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TikToker erklärt, warum man „Mohrenapotheken“ nicht umbennen sollte

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Von: Jana Stäbener

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Sollte man „Mohrenapotheken“ umbenennen? Nein, findet der Schwarze TikToker Jose Velli. Er erklärt BuzzFeed News, warum nicht.

Immer wieder diskutieren wir in Deutschland und Österreich darüber, ob Begriffe wie „Mohrenapotheke“ angebracht sind. In Frankfurt verurteilten Stadtverordnete das N-Wort und den Begriff „Mohr“ und stellten im März 2022 einen Antrag, künftig mit Schildern auf rassistische Begriffe im Stadtbild hinzuweisen. In „drastischen Fällen“ komme auch eine Umbenennung in Betracht, sagte Emre Telyakar (Grüne) damals. Der Student und TikToker Jose Velli, selbst Teil der BIPOC-Community, erklärt BuzzFeed News DE, warum er eine Umbenennung schade fände.

„Mohrenapotheken“ umbenennen: Ja oder Nein?

Am 13. Dezember postet Velli ein TikTok (siehe unten), in dem er sich dagegen ausspricht, „Mohrenapotheken“ umzubenennen, „weil sie eine vergessene Geschichte dokumentieren“. Wie die TikTokerin Charity Ekezie räumt er auf TikTok mit rassistischen Klischees auf und bezeichnet sich dort als „African Schoolar“. Etwa 60.000 Menschen folgen dem 26-jährigen Studenten (Studienfach Kommunikation) bereits.

Mit seiner Meinung – so wirkt es jedenfalls – steht Velli in deutschsprachigen Medien so ziemlich alleine da. Auch wir von BuzzFeed AT haben in der Vergangenheit darüber berichtet, warum der Begriff „Mohr“ problematisch ist. So zum Beispiel über die Firma „Mohrenbräu“, die nach Rassismus-Vorwürfen das Logo erneuert, ohne es wirklich zu ändern.

Velli weiß das. Er stimmt Schwarzen Aktivist:innen auch zu, dass man mit dem Begriff „Mohr“ keine Lebensmittel, Marken oder Menschengruppen bezeichnen sollte. „Aber bei Apotheken reden wir von Institutionen, bei denen manche schon vor der Zeit des Kolonialismus so hießen“, sagt er BuzzFeed News DE. Tatsächlich steht die Pharmaziegeschichte laut Pharmazeutischer Zeitung hier vor vielen offenen Fragen – man weiß nicht, warum „Mohrenapotheken“ so heißen, wie sie heißen.

„Mohr“ zu verbieten ist „schade, denn dann geht so viel Geschichte verloren“

Und doch: „Viele, gerade auch Menschen aus der Black Community sagen einfach: Das muss weg, muss weg, muss weg. Ihnen ist aber nicht bewusst, dass sie damit den geschichtlichen Kontext komplett herausnehmen“, so Velli. Der Begriff „Mohr“ habe mit dem Kolonialismus eindeutige negative Konnotationen bekommen. Doch davor sei er eine eher neutrale Fremdbezeichnung gewesen, die vom Wort „Maurus“ abstamme. „Maurus“ ist Latein und bezeichnet einen Mensch aus Mauretanien, damals eine Region, heute ein Land in Nordafrika.

In seinem TikTok nimmt Velli besonders auf den „Heiligen Mauritius“ Bezug. Eine Sandsteinskulptur, die etwa um 1240/50 am Magdeburger Dom entstand. Sie stellt einen ansehnlichen Schwarzen Krieger dar und zeigt laut Black Central European Studies Network (BCESN), dass es damals eine mittelalterliche Darstellung von Schwarzen Menschen gab, die „negative Stereotypen anfocht und stattdessen auf den christlichen Egalitarismus bestand, der jegliche Farbunterschiede überwand“. Velli zeigt in seinem TikTok Gemälde von Schwarzen Menschen im Mittelalter, um dies zu unterstreichen.

Die zweite Abstammung des Wortes, die viele im griechischen „moros“ (deutsch: töricht, dumm) sehen, bezweifelt er. Aber selbst wenn sie stimmen sollte, so sollte man doch lieber über die vielschichtige Herkunft des Wortes diskutieren, als den Begriff nur loszuwerden, sagt der 26-Jährige zu BuzzFeed News DE. „Das wäre so schade, denn dann geht so viel Geschichte verloren.“ Schwarze europäische Geschichte vor dem 15. Jahrhundert, die ganz anders war, als die Zeit des Kolonialismus.

Mehr zum Thema Rassismus: Rassistisches Spielzeug: Woran man es erkennt und was Eltern beachten können.

Der Schwarze TikToker @jose.Velli klärt über Schwarze Geschichte im Mittelalter auf und findet, man sollte beim Wort „Mohr“ beide Herkünfte beleuchten.
Der TikToker @jose.Velli klärt über Schwarze Geschichte im Mittelalter auf und findet, man sollte beim Wort „Mohr“ beide Herkünfte beleuchten. © CHROMORANGE/IMAGO/Screenshot TikTok @jose.Velli

„Die Menschen wollen eben nichts Falsches sagen, und das ist auch gut so“

Velli ist es ein Bedürfnis, dass diese Geschichte nicht verloren geht. Er selbst ging auf eine afrikanisch internationale Schule in den Niederlanden und hat deswegen mehr über die Vergangenheit Schwarzer Menschen in Europa gelernt, als es viele BIPOC-Menschen in Deutschland tun. Der Kommunikations-Student spricht Französisch, Spanisch, Italienisch, Deutsch, Englisch, Niederländisch und mehrere afrikanische Sprachen. „So fällt es mir natürlich auch leichter, verschiedene Quellen zu lesen. Dadurch habe ich mehr Kontext“, sagt Velli.

Wir von BuzzFeed News DE fragen ihn, warum er glaubt, wir versteifen uns in Deutschland so sehr auf das „muss weg“. Seine Antwort: „Die Menschen wollen eben nichts Falsches sagen, und das ist auch gut so. Wir haben in Deutschland ja auch eine sensible Vergangenheit. Aber wir sollten uns bewusst sein, dass es einfacher ist, ein Wort zu verbannen, als dessen komplexe Geschichte wirklich aufzuarbeiten.“ Ähnlich geht es der Schwarzen Beauty-Expertin Maimouna Jahe beim Thema Dreadlocks und kulturelle Aneignung, über deren Herkunft einfach zu wenige Leute Bescheid wissen.

Er findet es natürlich wichtig, über Kolonialismus zu sprechen, zu reflektieren und rassistische Traditionen nicht zu dulden, wie es die österreichische Black Community nennt. „Aber beim Wort ‚Mohr‘ schießen wir über das Ziel heraus, weil auf Kosten der politischen Korrektheit Schwarze Geschichte verloren geht.“ Länder wie Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande seien hier schon einen Schritt weiter und ließen nicht so viel Kontext aus. „Da müssen wir in Deutschland auch hinkommen“, findet Velli.

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