Frauenkampftag: Wir wollen keine Blumen, wir wollen Taten

Internationaler Frauenkampftag heißt Blümchen und „Girlpower“-Instagram-Postings. Doch Frauen brauchen mehr als ein paar warme Worte.
Stell dir vor, jemand schlägt dir aufs Bein. Es ist gebrochen. Dein Arzt macht ein Röntgenbild. Er zeigt sich betroffen - und verschwindet dann. Am nächsten Tag kommt eine Ärztin, vielleicht sogar ein paar Pfleger:innen dazu. Auch sie machen ein Röntgenbild. Auch sie beklagen deine Verletzung - tun aber nichts. Stell dir vor, das ginge so über Jahre. So fühlt es sich an, eine Frau in Österreich zu sein - vor allem am 8. März.
Die Wiener Linien benennen für den Weltfrauentag die Haltestelle Herrengasse in Frauengasse um. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) will mehr Frauen in Uniform sehen. Politiker:innen verteilen Blumen an Passantinnen. Es scheint: Der internationale Frauentag ist vor allem ein Feiertag für Symbolpolitik. Als müsste man nur einmal genug Awareness für Frauenthemen schaffen und alle Ungleichbehandlung wäre schon am 9. März Geschichte.
Armut, Gewalt, Geringschätzung: Frauen sind in Österreich nicht gleichberechtigt
In der Realität sind Frauen in 2023 in Österreich nicht gleichberechtigt. Branchen, in denen vor allem Frauen arbeiten, werden im Schnitt immer noch schlechter bezahlt als klassische Männer-Berufe. Es sind Frauen, die im Privatleben immer noch mehr Care-Arbeit, also Kümmerarbeit, übernehmen. Haben Paare Kinder, sind es fast immer Frauen, die danach ihre Arbeitszeit reduzieren - und im Alter deshalb deutlich niedrigere Pensionen erhalten. 2022 haben die Autonomen Frauenhäuser 30 Fälle von mutmaßlichen Femiziden beziehungsweise mutmaßlichen Mordversuchen in Österreich gezählt.
Geringschätzung, Armut, Gewalt: Frausein in Österreich ist hart. Das ist keine neue Erkenntnis. Die Frauenbewegung in Österreich kämpft dagegen seit Jahrzehnten an. Gefühlt täglich erscheinen neue Studien und Untersuchungen, die Diskriminierung in Zahlen und Fakten greifbar machen. Und dennoch tun am 8. März alle so, als müsste man erst mal auf die Missstände aufmerksam machen.
Nur Maßnahmen ermöglichen Verbesserung
Doch Frauen verdienen mehr. Sie verdienen es, dass ihre Probleme gelöst werden, statt nur für die Profilierung von Unternehmen und Politiker:innen ausgenutzt zu werden. Wenn die Wiener Linien die Frauengasse anfahren, sollten sie sich auch fragen, wie viele Frauen im Unternehmen aufs Abstellgleis geschoben werden, weil Arbeitszeiten wenig familienfreundlich sind - oder welche Schritte das Unternehmen setzen will, damit genau das nicht passiert. Wenn Tanner mehr Frauen in Uniform möchte, sollte sie gleichzeitig konkrete Maßnahmen ankündigen, wie sie Frauen im Bundesheer halten will. Wenn Politiker:innen Blümchen in die Hand drücken, sollten diese besser in Zusagen für hochqualitative Kinderbetreuungsplätze gewickelt sein.
Mit der Unterdrückung von Frauen ist es wie mit einem gebrochenen Bein: Natürlich ist es leichter für Umstehende, Verletzten ein paar warme Worte zu schenken und dann weiterzumachen wie bisher. Doch eine Heilung ist nur möglich, wenn endlich Maßnahmen ergriffen werden - auch wenn sie anfangs vielleicht unbequem sind.
Den internationalen Frauenkampftag, wie der heutige Tag auch genannt wird, gibt es übrigens schon seit 1921. Wir haben junge Österreicher:innen gefragt, wieso es 101 Jahre später immer noch wichtig oder notwendig ist, dass es diesen Tag gibt.