Dieser Pilz ist mein neues Vorbild für Gender-Inklusion

Es gibt nur Männlein und Weiblein, weil das biologisch nun mal so ist? Introducing: Den Pilz mit über 23.000 Geschlechtern.
Der gemeine Spaltblättling, auch bekannt unter seinem wissenschaftlichen Namen „Schizophyllum commune“, ist vielleicht der am weitesten verbreitete Pilz der Welt – und hat über 23.000 verschiedene Geschlechter. Na, wenn das nicht ein für alle Mal mit dem binären Denken aufräumt, dann weiß ich auch nicht.
Ein queerer Pilz, der überall vorkommt
Der gemeine Spaltblättling ist nicht nur scheen (ich finde ja persönlich er schaut ein bisschen aus wie ein Ginko-Blatt), sondern auch ein Weltenbummler: Er kommt auf allen Kontinenten vor, außer in der Antarktis, wo er kein Holz als Substrat (das Material, auf dem ein Organismus lebt) verwenden kann. Es gibt eine einzige Art des gemeinen Spaltblättlings, die weltweit verbreitet ist, andere Versionen von ihm existieren nur in bestimmten Regionen.
Super fruchtbar und immer horny
Der Gattungsname „Schizophyllum commune“ bedeutet „gespaltene Kieme“. Seine Kiemen haben die Funktion, Sporen auf ihrer Oberfläche zu produzieren. Sie scheinen deswegen gespalten zu sein, weil sie im Laufe einer Vegetationsperiode mehrere Male austrocknen und wieder hydrieren. Deswegen können sie sich öffnen und schließen, was eine großartige Anpassung an ein Klima mit sporadischen Regenfällen ist. Im Gegensatz zu anderen Pilzarten muss unser Spaltblättling nur einmal pro Jahr Fruchtkörper produzieren, die dann austrocknen und rehydrieren, aber durchwegs funktionsfähig bleiben und selbst im tiefsten Winter mit anderen Pilzen in die Kiste hüpfen können.
Mehr als 23.000 Geschlechter, die alle Sexy Time wollen
Der Pilz-Sex-Experte (ja, diesen Beruf gibt es wirklich) Dr. John Raper von der Harvard University hat in 1950er bis 1970er Jahren mit seinen Kolleg:innen weltweit Proben des Spaltblättlings gesammelt. Diese gesammelten Pilze haben die Wissenschafter:innen miteinander gepaart und konnten so anhand der Paarungsreaktionen 23.328 verschiedene Paarungstypen (Geschlechter) unterscheiden.
Die eigentliche Fortpflanzung von Pilzen sieht natürlich ganz anders aus als bei Säugetieren. Es geht in erster Linie darum, zwei elterliche Zellkerne in dasselbe Zytoplasma zu bringen. Viele Pilze, wie der Spaltblättling, haben nicht einmal differenzierte Geschlechtsorgane - das heißt, sie können überall dort, wo sie sich berühren, Kerne austauschen.
Binäres Denken - also die Überzeugung, dass es nur zwei „richtige“ Geschlechter gibt, nämlich männlich und weiblich - hält sich noch immer hartnäckig und wird von Gegner:innen der LGBTQIA+ fälschlicherweise als Argument benutzt. Dass die queere Community weiterhin um Sichtbarkeit kämpfen muss, zeigt der Fall des neuen Disneyfilms „Lightyear“, der eine lesbische Kuss-Szene enthält.