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Die Auflösung von Russkaja ist bitter, aber genau der richtige Schritt

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Von: Christian Kisler

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Die Band Russkaja bei einem Auftritt
Russkaja gibt es nicht mehr, eine weise Entscheidung. © Clemens Niehaus/Action Press/APA-PictureDesk/BuzzFeed Austria

Die Band Russkaja hat ihre Auflösung bekannt gegeben. Ihr Konzept würde wegen des Kriegs in der Ukraine nicht mehr tragen. Die einzig richtige Entscheidung.

Seit bald einem Jahr tobt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, ein baldiges Ende ist nicht in Sicht. Daran werden auch die Panzerlieferungen aus Deutschland, Großbritannien und den USA so schnell nichts ändern. Der von Wladimir Putin eingeleitete Überfall hat sich auf so viele Bereiche niedergeschlagen, die unser aller Leben nachhaltig verändert hat. Du brauchst nur auf deine Strom- und Gasrechnung schauen oder in den Supermarkt gehen und für manches abartig hohe Preise zahlen müssen.

Bald auf den Beginn der russischen Invasion folgten große Benefizkonzerte, nicht ohne Grund: Bis Jänner 2023 sind über 18 Millionen Ukrainer:innen aus ihrem Land geflohen, 72.000 davon sind in Österreich angekommen, 70 Prozent davon Frauen. Soweit die nackten Tatsachen.

Russische Symbolik hat einen bitteren Beigeschmack

Russische Symbolik hat damit einen bitteren Beigeschmack bekommen. Das musste auch die überaus beliebte Band Russkaja am eigenen Leib spüren. Dem eigenen Vernehmen nach war sie seit Kriegsbeginn tagtäglich mit Hasskommentaren und regelrechten Shitstorms konfrontiert, Russkaja selbst zufolge wurden sie gar als „russische Terroristen“ bezeichnet. Auch wenn seit Beginn des Krieges jedes Konzert mit der Textzeile „Hey Moscow - let‘s stop this fucking war!“ begonnen hat. Also: „Hey Moskau, beende diesen beschissenen Krieg!“

Gegründet wurde Russkaja 2005 von Georgij Alexandrowitsch Makazaria, der vor über 30 Jahren aus Russland nach Österreich gekommen ist. Von Anfang an stammten die Mitglieder Russkajas, was auf Deutsch soviel wie „Russisch“ heißt, aus allen möglichen Nationen. Bassist Dimitrij Miller ist etwa Ukrainer. Jetzt hat sich die Band nach 18 Jahren dazu entschlossen, es gut sein zu lassen.

In einer ausführlichen Meldung auf Facebook schrieb sie vom „traurigsten Tag der Bandgeschichte“. Der Krieg in der Ukraine mache es unmöglich, „mit einem Image und Style weiterzumachen, die sich auf satirische Art und Weise der Sowiet-Thematik und -Sprache bedienen“.

Was vor dem 24. Februar 2022 noch lustige Satire in der Musik war, ist jetzt nur noch tragisch mit einem sehr bitteren Beigeschmack. Und die Bandmitglieder können nicht mehr auf die Bühne gehen, ohne diese Tragik in jeder Note und jedem Wort zu spüren. Jede Textzeile hat mittlerweile eine völlig andere Bedeutung bekommen und niemand in dieser Band will etwas repräsentieren, das in Zeiten wie diesen ausschließlich mit Krieg, Tod, Verbrechen und Blutvergießen assoziiert wird.

Russkaja auf Facebook am 4. Februar 2023

Genau das ist auch die einzig vernünftige Begründung, die Band aufzulösen, auch wenn Existenzen daran hängen. Nicht etwaige Hasskommentare auf Social Media, damit müssen Kulturschaffende heutzutage umzugehen lernen. Beleidigende Meldungen haben sich auch schon My Ugly Clementine, Bilderbuch und Wanda anhören müssen. Je mehr Fans du hast, je bekannter du bist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Trolle und Deppen deine Postings gehässig kommentieren. Dagegen kannst du vorgehen, deswegen löst du keine Band auf. Es sei denn, ein Shitstorm ist, warum auch immer, berechtigt.

Sowiet-Satire funktioniert nicht mehr

Das mit der Sowjet-Symbolik ist etwas anderes. Sie funktioniert als Satire einfach nicht mehr. Dabei hat die Band auch gezeigt, dass es anders geht. In der Sendung „Willkommen Österreich“, in der Russkaja seit 2007 als Hausband tätig sind, war im Juni 2022 auch Lidia Baich zu Gast, eine in Russland geborene österreichische Violinistin von Weltruf. Zum Schluss gab sie gemeinsam mit Russkaja das Antikriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind“. Gregorij Makazaria erhob seine Stimme fast zärtlich, anstatt wie gewohnt das Brülltier zu geben. Ein berührender Moment.

Das wäre auch ein perfekter Schlusspunkt gewesen und ein treffender Beleg dafür, wofür Russkaja eigenen Aussagen zufolge stehen: Frieden, Diversität und Zusammenhalt. Auch wenn ich persönlich wenig mit dieser Band anfangen habe können, so waren sie eine willkommene Abwechslung in der österreichischen Musiklandschaft, die bis heute von Austropop geprägt ist. Immerhin: Als Hausband für „Willkomen Österreich“ werden sie in neuer Form erhalten bleiben, und zum Abschied gibt es mit „Turbo Polka Party“ ein letztes Album. In diesem Sinne: Lebe wohl, Russkaja.

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