Was ist „Rainbow-Washing“ und hilft es der LGBTQIA+- Community?

Viele Firmen werben in letzter Zeit mit der Regenbogenfahne. Unter welchen Bedingungen profitiert die queere Community aber davon?
Anlässlich des Pride-Monats veröffentlichte Burger King Österreich im Juni 2022 den „Pride Whopper“ und trendete damit gleichmal international auf Twitter & Co. Der jeweils aus zwei Top-Buns und zwei Bottom-Buns bestehende Burger sollte gleiche Liebe und gleiche Rechte vorantreiben, hieß es in einer Aussendung des Unternehmens. Kritiker:innen warfen der Fastfood-Kette allerdings sogenanntes „Rainbow-Washing“ vor.
Urban Dictionary definiert den Begriff als „die Verwendung oder das Hinzufügen von Regenbogenfarben und/oder -Bildern zu Werbung, Kleidung, Accessoires oder Sehenswürdigkeiten, um eine progressive Einstellung zu LGBTQIA+ zu zeigen und für Verbraucher:innen glaubwürdig zu sein, jedoch mit einem Minimum an Aufwand und ohne tatsächliches Endergebnis.“ Wie aber unterscheidet sich Rainbow-Washing von echter Unterstützung und was können Firmen tun, um der LGBTQIA+ Community tatsächlich zu helfen? BuzzFeed Austria hat mit Katharina Kacerovsky-Strobl, Referentin und Organisatorin von Vienna Pride von der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, einer politischen Interessenvertretung und Serviceorganisation für Lesben und Schwule in Österreich, darüber gesprochen.
Wie definiert ihr Rainbow-Washing?
Rainbow-Washing oder Pinkwashing bedeutet, dass sich eine Firma, ein Produkt, oder auch eine Organisation oder Person mit LGBTIQ-Themen, deren Symbolen oder Bedeutung schmückt, um den Eindruck zu erwecken, LGBTIQ-Personen und ihre Anliegen zu unterstützen und um daraus Vorteile zu gewinnen, aber ohne wirklich etwas für die Community zu tun. Also wenn der Regenbogen nur noch ein Werbegag ist wie der Kürbis zu Halloween.
Wie steht ihr dazu prinzipiell? Hilft es der LGBTQIA+ Community oder gibt es auch einen Backlash?
Grundsätzlich hilft es der LGBTIQ-Community, wenn Unternehmen sich mit der Regenbogenfahne schmücken, weil es für Sichtbarkeit sorgt. Allerdings sollte dies ernst gemeint sein, kein Trittbrettfahren zur Pride-Zeit ohne die LGBTIQ-Community real zu unterstützen. Die Regenbogenparade ist immer noch eine Demonstration, die für die Anliegen und Forderungen der LGBTIQ-Community auf die Straße geht. Da geht es um rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz. LGBTIQ-Jugendliche haben immer noch eine rund sechsmal höhere Suizidrate als andere Gleichaltrige, das sind ja ernste Themen, um die es uns da geht. Gleichzeitig kostet eine Pride richtig viel Geld: vom Programm über die Technik bis hin zur Sicherheit. Organisiert wird die Regenbogenparade dabei ohnehin schon fast ausschließlich ehrenamtlich von der HOSI Wien, einem Verein. Wenn dann Firmen so tun, als würden sie die Pride unterstützen, aber in der Realität nichts tun, außer den Regenbogen auf ihre Werbung zu klatschen, ist das nicht nur ihren Kund:innen gegenüber unehrlich, sondern dann fühlen sich auch viele LGBTIQ-Menschen ausgenutzt. Und dann gibt es sehr wohl immer wieder auch kritische Reaktionen, vor allem in den sozialen Medien. Das Thema ist zu wichtig für PR-Gags.
Verändert Rainbow-Washing die Einstellung der Öffentlichkeit zur queeren Community? Wenn ja, wie?
Jein, wie gesagt kann mehr Sichtbarkeit zu einer größeren Verbreitung der LGBTIQ-Anliegen führen. Allerdings wird dies auch oft von Unternehmen missbraucht und auch falsch kommuniziert. Das hilft der LGBTIQ-Community nicht, das ist dann nur ein Ausnutzen von dem, was eine ohnehin schon diskriminierte Gruppe geschaffen hat.
Was müssen Firmen tun, um den Vorwurf des Rainbow-Washings zu vermeiden? Welche Policies braucht es, damit eine Kampagne, die die LGBTQIA+ Community unterstützen soll, auch von ihren Mitgliedern als unterstützend wahrgenommen wird?
Das ist eigentlich recht einfach: Echte Unterstützung der Pride, nicht nur mit Worten und Regenbogenfahnen im Marketing, sondern konkret durch eine Kooperation mit den Organisationen, die die Prides in den jeweiligen Städten auf die Beine stellen. Dabei achten wir dann zum Beispiel darauf, dass ein Unternehmen nicht nur die Marketingabteilung mit dem Thema Pride beauftragt, sondern tatsächlich ein Austausch relevanter Führungskräfte mit der Community stattfindet. Dadurch kann ein Unternehmen dann unter anderem besser auf die Bedürfnisse von LGBTIQIA+- Mitarbeiter:innen eingehen, damit diese zum Beispiel genauso selbstverständlich von ihrem*ihrer Partner*in erzählen können wie ihre Hetreo-Kolleg:innen. Und wenn ein Unternehmen LGBTIQIA+- Anliegen unterstützt und sich damit für eine bessere Welt starkmacht, hilft das auch ihren Kund:innen, die das letztlich auch honorieren. Darüber hinaus kann ein Unternehmen auch andere LGBTIQIA+-Organisationen unterstützen, von der Unterstützung für LGBTIQIA+-Jugendliche über Bildungsprojekte bis hin zur Hilfe für Flüchtlinge, die aus Ländern, wo man fürs LGBTIQIA+-Sein verfolgt wird.
Der „Pride Whopper“ von Burger King hat international für Furore gesorgt. Viele werfen der Kampagne vor, Rainbow-Washing zu betreiben und Queerness ins Lächerliche zu ziehen (speziell wegen den zwei Tops, zwei Bottoms- Burger Buns). Wie steht ihr dazu?
LGBTIQIA+-Menschen sind kein PR-Gag und sollen auch nicht einmal im Jahr für das Diversity-Thema benutzt werden, weil es budgetär so geplant ist. Die Sichtbarkeit durch Produkte ist wichtig, aber die Formulierung, das Auftreten, die Message mindestens genauso. Der Kampf für gleiche Rechte für alle ist ja letztlich kein lustiges Produkt. Hier geht es um ernste Themen, wie eben die Suizidrate unter Jugendlichen. Genau deshalb ist es eben so wichtig, dass ein Unternehmen im Austausch mit der Community steht – die hätte sie vor diesem werbetechnischen Griff ins Klo schon vorher warnen können. Burger King Austria hat Vienna Pride 2022 finanziell unterstützt und diese Unterstützung haben wir direkt in wichtige Veranstaltungen investiert, die für eine starke Sichtbarkeit sorgen, weiters wurden einige Dankes-Gutscheine an die vielen Ehrenamtlichen gespendet. Das war ein schöner erster wichtiger Schritt. Jetzt ist es umso wichtiger, dass das Unternehmen intern LGBTIQIA+- relevante Themen umsetzt, für die Mitarbeiter:innen da ist und mit der Community im Austausch bleibt.
Braucht es Sichtbarkeit der queeren Community durch Marketing von Konsumgütern? Wenn ja,warum ist das wichtig?
Nein, das braucht es nicht. Es gibt verschiedene Wege, die die wichtigen Anliegen der LGBTIQIA+-Community sichtbar zu machen. Dennoch sind Konsumgüter einer der möglichen Wege, den bunten Regenbogen in die Öffentlichkeit zu tragen und damit dabei zu unterstützen, dass die Gesellschaft merkt, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind und LGBTIQIA+-Menschen überall sind, nicht nur in der Wiener Innenstadt. Aber auch hier ist es wichtig, dass die Regenbogenfahne nicht missbraucht wird und zum Fun-Produkt verkommt, sondern das eben begleitet wird, von diversen anderen internen und externen Maßnahmen. Unser Partner REWE hat dieses Jahr zum Beispiel eine Regenbogentorte produziert, die in den Billa Plus-Filialen erhältlich war. Auf der Verpackung war vermerkt, dass dies in Kooperation mit Vienna Pride organisiert wurde, und außerdem ist dort das LGBTIQIA+-Mitarbeiter:innen-Netzwerk intern stark eingebunden.
Wie können Firmen abseits von Marketing die queere Community unterstützen?
Sie können es wirklich ernst meinen. Sie können das Thema auch über das Jahr verteilt in den Vordergrund stellen, weil es nun mal das ganze Jahr über ein wichtiges Thema ist. LGBTIQIA+-Rechte hören ja nicht im Juli auf, wichtig zu sein. Es sollte in großen Unternehmen zuständige Betriebsrät:innen für LGBTIQIA+-Themen geben, Mitarbeiter:innen-Netzwerke, die nicht nur aus dem Marketing kommen oder sich durch ihre Mitarbeit Sprungbretter erhoffen. Sie sollten mit der Community in Kontakt stehen, die Anliegen wirklich verstehen, auch wieso die Sprache so entscheidend ist. Überlegen, ob das eigene Unternehmen in seinen Formularen, der eigenen Sprache, der Website und im täglichen Umgang am Arbeitsplatz wirklich inklusiv ist. Die jeweiligen Community-Vereine dazu befragen, woran es noch fehlt.
Dass die queere Community noch immer vehement um ihre Rechte kämpfen muss, zeigt nicht zuletzt die Debatte über trans Frauen im Sport. WIr haben mit einer Trans*Aktivistin darüber gesprochen.