„Mein Kampf“- Aussage eines FPÖ-Politikers ist mehr als nur hirnverbrannte Provokation

Auf die Frage, welches Buch er zuletzt gelesen habe, antwortete ein FPÖ-Politiker: „Mein Kampf“. Josef Gschwandegger setzt somit eine lange Tradition freiheitlicher Provokationen fort. Warum das Ganze eigentlich? Meine 2 Cents dazu.
Es muss nicht immer Herbert Kickl sein. Der Mann ist erst seit Juni 2021 Bundesparteiobmann der FPÖ. Hinter den Kulissen zieht er aber schon lange die Fäden und hat unter anderem grausliche Wahlsprüche wie „Daham statt Islam“ oder „Mehr Mut für unser ‚Wiener Blut‘“ zu verantworten.
Für provokante Aussagen scheint er ein Abo zu haben, etwa als er 2018 vorschlug, Asylwerber:innen „konzentriert an einem Ort zu halten“. Dass er damit auf die Konzentrationslager anspielte, stritt er nicht einmal eindeutig ab. Kickl meinte selbst, er wollte lediglich provozieren. Bedenke: Er war damals in der von Sebastian Kurz geführten ÖVP/FPÖ-Regierung nicht weniger als Innenminister. In der langen Liste von besonders auffälligen Gestalten in diesem Amt eine Ausnahmeerscheinung im negativen Sinne.
Ein FPÖ-Politiker und die Frage nach dem Buch
Aber wie gesagt, es muss nicht immer Kickl sein, wie ein jüngstes Beispiel zeigt. Wobei sich schon die Frage stellt: Sind die so dumm, wie sie sich darstellen? Oder verfolgen sie ein bestimmtes Ziel? Der letzte Vorfall ereignete sich in Niederösterreich. Dort finden am 30. Jänner Gemeinderatswahlen statt, weshalb die lokalen Bezirkszeitungen eine Art Wordrap mit den antretenden Kandidat:innen der jeweiligen Parteien brachten. Man fragte nach liebsten Freizeitaktivitäten, welche Superkraft man sich wünscht, nach dem Lieblingslied. Die zu solchen Anlässen üblichen Sachen eben.
Der Spitzenkandidat für die FPÖ in Waidhofen an der Ybbs heißt Josef Gschwandegger. Und er erblödete sich nicht, nach einigem Zögern, auf die Frage, welches Buch er zuletzt gelesen habe, zu antworten: „Das muss wohl ‚Mein Kampf‘ gewesen sein.“ Dass er später erbost betonte, „ungenau zitiert“ geworden zu sein, versteht sich von selbst, ist das doch die Standard-Strategie aller FPÖ-Politiker:innen: nach einer hirnverbrannten Äußerung leugnen, leugnen, leugnen.
Gschwandegger versucht es mit Ausreden - wie alle FPÖ-Politiker:innen
Schließlich ruderte Gschwandegger zurück und räumte gegenüber den BezirksBlättern ein: „Ich habe ‚Mein Kampf‘ schon vor längerer Zeit gelesen. Ich lese generell wenig, vielleicht ein Buch im Jahr.“ Das macht seinen fetzendepperten und grauslichen Ausritt natürlich viel besser. Not! Tatsächlich habe er zuletzt „So sind wir“ vom FPÖ-Kollegen Christian Hafenecker gelesen. Auch exzellente Lektüre! Und noch einmal: Not! Immerhin besitze Gschwandegger „Mein Kampf“ nicht und habe es auch nie besessen. Na dann.
Ein kleiner Einschub: Adolf Hitlers menschenverachtendes, antisemitisches, dem Holocasut den Weg bereitendes und auch sonst zutiefst ungustiöses Machwerk „Mein Kampf“ zu lesen, ist in Österreich nicht verboten, auch der Besitz ist erlaubt. Sehr wohl ins Wiederbetätigungsgesetz fällt hingegen der Vertrieb der unkommentierten Ausgabe des Buchs. Strafrechtlich schuldig hat sich Gschwandegger also nicht gemacht.
Der ultrarechte, ewiggestrige Rand der FPÖ wird bedient
Warum hat er sich überhaupt zu diesem unsäglichen Satz hinreißen lassen? Ganz einfach runtergebrochen: Um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber auch, um den ultrarechten, ewiggestrigen Rand der Partei zu bedienen. Den gibt es nach wie vor, mit dem gewinnt man aber keine Wahlen. Diejenigen, die die FPÖ wählen und mit denen Wahlen gewonnen werden, machen ihr Kreuz deswegen bei den Blauen, weil sich diese „gegen de Auslända“ oder zuletzt „gegen des Corona“ stark machen. Und denjenigen sind solche „Sager“ relativ wurscht.
In Niederösterreich scheint überhaupt ein Nest zu sein, sieht man von den FPÖ-Hochburgen in Oberösterreich einmal ab. Vielleicht erinnerst du dich an Gottfried Waldhäusl, ehemaliger Landesrat für die FPÖ in Niederösterreich. Er bezeichnete Mitglieder der LGBTQIA+-Community als „Schwuchteln“, wollte jugendliche Asylwerber:innen wie Strafgefangene in einem Gebäude mit Stacheldraht unterbringen und bezeichnete Integration prinzipiell als „idiotisch“. Der gelernte Landwirt hat so viel Stuss verzapft, das würde hier den Rahmen sprengen.
Jörg Haider war der Großmeister der Provokation
Udo Landbauer wiederum unterstützte eine vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands als rechtsextreme Gruppe mit „völkisch-fundamentalistischer Orientierung“ eingestufte Gruppierung. Außerdem stolperte er darüber, dass er in einer Burschenschaft war, die ein ganz spezielles Liederbuch herausgegeben hatte. Darin befanden sich jede Menge antisemitischer, rassistischer und im Verdacht der Wiederbetätigung stehende Liedtexte. Landbauer stritt wie in der FPÖ üblich jeden Zusammenhang mit seiner Person ab.
Sie alle haben von einem gelernt: Jörg Haider, von 1986 bis 2000 Vorsitzender der FPÖ und dafür verantwortlich, dass die Partei mit Betonung ihrer rechten Schlagseite und viel, viel Populismus die Stimmen der Wähler:innen für sich gewinnen konnte. Er bezeichnete Österreich als „ideologische Missgeburt“. Über die hohe Arbeitslosigkeit in Kärnten schwadronierte er 1991 im dortigen Landtag: „Na, das hat’s im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt. Das muss man auch einmal sagen.“ Haider entschuldigte sich, no na, verlor aber vorübergehend sein Amt als Landeshauptmann.
Niemals vergessen - auch Provokationen der FPÖ nicht
Nichtsdestotrotz sprach er regelmäßig vor Veteranen der Waffen-SS bei deren Treffen am Ulrichsberg, beleidigte Politiker:innen, bediente sich antisemitischer Codes und war nicht der Heilige, zu dem er nach seinem Tod von seinen Anhänger:innen bis heute gemacht wird. Sein Geist weht bis heute über der FPÖ, da wirkt der Stuss, der von Kickl, Heinz-Christian Strache und Konsorten verzapft wird, fast harmlos. Aber eben nur fast, das dürfen wir nie vergessen. Niemals. Wer zündelt, kann auch einen Brand legen. Und wer arglos zu Protokoll gibt, sein letzter Schmöker sei „Mein Kampf“ gewesen, mag dumm und harmlos erscheinen, ist es aber nicht. Aufregen müssen wir uns immer noch. Immer wieder.