„Wir wollen Schutz bieten“: In Wien entsteht das erste LGBTQIA+-Jugendzentrum

Ein Queeres Jugendzentrum ist längst überfällig. In Österreich ist Misstrauen gegenüber allem, was „anders“ ist, immer noch groß. Da braucht es safe spaces.
Traditionell wirst du in Österreich schief angeschaut, wenn du aus der Reihe tanzt, wenn du nicht einer sogenannten Norm entsprichst. Besonders schlimm ist es, wenn du jung bist, ohnehin mit dir und der Welt haderst und dann auch noch feststellst, dass etwas „nicht mit dir stimmt“. Dabei stimmt eh alles mit dir, nur stellst du fest, dass dir als Mädchen andere Mädchen, als Bub andere Buben gefallen, oder dass du das Gefühl hast, im falschen Körper mit dem falschen Geschlecht geboren worden zu sein. In der Schule bist du unsicher, Freizeiteinrichtungen meidest du, damit es nicht zu irgendwelchen unangenehmen Situationen kommt. Dass es etwa die erste trans Barbie gibt, berührt deine Lebensrealität relativ wenig.
Überall regieren Homophobie, Transphobie, Interphobie, Diskriminierung
Tatsächlich haben die Dinge, mit denen du konfrontiert bist, Namen: Homophobie, Transphobie, Interphobie, allgemein Diskriminierung allem gegenüber, das „anders“ ist. Dabei wäre das Leben doch unfassbar langweilig, wären wir alle gleich. Du weißt, du bist queer, Teil der LGBTQIA+-Community, würdest dich gerne mit anderen abseits von Internetforen, in der wirklichen Welt austauschen, traust dich aber nicht, weil du dich zu jung fühlst. Das soll sich demnächst ändern, zumindest in Wien. Hier soll ein eigenes Queeres Jugendzentrum geschaffen werden, in dem LGBTQIA+-Jugendliche einen Safe-Space vorfinden.
Noch befindet man sich in der Konzeptionsphase, Vorschläge können bis September eingereicht werden. Verantwortlich zeichnen jedenfalls die Magistratsabteilung für Bildung und Jugend (MA 13) und die Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTQIA+-Angelegenheiten (WASt). Wie in jedem anderen Jugendzentrum auch soll Unterstützung und professionelle, offene Jugendarbeit geboten werden.
Die LGBTQIA+Community soll in das Queere Jugendzentrum eingebunden werden
Allerdings werden der Altersspielraum im Gegensatz zu anderen Aufgabengebieten der Jugendarbeiter:innen deutlich erweitert. Das Queere Jugendzentrum soll sich an Jugendliche und junge Erwachsene von 13 bis 27 Jahren richten - ein ziemlicher Spagat. „LGBTQIA+-Jugendliche haben spezifische Beratungsbedürfnisse, denen wollen wir gemeinsam so entsprechen, wie es die Jugendlichen verdient haben“, erklärt Vizebürgermeister und Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS). „Wir wollen Schutz bieten, Vielfalt stärken und dafür Raum geben. Besonders wichtig sind hier die Einbindung der Community und fachlicher Expertise.“
Während des Regenbogenmonats Juni hat es mit der Kampagne „Lebe deine Liebe“ bereits deutliche Zeichen seitens der Stadt gegeben, um Pride und Solidarität in den Vordergrund zu stellen. Jugendliche und junge Erwachsene aus der LGBTQIA+-Community blieben zwar nicht außen vor, dass ihnen mehr Beachtung geschenkt wird, ist aber recht neu. „Queere Jugendliche brauchen Freiraum, professionelle Begleitung und den Austausch mit Gleichaltrigen, um sich ihre Orientierungen und Identitäten angstfrei bewusst zu werden und diese gut zu entwickeln,“ so Wolfgang Wilhelm, Leiter der WASt.
Auch wenn du unsicher bist, bist du willkommen
Das Queere Jugendzentrum soll für LGBTQIA+-Jugendliche jedenfalls ein sicherer Ort sein, auch für ihre womöglich straighten Begleiter:innen. Ganz ausdrücklich willkommen sollen all jene sein, die gerade in ihrer Identitätsfindung sind, die vielleicht noch nicht in Worte fassen können, welche Fragen sie zu ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität haben. Wo und wann das Zentrum seine Pforten öffnen wird, ist noch nicht bekannt, das entscheidet sich erst, sobald feststeht, welches der eingereichten Konzepte am überzeugendsten ist. Ein Anfang ist jedenfalls gemacht.