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Sozialbetreuer in Asyllager: „Wir kämpfen mit Personalmangel und Krankenständen“

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Von: Johannes Pressler

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Montage von zwei Zelten in einem Asylquartier, davor der Schriftzug „Das ist reine Sisyphusarbeit“.
So fühle sich sein Job an, erzählt ein Sozialbetreuer in einem Asyllager gegenüber BuzzFeed Austria. © Daniel Scharinger/APA-PictureDesk/BuzzFeed Austria

Versinkt das österreichische Asylsystem im Chaos? Ein Sozialbetreuer, mitten im Geschehen, berichtet von der aktuellen Lage.

25 zusätzliche Zelte. So viele wurden seit Montag (17. Oktober) österreichweit in den Quartieren für Asylwerbende und Geflüchtete aufgestellt. Der Streit zwischen der Bundesregierung und den Ländern scheint sich zuzuspitzen. Aus dem von der SPÖ regierten Burgenland heißt es sogar, dass die Pläne von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ein „Totalversagen“ sein würden. Weitaus weniger wird darüber berichtet, wie es jenen Menschen geht, die von der kritischen Lage direkt vor Ort selbst betroffen sind.

Ein Sozialbetreuer eines österreichischen Quartiers, der dort als Freizeit- und Lernpädagoge arbeitet, spricht mit BuzzFeed Austria exklusiv darüber, wie es in einem Camp für geflüchtete Menschen derzeit zugeht. Aufgrund einer Verschwiegenheitsklausel im Dienstvertrag möchte der Mann anonym bleiben. In seinem Lager würden zwar noch keine Zelte stehen, nichtsdestotrotz herrsche dort nicht nur starker Personalmangel, sondern sogar der Job an sich sei aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen gefährlich.

Seit Montag stehen in manchen Quartieren die ersten Zelte, weil es sonst nicht mehr genug Platz für die geflüchteten Menschen gäbe. Wie ist die derzeitige Situation in dem Lager, in dem Sie arbeiten?

Bei uns ist das so, dass sich unsere Maximalkapazität um 50 Plätze erhöht hat. Wobei wir selbst nicht gewusst haben, dass das überhaupt möglich ist. Mit den Notbetten - das sind diese einfachen Klappbetten - wurden Plätze aus dem Nichts „geschaffen“.

Sogar der Begriff „Quartierkrise“ ist bereits gefallen. Ist es mittlerweile so schlimm?

Zu hundert Prozent. Kennen Sie das Gefühl, dass man am Ende ist und nicht mehr glaubt, dass man es einen weiteren Tag aushält? Monate vergehen und tagtäglich verschlechtert sich die Lage. Wir kämpfen mit Personalmangel und Krankenständen. Die Geflüchteten bringen teils Krankheiten mit sich und müssen dadurch in Quarantäne. Diese Situation ist für uns Sozialbetreuer:innen sehr herausfordernd. Dazu kommen noch Platzmangel und psychischer Stress. Es wird immer mehr. Wir arbeiten nach dem Motto: „Wir können es nicht besser machen, aber wir müssen schauen, dass es nicht schlimmer wird.“

Welche Anweisungen bekommen Sie von den Vorgesetzten?

Unsere Arbeit sei gewissenhaft und mit Ruhe zu machen. Motivierend ist so eine Ansage nicht wirklich. Ich weiß genau, wie stressig die Arbeit sein kann, möchte daher auch nicht mit dem Finger zeigen, nur werden in manchen Einrichtungen Fehler gemacht, die wir dann spontan im Camp lösen müssen - wobei wir dafür gar nicht geschult sind. Derzeit kämpfen wir für eine Gefahrenzulage. Ein Nachtdienst alleine mit 400 Menschen ist meiner Meinung nach nämlich nicht sicher.

Gefahrenzulage

Darunter versteht man eine zusätzliche Entlohnung, da der Job der Mitarbeiter:innen mit einer erhöhten Gefahr verbunden ist.

Wie geht es den geflüchteten Menschen? Bekommen sie die nötige Betreuung, die Ihnen eigentlich zustehen würde?

Das große Wort ist hier „Grundversorgung“. Dieser Begriff ist aber immer Auslegungssache. Die Geflüchteten bekommen ein Dach über den Kopf, drei Mahlzeiten pro Tag, ärztliche Versorgung und einen Schlafplatz. Die Qualität dieser Dinge lässt aber zu wünschen übrig. Die Betreuung für die Menschen wird dabei hinten angestellt, da die Arbeit an sich (Essensausgabe, Betten aufstellen, Bürokratie, etc.) im Vordergrund steht. Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, aber die eigentliche „soziale“ Arbeit geht dabei verloren.

Bereits nach der Ankunft der ersten Geflüchteten aus der Ukraine haben Sie uns gesagt, dass „mit den Menschen Tetris gespielt“ werden würde. Was hat sich seitdem geändert?

Nicht wirklich etwas. Man muss immer nacharbeiten und wenn man glaubt, dass man mit einer Aufgabe fertig ist, kommen schon wieder drei neue. Das ist eine reine Sisyphusarbeit. Wir alle versuchen, die Nerven zu behalten und trotzdem ein Lächeln im Gesicht zu tragen, um den geflüchteten Menschen ein willkommenes Gefühl zu überliefern. Immerhin sind das Menschen in Not. Wenn ich nur einen Geflüchteten zum Lachen bringe und er für nur einen Moment das ganze Chaos vergessen kann, habe ich etwas Gutes getan.

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