Studie zeigt: Werden Frauen von männlichen Chirurgen operiert, kann das für sie gefährlich werden

Eine kanadische Studie hat herausgefunden, dass Frauen bei Operationen ein 15 Prozent höheres Risiko für Komplikationen haben, wenn sie von männlichen Chirurgen operiert werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie verwies anlässlich ihres 139. Jahreskongresses auf die Ergebnisse der groß angelegten kanadischen Studie, die im Fachmagazin JAMA Surgery publiziert wurden.
Gender-Effekt: Geringer Frauenanteil in der Chirurgie
Es ist der Gender-Effekt: Frauen leiden bei Eingriffen durch männliche Ärzte öfter an Komplikationen. Genauer gesagt haben sie ein 15 Prozent höheres Risiko für Komplikationen als jene Frauen, die von Chirurginnen behandelt werden. Das ist vor allem deswegen ein Problem, weil der Frauenanteil in der Chirurgie noch immer sehr gering ist. „Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Geschlechterfrage in der ‚Männerdomäne Chirurgie‘, heißt es von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. In Deutschland liege der Frauenanteil in der Chirurgie noch immer bei unter einem Viertel.
So wirkt sich das Geschlecht des Arztes auf das Operationsergebnis aus
Welche Auswirkungen das Geschlecht von Behandelnden und Behandelten auf das Operationsergebnis hat, analysierten die kanadischen Wissenschafter:innen. Sie kommen vor allem von verschiedenen chirurgisch orientierten Fachabteilungen in Toronto, also etwa der Chirurgie, Orthopädie, Plastischen Chirurgie und Viszeralchirurgie (Chirurgie des Bauchraumes). Die Forscher:innen untersuchten für die Studie die Behandlungsdaten von 1.320.108 erwachsenen Patient:innen. Diese hatten sich zwischen den Jahren 2007 und 2019 geplanten oder dringlichen chirurgischen Eingriffen unterzogen.
Durchgeführt wurden die Operationen von 2.937 Chirurg:innen. Von den 1.320.108 Patient:innen beziehungsweise. 2.937 Chirurg:innen hatten 602.560 Patient:innen das gleiche Geschlecht wie die Chirurg:innen. In 717.548 Fällen gab es einen Geschlechtsunterschied zwischen Chirurg:in und Patient:in. Bei 189.390 Patient:innen gab es zumindest eine Komplikation. Durch ihre Untersuchungen kamen die Wissenschafter:innen zu dem Ergebnis, dass Geschlechtsunterschiede zwischen Ärzt:innen und Kranken zu höheren Komplikationsraten nach dem Eingriff führten. Die schlechteren Behandlungsergebnisse stiegen demnach um sieben Prozent. Auch die Sterblichkeit der Patient:innen stieg um sieben Prozent. Direkte Komplikationen stiegen um neun Prozent.
Am negativsten wirkte sich die Situation aus, wenn Chirurgen Patientinnen operierten. Die Behandlungsergebnisse waren deutlich schlechter, wenn Chirurgen Patientinnen operierten - im Vergleich zu Chirurginnen, die Patientinnen behandelten, und zwar mit einer Häufigkeit von plus 15 Prozent. Führten Chirurginnen wiederum Eingriffe an Männern durch, gab es hier keinen Unterschied.
Gemische Ärzteteams sind wichtig
Nicht nur in der Chirurgie, auch in anderen medizinischen Fächern kann ein negativer Effekt durch den Geschlechterunterschied zwischen Arzt und Patientin beobachtet werden. „Auch nach einem Herzinfarkt haben Patientinnen, die von einem Arzt behandelt werden, ein höheres Risiko zu versterben als männliche Patienten, die von einer Ärztin behandelt werden“, erklärt Natascha Nüssler, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Eine Erklärung für dieses Phänomen wäre möglicherweise, dass Ärzte die Stärke der Symptome ihrer Patientinnen öfter unterschätzten und Frauen könnten Hemmungen haben, ihren männlichen Ärzten ihre Schmerzen offen zu zeigen.
Eine mögliche Lösung, um diese gesundheitsgefährdenden negativen Gender-Effekte zu reduzieren, seien laut Expert:innen gemischtgeschlechtliche Ärzteteams. „Dafür müsste der Frauenanteil in der Chirurgie jedoch deutlich steigen“, sagte Nüssler.
Gendermedizin: Das Geschlecht spielt eine Rolle
Dass Frauen in der medizinischen Behandlung noch immer benachteiligt sind, zeigt der Gender Health Gap. Er bezieht sich auf die Verfehlungen in der Medizin, wenn es um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern geht. Diese Verfehlungen kommen zum einen davon, dass klinische Studien jahrzehntelang vor allem an Männern durchgeführt wurden. Zum anderen aber auch, dass das biologische und soziale Geschlecht in der Behandlung von Krankheiten nur wenig Beachtung bekommen hat. Um das auszugleichen, gibt es die Gendermedizin. Sie beschäftigt sich damit, welchen Einfluss Gender und biologisches Geschlecht auf Krankheiten, medizinische Behandlungen, Forschung und Prävention haben.