Warum wir von „gebärenden Personen“ statt von „Müttern“ reden sollten

MEINUNG
Die Tagesschau schreibt „gebärende Personen“ und die Bild schreit laut auf. Doch es ist diskriminierend, nur von „Müttern“ und „Frauen“ zu sprechen.
In einem Artikel der Tagesschau über einen Gesetzesentwurf des Bundesfamilienministeriums verwendeten die Autorinnen den Begriff „gebärdende Personen“ und „entbindende Person“. In der Bild und auf Twitter traf die Formulierung auf Unverständnis und Kritik.
Die Tagesschau ersetzte die Begriffe später wieder durch „Mutter“ – mit der Begründung, dass dieser zu Missverständnissen geführt habe. Dabei ist es nicht nur sinnvoll, sondern auch wichtig, dass wir manchmal von „gebärenden Personen“ sprechen.
„Gebärende Personen“ bezeichnet die Person, die das Kind gebärt. Das können Frauen sein, aber auch manche nicht-binäre, agender, inter, genderfluide oder trans*Personen. Dasselbe gilt für den Begriff „Menschen mit Uterus“, der alle Menschen beschreibt, die einen Uterus haben – und das sind eben nicht nur Frauen.
Auf Twitter änderte die Tagesschau vor Kurzem bereits einen anderen Kommentar, nachdem eine Diskussion entbrannt war.
Der Tenor auf Twitter: „Wir sind Frauen, keine Menschen mit Uterus“
Das ist nicht das erste Mal, dass sich gegen alternative Begriffe für „Mutter“ Widerstand zeigt. profamilia twitterte im vergangenen Jahr von „Menschen mit Uterus“ statt von „Frauen“. „Menschen mit Uterus“ bezeichnet alle Menschen, die einen Uterus besitzen. In den Kommentaren störten sich einige Userinnen an dem Begriff. Einige weibliche Twitter-Userinnen fühlten sich angegriffen. Der Tenor lautete: „Wir sind Frauen, keine Menschen mit Uterus“.
Userin @wifeofanagyp schrieb etwa, dass Frauen nicht auf ihre Körperteile „reduziert“ werden wollen:
Mütter bleiben Mütter, auch wenn wir ab und zu von „gebärenden Personen“ sprechen
Wer das so sieht, versteht meiner Meinung nach allerdings etwas falsch. Er geht davon aus, dass der Begriff „Menschen mit Uterus“ synonym für „Frauen“ verwendet wird und empfindet es deshalb als diskriminierend, dass Frauen auf ihren Uterus reduziert werden. Statt als weiblich würden sie nur als Körperteil oder Körperfunktion angesehen. Dabei bezeichnet „Menschen mit Uterus“ eben nicht nur „Frauen“, sondern alle Personen, die eine Uterus haben.
Es stimmt nicht, dass „Mensch mit Uterus“ den Begriff der „Frau“ ersetzen soll. In einem Zusammenhang, in dem es nur um Frauen geht, wird weiterhin natürlich der Begriff „Frau“ genutzt. Es ist genauso falsch, dass „gebärende Person“ den Begriff „Mutter“ oder „schwangere Frau“ ersetzen soll. Nur weil es in manchen Kontexten Sinn macht, von „gebärenden Personen“ zu sprechen, bleiben Mütter weiterhin Mütter.
Nicht-binäre, agender, intersexuelle, genderfluide, trans* Personen haben auch einen Uterus
Der Uterus ist ein Geschlechtsorgan. Es kann dafür zuständig sein, dass sich dort eine Eizelle einnistet und außerdem für die Menstruation sorgen. Nicht immer sind diese Funktionen intakt.
Die Mehrheit der Personen, die einen Uterus haben, sind Frauen. Das sind aber längst nicht alle. Biologisch ist es möglich, dass andere Personengruppen ebenfalls das Organ besitzen. Es gibt nicht-binäre, agender, intersexuelle, genderfluide, trans* Personen und Männer mit Uterus. Würde profamilia im Tweet nur von „Frauen“ sprechen, würden sie diese Personengruppen ausschließen. Folglich würde sich die Organisation diskriminierend verhalten, wenn sie von „Menschen mit Uterus“ schreibt, bezieht sie alle Personen mit ein und übersieht niemanden.
Wenn die Tagesschau „gebärende Personen“ schreibt, bezieht sie alle Menschen mit ein, die gebären können. Das sind nicht nur Frauen, sondern auch manche Menschen, die sich nicht als Frau fühlen. Tut die Tagesschau das nicht, schließt sie diese Personen aus. In dem Artikel der Tagesschau geht es um den Gesetzesentwurf der Familienministerin Paus, nach dem die Partner:in der gebärenden Person nach der Geburt für zwei Wochen freigestellt wird. Je nachdem welche Formulierung man wählt, gilt das Gesetz nur für Partner:innen von Müttern oder für alle Partner:innen von gebärenden Personen?
Gendersensible Sprache wie „gebärende Personen“ würdigt Personen jeden Geschlechts
„Gebärende Personen“ und „Menschen mit Uterus“ sind gendersensible Begriffe. Gendersensibel sein bedeutet, Personen nicht aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren. Dazu gehört auch, jede Person mit dem richtigen Pronomen anzusprechen.
Für nonbinäre Personen gibt es in den USA das Pronomen „they“. Im Deutschen wird über Neopronomen noch diskutiert. Gendersensible Sprache ist gerecht. Sie versucht, alle Menschen gleichwertig anzusprechen. Deshalb ist es paradox, dass profamilia ihre Formulierung als „entmenschlichend“ oder „würdelos“ ausgelegt wurde:
Als weniger entwürdigende Bezeichnung für Frauen nennt Twitter-Nutzerin @MissChocoSugar „girls“. Aus feministischer Perspektive ist gerade dieser Begriff erniedrigend. Frauen werden damit verniedlicht.
Schwanger werden können alle gebärenden Personen
Wann ist es wichtig, nicht nur von Frauen zu sprechen? Wer einen Uterus besitzt, gehört in der Regel zu den Menschen, die menstruieren. In einem Beitrag über Zyklus-Apps etwa ist es sinnvoll, über „Menschen mit Uterus“ zu sprechen. Dasselbe gilt für andere Nachrichten oder wissenschaftliche Texte über Menstruation. Außerdem können einige Personen mit Uterus ein Kind bekommen. Aus diesem Grund wäre es falsch, in einem Artikel über das Thema Geburt nur von Frauen zu sprechen und nicht auch von gebärenden Personen. Von Abtreibungen sind beispielsweise auch trans*Männer betroffen.
Wichtige gesundheitliche Hinweise oder Tipps über Menstruation oder Schwangerschaft gelten nicht nur für Frauen – sondern für alle gebärenden Personen. Werden die entsprechenden Personen nicht adressiert, erhalten sie diese womöglich nicht. Das kann eine schlechtere gesundheitliche Versorgung zur Folge haben. Andersherum sind Informationen, die den Uterus betreffen, nicht relevant für Frauen, die keinen haben. Auf viele trans*Frauen trifft das beispielsweise nicht zu. Wenn man nur „Frauen“ schreibt, verhält man sich nicht nur ungenau, sondern auch diskriminierend. Man setzt voraus, dass jede Frauen einen Uterus besitzt.
Der Tweet von Profamilia ist ein positives Beispiel. Der Verein bietet Beratungen zu Sexualität, Schwangerschaft und Partnerschaft an. Es ist gesellschaftlich notwendig, dass die Organisation alle Menschen mit Uterus zu den Themen berät – und nicht nur Frauen.
Alternative Begriffe zu „Frau“ und „Mutter“
Jeder:r, der das Organ besitzt: Mensch mit Uterus
Person, die ihre Periode bekommen kann: Menstruierende Personen
Schwangere Person/ Person, die das Kind zur Welt bringt: Gebärende Person
Personen, die Kinder bekommen können: Gebärfähige Person
Achtung! Personen mit Gebärmutter diskriminiert gebärfähige Menschen, die nicht weiblich sind. Denn der darin steckende Begriff „Mutter“ erweckt den Anschein, dass es sich um eine Frau handeln muss.
Nur „Frau“ oder „Mutter“ zu schreiben diskriminiert trans*, inter und nonbinäre Personen
trans*, intersexuelle und nonbinäre Personen haben stark mit Diskriminierung zu kämpfen. Besonders im Netz nimmt die Hetze gegen queere Menschen zu. Wenn wir „Menschen mit Uterus“ oder „gebärende Personen“ schreiben, dann schließen wir diese Personen mit ein. Wir tragen dazu bei, dass sie weniger diskriminiert und gesellschaftlich akzeptierter werden.
Es ist wichtig, dass Organisationen wie profamilia oder Nachrichtenseiten wie die Tagesschau weiter offen gendersensibel schreiben. Selbst wenn daraufhin eine wütende Debatte entsteht, hat sie doch etwas Gutes: Die Menschen wurden sichtbar gemacht.
Die Debatte über gendersensible Sprache ist nicht neu. Auf Twitter sprechen sich Nutzer:innen immer wieder offensiv gegen das Gendern aus. Oft machen sich die Gender-Gegener:innen mit ihren Tweets aber ziemlich lächerlich.