Chillt‘s einmal: Der Weltuntergang ist noch in weiter Ferne

Mimimimi: Ja genau, wir lieben es zu jammern und über das Ende der Welt zu philosophieren. Warum das faktisch aber nicht immer korrekt ist und wir uns ein bissl einreißen sollten, erfahrt hier.
Mein Kollege Christian hat kürzlich davon geschrieben, dass die Menschheit vorm Abgrund steht. Jo eh, das tut sie gefühlt schon seit Jahrzehnten. Stichwort ist hier das kleine aber feine Wörtchen „gefühlt“. Denn viele Krisen schlagen sich in der Wahrnehmung anders nieder, als sie es faktisch auch sind. Dieses Schwarzmalen liegt vor allem uns Österreicher:innen im Blut. An dieser Stelle möchte ich - mit freundlicher Unterstützung von Zukunftsforscher Daniel Dettling - nur ganz kurz darauf hinweisen, dass es nicht ganz so schlimm um uns steht.
Die eigene Bubble ist begrenzt
Wir Menschen sind gewohnheitsliebende, selektierende Lebewesen. Sprich: die meisten von uns leben in ihrer eigenen kleinen Bubble - wir treffen immer wieder dieselben Menschen, welche dieselben Denkmuster und Gefühlsebenen wie wir selbst verfolgen. Äußere Reize, die etwa über Social Media über uns hereinbrechen, werden oft so selektiert, sodass sie zu unserem Mindset passen. Und das ist bis zu einem gewissen Grad auch okay, denn nur so können wir in dieser komplexen Welt überleben, ohne verrückt zu werden.
Doch wenn wir diese zeitbegrenzte, sehr persönliche Bubble auf eine Metaebene legen und versuchen, damit die ganze Welt zu erklären - ohne dabei relevante Faktoren wie Geschichte, Wissenschaft, Recht etc. mitzudenken - wird‘s problematisch. Deshalb ist furchtbar wichtig, uns zu vernetzen und anderen Menschen, die sich in einem Gebiet besser auskennen, wieder mehr Vertrauen zu schenken.
Wie schlimm steht es faktisch wirklich um die Welt?
Zahlreiche Studien (zuletzt die amerikanisch-britische Studie „Nature Communications“) belegen, dass es der Menschheit besser geht als je zuvor. Die drei zentralen Indikatoren des menschlichen Fortschritts haben sich global - gesamtgesellschaftlich gesehen - enorm verbessert: Lebenserwartung, Bildung und Gesundheit. Weltweit hat sich der Anteil der in extremer Armut lebenden Menschen in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert. Fast 90 Prozent der Menschen haben Zugang zu Bildung und können lesen und schreiben. Die Mehrheit lebt heute in einer freien Demokratie mit geschützten Rechten - Terrorismus und Kriminalität gehen weltweit zurück. Auf lange Sicht gesehen, leben wir also in der besten aller möglichen Welten.
Die Wissenschaft begründet das mit dem Megatrugschluss
Auch die Wissenschaft belegt, dass unsere Bubble nicht ausreicht und wir die Welt somit falsch wahrnehmen. So hat der globale Ignoranz-Test der Gapminder Stiftung erst vor wenigen Jahren nachgewiesen, dass die große Mehrheit der Menschen viele globale Fortschritte bei der Reduzierung von Armut und Hunger falsch einschätzt.
Obwohl wir immer mehr wissen, entspricht unser eigenes Erleben selten der Realität. Ein weiterer Grund neben der Bubble ist aber auch unsere Neigung zum Denken in Gegensätzen - die Einteilung in zwei Gruppen wie Gut und Böse, Arm und Reich, Alt und Jung reicht bezogen auf die Fülle der Information, die auf unserem Planeten bereits existiert, nicht mehr aus. Das führt zu Megatrugschlüssen.
War früher alles besser?
Wer in den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgewachsen ist, müsste nach Wahrnehmungseinschätzungen heute als 40- oder 50-Jähriger längst tot sein. Doch obwohl die damaligen Krisen wie das nukleare Wettrüsten, das Waldsterben, die Tschernobyl-Katastrophe und Aufkommen von AIDS auch nicht gerade leiwand waren, blieben die großen Katastrophen aus. Auch damals waren Sätze wie „es ist unverantwortlich heutzutage noch Kinder in die Welt zu setzen“ keine Seltenheit. Die Geburtenrate sank auch damals für einige Jahre ab.
Nur durch Rückschläge gibt es Fortschritt
Und warum leben die meisten 40- und 50-Jährigen trotzdem heute noch? Laut Zukunftsforscher Daniel Dettling deshalb, weil Menschen Zukunftswesen sind und aus der Vergangenheit lernen. „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass wir über uns hinauswachsen können und, dass vieles möglich ist, weil wir es wollen - und weil wir es können“, so Dettling. Die Krux an der Sache ist, dass wir bereit sein müssen, uns selbst im Inneren verändern zu wollen.
Das können vorübergehend auch Abstriche sein, die wir da machen müssen, um im Ganzen zu triumphieren - was bspw. auch erklärt, warum wir hinsichtlich der Klimakrise so struggeln. Auch das kreative Scheitern und der Mut zur Zuversicht seien wichtig, denn ohne Fehler gebe es keinen Fortschritt und somit kein besseres Leben. Wir müssen uns also nur entscheiden, welches Game wir in Zukunft spielen wollen und ob dabei möglichst alle gewinnen sollen. Die Moral von der Geschicht: Weniger jammern und die gewonnen Zeit nutzen, um sich wirklich für das Wohl aller verändern zu wollen.