sind. Offensichtlich meint das offizielle Österreich, dass es an der schwierigen Definition von Konversationstherapien hapere. „Das ist bloß eine Ausrede“, erklärt Graupner. „Wenn der deutsche Gesetzgeber das schafft, dann wird das auch der österreichische schaffen. Man braucht eigentlich nur abschreiben.“
Graupner kaut es im Wesentlichen vor, da sollte es Österreich möglich sein, die Versäumnisse gegenüber der LGBTQIA+Community nachzuholen. Vielleicht geht dann das stark erhöhte Suizidrisiko unter LGBTQIA+-Jugendlichen zurück. Es gibt noch viel zu tun.