Taliban: Auferstanden aus der Vertreibung
Die Taliban sind seit August 2021 wieder führende Macht in Afghanistan. Doch bereits in den 1990er Jahren sorgte die Terrorbewegung für Gewalt und Unterdrückung.
Ihre Anfänge haben die Taliban in den frühen 1990er Jahren, gebildet aus paschtunisch-afghanischen Geflüchteten und Kriegsveteranen aus der Zeit der sowjetischen Besatzung. Gemeinsam organisieren sie sich und kehren aus Pakistan nach Afghanistan zurück. Als die Sowjetunion 1979 in Afghanistan einmarschiert, flüchten nämlich viele Afghan:innen ins südliche Nachbarland.
Rund zehn Jahre später wieder in Afghanistan wird die Taliban ein Mittel für die Außenpolitik Pakistans, um sich in die chaotischen Geschehnisse in Kabul, der afghanischen Hauptstadt, einzumischen und eine pro-pakistanische Regierung an die Macht zu befördern. Die Menschen in Afghanistan sind müde vom mittlerweile rund 15 Jahre langen Bürgerkrieg, die Taliban versprechen Ruhe und Ordnung. Ab 1994 beginnt daher der schrittweise Aufstieg der Bewegung, eine afghanische Region nach der anderen wird relativ einfach eingenommen. Bis zum vollständigen Durchbruch im Jahr 1996. Weite Teile des Landes inklusive Kabul sind nun in den Händen der Taliban. Das Islamische Emirat Afghanistan wird ausgerufen.

Verbot, Überwachung und Unterdrückung: Taliban an der Macht
Die Taliban sind ab 1996 an der Macht. Was folgt, ist eine Regierung geprägt von einem autoritären, ja sogar totalitären Führungsstil. An der Spitze steht Mulla Mohammed Omar, der sich selbst als „Beherrscher der Gläubigen“ bezeichnet. Oppositionelle Bewegungen werden unterdrückt, ähnliches gilt für die Bevölkerung. An oberster Stelle stehen für die Taliban die Einführung und Durchsetzung der Scharia.
Die Scharia ist kein kodifiziertes Gesetzeswerk. Es gibt kein Buch, auf dem „Scharia“ steht und in dem in einzelnen Paragraphen Recht festgeschrieben ist. Bei der Scharia handelt es sich vielmehr um ein Konglomerat von Rechtsvorschriften, die aus der islamischen Überlieferung von Koran und Sunna abgeleitet werden. Das Recht basiert also auf der Auslegung einer als göttlich betrachteten Offenbarung.
Ge- und Verbote sind nun an der Tagesordnung. Bartpflicht für Männer, Freizeitbeschäftigungen wie Sport, Musik oder Fernsehen gehören der Vergangenheit an. Kontrolliert wird das Ganze von einer neu eingerichteten Religionspolizei nach saudi-arabischem Vorbild. Gedroht wird mit Prügelstrafen, Auspeitschung und sogar Gefängnis. Am stärksten betroffen sind die Frauen in Afghanistan, die aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Mädchenschulen bleiben geschlossen und Frauen dürfen auch nicht mehr arbeiten.
Die einzigen außenpolitischen Unterstützer des Islamischen Emirat Afghanistans sind Pakistan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Gegenzug erhalten unter anderem auch arabische Jihadisten die Erlaubnis, auf afghanischem Boden an ihren Terrortaktiken zu arbeiten. Dieser „Deal“ sollte sich später allerdings als großer Fehler erweisen, denn in einem dieser Terror-Camps befindet sich auch eine Gruppe namens al-Kaida, angeführt von Osama bin Laden.
Der 11. September und die Taliban im Exil
Erst durch die Förderung der Taliban wird al-Kaida zu einer so starken Terrororganisation, um die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA ausführen zu können. Auf den Gegenangrifff der US-Regierung sind die Taliban nicht vorbereitet und flüchten nach Pakistan, um von dort aus in den folgenden Jahren immer wieder terroristische Nadelstiche gegen das US-Militär und seine Verbündeten zu setzen.

Nach dem Vorbild der Aufständischen im Irak wechseln ab 2005 auch die Taliban ihre Taktik. Immer mehr Selbstmordattentäter kommen zum Einsatz, zusammen mit ihrer Propaganda nach außen gewinnt der Aufstand der Taliban an Stärke. 2006 verfünffacht sich sogar noch die Anzahl an Selbstmordattentaten im Vergleich zu 2005, die meisten Opfer kommen aus der Zivilbevölkerung. Von den ehemaligen Versprechungen, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, kann nicht mehr die Rede sein.
Zurück an die Macht – die Taliban heute
Auch in den 2010er Jahren erlebt Afghanistan durch die Taliban viel Leid. Laut der afghanischen Regierung sterben zwischen 2014 und 2019 rund 45.000 Soldaten im Kampf gegen die Taliban, zwischen 2016 und 2020 tötet die Terrorbewegung laut den Vereinten Nationen (UN) jährlich mehr als 1600 zivile Menschen. Im Februar 2020 einigen sich die USA und die Taliban auf ein Friedensabkommen, nur wenige Monate später häufen sich die Angriffe der Taliban wieder. In einer Woche meldet der Nationale Sicherheitsrat sogar 222 Terrorattacken. Woche für Woche gewinnen die Taliban immer mehr an afghanischen Gebieten, bis im September 2021 auch Kabul eingenommen wird. Nun regiert eine selbsternannte Regierung, geleitet von Mullah Hassan Akhund.
Die Situation von heute erinnert stark an die Herrschaft von 1996 bis 2001. Unterdrückung und Gewalt stehen für viele Menschen wieder an der Tagesordnung. Frauen dürfen nicht auf Universitäten, Männer müssen sich wieder Bärte wachsen lassen, sonst drohen öffentliche Bestrafungen. Das Islamische Emirat Afghanistan ist zurück. Die Hisbollah im Libanon nahm diese Entwicklung mit Freude zur Kenntnis. Zwischen Afghanistan und dem Libanon liegen Syrien, Irak und der Iran. Hauptstadt und Regierungssitz des Iran ist Teheran. Der Iran gilt als Unterstützer von Hisbollah (schiitisch) und Hamas (sunnitisch), entstanden aus der ägypitschen Muslimbruderschaft. Die Terrormiliz Isalmischer Staat (IS) hingegen hält sich selbst fr
Syrien, Afghanistan und Marokko sind die drei häufigsten Herkunftsländer von Geflüchteten in Österreich (Stand 2020). Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR vermeldet 2021 2,7 Millionen Geflüchtete aus Afghanistan weltweit. Dazu kommen 3,5 Millionen Binnenvertriebene, also Vertriebene innerhalb des Landes.