Kinder kriegen oder Alpakas züchten: Frauen können machen, was sie wollen

Frauen müssen keine Kinder haben. Und: sie dürfen Hausfrauen werden wollen. Oder Alpakazüchterinnen.
Hey, du. Ja, du. Wenn du das liest, lebst du mit großer Wahrscheinlichkeit in einem deutschsprachigen Land. Erstmal möchte ich dir dazu gratulieren. Ob Österreich, Deutschland oder die Schweiz: Wer hier lebt, lebt in einem der reichsten Länder der Welt, ohne Krieg, ohne verseuchte Wasserreservoirs, ohne Todesstrafe und so. Mit Anspruch auf Sozialleistungen, kranken- und pensionsversichert, you know, the whole deal. Privilegiert ist gar kein Ausdruck - Warum also lassen wir uns in unserer Lebensweise noch immer von veralteten Erwartungshaltungen einschränken?
Ich entscheide, wie ich lebe
Die leidige Diskussion über das Thema „Karriere und Kinder“ lauert einem als Frau immer wieder auf, sobald sich die Zwanziger dem Ende zuneigen. Auf einmal bröckelt die Fassade von „Ja, bist eh noch jung, hast ja eh noch Zeit“ und die Fratze der gesellschaftlichen Bevormundung kommt zum Vorschein. Erst letztens hatte ich wieder ein Gespräch, das mich unglaublich aufgeregt hat. „Ja eh, kannst dich ja eh noch umentscheiden. Aber vor 30 sollte man halt schon fertig sein mit seiner Familienplanung!“ Way to lose. Aus scheinbar immer noch aktuellem Anlass möchte ich hier mal eines klarstellen: Wir haben den Luxus in Österreich, selbst zu entscheiden, wie wir leben wollen. Im gesetzlich legalen Rahmen versteht sich. Das betrifft unsere Karriere, unsere Freunde, welches Auto wir fahren, unsere Finanzen und Newsflash: auch unseren Körper.
Mann, Haus, Kinder, Hund muss man sich leisten können und wollen
Das Idealbild “Ehemann, Haus, zwei Kinder, Hund” hat sich ins gesellschaftliche Billboard eingebrannt und verfolgt uns täglich sowohl auf Social Media und Netflix als auch in den Erwartungshaltungen unseres Umfelds. Dabei hat sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten rapide ausdifferenziert und besagtes Idealbild ist für viele finanziell und ressourcentechnisch längst nicht mehr in die Realität umsetzbar. Die Geburtenrate nimmt stetig ab, die meisten Frauen gehen arbeiten. 2020 lag die Erwerbstätigenquote der Frauen laut einer Erhebung der Statistik Austria bei 72,1 Prozent - nicht viel weniger also als die der Männer, mit 81 Prozent.
Das österreichische Gesundheitsministerium hat jetzt zudem die angeblich erste Kinderkostenstudie seit 1964 vorgelegt (Hat das wirklich so lange gedauert?) und das bestätigt, was eh schon irgendwie klar war: Kinder. sind. teuer. Laut Datenerhebungen der Statistik Austria im ersten Quartal 2021 kosten unter-14-Jährige monatlich rund 395 Euro, Kinder über 14 schon 659 Euro. Alleinerzieherinnen und -erzieher müssen im Durchschnitt sogar 900 Euro pro Monat für ein Kind aufwenden, weil sie trotz kleinerer Haushaltsgröße höhere Fixkosten haben und ihre Kinder eher älter sind. Ist dir schon schwindlig? Also mir schon.
Um es mit der „Äquivalenz-Zahl“ noch mal schön zusammen zu fassen: Zwei Erwachsene bräuchten bei einem Kind rund elf Prozent mehr Einkommen, bei zwei Kindern 23 Prozent. Ein:e Alleinerziehende:r bräuchte bei einem Kind sage und schreibe 43 Prozent mehr Einkommen, bei zwei Kindern 68 Prozent.
Wir verdienen zudem im Durchschnitt deutlich weniger als noch vor 25 Jahren, die Immobilienpreise jedoch sind in die Höhe geschossen. Das Haus oder die Eigentumswohnung, die sich viele unserer Eltern mit Anfang 30 locker leisten konnten, sind jetzt mit 1.400 Euro Netto Einstiegsgehalt nicht mehr denkbar.
Egal welche Entscheidung du triffst, es wird die richtige sein
Wir haben uns verändert, sowohl demographisch als auch in unserer Art, zu leben. Als Millennials und Gen Z sind wir digital Natives, genussorientiert und haben keine Angst davor, Spaß in den Vordergrund unseres Lebens zu stellen. Jeda ko mochn wos a wü - und ich bin dafür, dass wir diese Entwicklung ernst nehmen und bewusst neue Werte setzen, die unserer Generation gerecht werden.
Jede Frau hat die Freiheit, sich gegen Kinder zu entscheiden. Und wenn sie morgen doch plötzlich beschließt, ihren Uterus zur Erschaffung des Lebens zu benutzen, dann ist das auch ihre Sache. Wir sollten es Frauen nicht nur „verzeihen”, dass sie keine Kinder möchten - wir sollten es respektieren, genauso wie alle anderen Lifestyle-Choices.
Und: Jede Frau hat die Freiheit, sich für das Kinderkriegen zu entscheiden. Ob mit Karriere oder ohne. Auch das Hausfrausein (oder Hausmannsein) muss wieder normalisiert werden - Wenn jemand zu Hause bleiben möchte, um den ganzen Tag mit den Kindern zu verbringen, dann ist auch das eine persönliche Entscheidung, die die andern zu respektieren haben.
Niemand von uns sollte den Druck empfinden, sein ganzes Leben nach einem gesellschaftlichen Ideal ausrichten zu müssen. Und wer aus dem „Kind oder Karriere“ Karussell ganz aussteigen will, dem sei auch das frei überlassen. Um im Wald in einer Hütte mit fünfzig Katzen zu hausen. Oder irgendwo im nirgendwo Alpakazüchterin zu werden.