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BP-Wahl: 1,4 Millionen Menschen in Österreich dürfen nicht wählen - das muss sich ändern

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Von: Johannes Pressler

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Alexander Van der Bellen hält eine Rede.
1,4 Millionen Menschen in Österreich, die eigentlich wahlberechtigt wären, werden nicht die Möglichkeit haben, Bundespräsident Van der Bellen oder einen seiner Gegner wählen zu können. © JFK/EXPA/APA-PictureDesk/BuzzFeed Austria

Immer mehr Menschen leben ohne Wahlrecht in Österreich. Das ist gefährlich und sollte sich schleunigst ändern. Meine 2Cents:

Es sind Zahlen, denen man selbst nach einem zweiten Blick nicht ganz glauben möchte: 1,4 Millionen über 16-Jährige in Österreich werden an der anstehenden Bundespräsidentenwahl nicht teilnehmen können. Das liegt daran, dass sie keine Staatsbürgerschaft haben. Vor 20 Jahren wären es laut den von der APA ausgewerteten Daten der Statistik Austria rund 580.000 Personen gewesen. Welche Regionen sind dabei besonders betroffen? Und was sollte dagegen getan werden?

1,4 Millionen dürfen bei BP-Wahl nicht mitwählen

Besonders viele Menschen, die nicht wahlberechtigt sind, gibt es in den Städten. In Graz und Linz betrifft es rund ein Viertel der Bevölkerung im Wahlalter, in Innsbruck und Salzburg sogar um die 30 Prozent. Noch etwas mehr sind es in Wien, dort können knapp ein Drittel der Menschen im Wahlalter keine Wahlstimme abgeben. Auf ganz Österreich verteilt kommt man auf 18 Prozent der Bevölkerung, die hierzulande leben und mindestens 16 Jahre alt sind, aber keine Staatsbürgerschaft haben. Die höchsten Werte finden sich jedoch am Land.

Bezüglich der Bevölkerungszahl am meisten betroffen sind natürlich die großen Städte. Die höchsten Prozentwerte gibt es aber in ein paar kleineren Gemeinden. In Jungholz (Tirol) sind sogar zwei Drittel (!) nicht wahlberechtigt, in Mittelberg (Vorarlberg) ist der Anteil mit 51 Prozent ebenfalls hoch. Das liegt aber wohl daran, dass diese beiden Orte nur über deutsches Staatsgebiet erreichbar sind. Bei Kittsee im Burgenland sind es mit fast 47 Prozent aber nicht viel weniger. Anders ist es übrigens bei der Zahl der Menschen, die tatsächlich wahlberechtigt sind. Sie ist am Stagnieren.

Ohne Wahlrecht eine Gefahr für die Demokratie?

Dass immer mehr Menschen, die in Österreich leben, nicht an Wahlen teilnehmen können bzw. dürfen, ist nichts Neues. Schon bei den Wiener Gemeinderatswahlen 2020 waren eine halbe Million Menschen davon betroffen. Sie alle hatten keine österreichische Staatsbürgerschaft - und ohne Staatsbürgerschaft kein Wahlrecht. Der erste große Haken dabei: Wahlen sind ein immens wichtiger demokratischer Prozess. Immerhin sollten die gewählten Personen die Interessen der gesamten Bevölkerung vertreten. Dass ein hoher Anteil an Menschen, die nicht wählen können, problematisch ist, sagte schon der Politikwissenschaftler Vedran Džihić im Interview mit BuzzFeed Austria:

Eines der Probleme ist sicherlich die Repräsentation. Also wer sich am Entscheidungsprozess beteiligen kann und wer davon ausgeschlossen wird. Daraus kann sich für die gesamte Demokratie und das gesellschaftliche Leben in ihre eine Gefahr bilden.

Politikwissenschaftler Vedran Džihić (Dezember 2021)

Ohne Staatsbürgerschaft kein Wahlrecht - ohne Wahlrecht eine Gefahr für die Demokratie? Was uns wiederum zum Kern des Problems bringt: der Staatsbürgerschaft. Klar, nicht alle Menschen, die in Österreich leben, wollen unbedingt die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Das ist auch vollkommen in Ordnung so. Nur weil ich vielleicht mal ein paar Jahre in den USA leben möchte, heißt das nicht unbedingt, dass ich gleich US-amerikanischer Staatsbürger werden möchte. Schwierig ist es nur für jene, die schon eine lange Zeit in Österreich verbringen und sich aktiv am gesellschaftlichen Leben hierzulande beteiligen möchten.

„Hohes Gut“: Die Sache mit der Staatsbürgerschaft

Hier kommt der zweite große Haken ins Spiel: Wenn es um den Zugang zur Staatsbürgerschaft geht, gehört Österreich nämlich zu den strengsten Ländern weltweit. Gemeinsam mit Bulgarien sind wir europäisches Schlusslicht, nur die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien erhielten eine schlechtere Bewertung. Für Völkerrechtsexperten Ralph Janik liege das zum einen an den hohen Erfordernissen und zum anderen an den Mängeln in der Verwaltung, wie er im Interview mit BuzzFeed Austria sagte:

In Österreich regeln wir also nicht nur den Zugang zur Staatsbürgerschaft sehr streng, sondern sogar für die, die diese strengen Regeln erfüllen, ist es sehr anstrengend und langwierig, die Staatsbürgerschaft dann tatsächlich zu bekommen.

Völkerrechtsexperte Ralph Janik (Dezember 2021)

Für die regierende ÖVP sei beim Staatsbürgerschaftsrecht, so wie es derzeit ist, alles in Ordnung. Seit Monaten posaunt Generalsekretärin Laura Sachslehner, dass bei einer Gesetzesänderung die Gefahr einer „Entwertung der Staatsbürgerschaft“ bestünde. Die Staatsbürgerschaft sei ein „hohes Gut“, das man sich verdienen müsse. Bei einer Präsidentenwahl mit 1,4 Millionen Menschen, die nicht mitwählen können, stellt sich jedoch die Frage, ob es nicht das derzeitige Staatsbürgerschaftsgesetz ist, das zur Entwertung unserer Demokratie beiträgt. Ein höheres Gut als eine gesunde Demokratie fällt mir zumindest nicht ein.

Anmerkung: Dieser Artikel wurde am 16. August 2022 veröffentlicht.

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