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Anti-Rassismus-Trainerin erklärt, warum die „White Lives Matter“-Shirts von Kanye West problematisch sind

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Von: Johannes Pressler

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Porträt von Ndona-Adjanie Kamucote.
Ndona-Adjanie Kamucote arbeitet in Graz unter anderem als Sozialpädagogin und Anti-Rassismus-Trainerin. © Björn B.

„Als ich sie das erste Mal auf Social Media gesehen habe, war ich total schockiert“, sagt Anti-Rassismus-Trainerin Ndona-Adjanie Kamucote aus Graz.

Das alles weckt Erinnerung an die Präsidentschaft von Donald Trump. Wir erinnern uns an die Bilder von Kanye West alias Ye, der mit einer „Make America Great Again“-Kappe im Weißen Haus gegenüber vom US-Präsidenten saß. Das war vor vier Jahren. Jetzt steht der US-Rapper, der sich auch als Modedesigner übt, wieder in den Schlagzeilen. Bei seiner Überraschungsshow im Zuge der Paris Modewoche traten Models mit „White Lives Matter“-Shirts auf. Laut einer Schwarzen Journalistin, die in New York lebt, sei das „zutiefst verletzend und gefährlich“.

Warum sind die „White Lives Matter“-Shirts von Kanye West so problematisch?

Das wollte BuzzFeed Austria von der in Graz lebenden Ndona-Adjanie Kamucote erfahren. Sie arbeitet im Sozialbereich als Betreuerin und Pädagogin, hat zudem eine Ausbildung als Anti-Rassismus-Trainerin gemacht. Dabei macht sie Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit zu den Themen Rassismus, Sexismus und Intersektionalität - sowohl für Einzelpersonen als auch Unternehmen, die gerne ein diverseres Klientel hätten. Für Kamucote sei die Aktion von Kanye West trotz der ganzen Provokation durchaus nachvollziehbar.

Was war deine Reaktion, als du die „White Lives Matter“-Shirts von Kanye West erstmals gesehen hast?

Als ich sie das erste Mal auf Social Media gesehen habe, war ich total schockiert. Habe es dann auch gleich an Freund:innen und Bekannte weitergeleitet und hatte großen Bedarf, mich dazu auszutauschen. Die Meinungen gehen total auseinander. Viele kennen sich immer noch nicht aus.

Die Message auf den T-Shirts würde schon „alles sagen“, meinte West nach seiner Mode-Show in Paris. Was will er uns jetzt aber wirklich damit sagen?

Liest man die unterschiedlichsten Interviews mit West, kann man zumindest eine seiner Ideen hinter dieser provokanten Aktion nachvollziehen. Er sagt: „Alle wissen, dass ‚Black Lives Matter‘ nur eine Genauerei war. Jetzt ist es vorbei. Gern geschehen.“ Damit möchte er aus meiner Sicht sagen, dass nach George Floyd alle solidarisch „Black Lives Matter“ riefen und auf Social Media posteten - das aber nur für wenige Monate. Vor allem weiße Menschen hat es dann nicht mehr wirklich interessiert. Schwarze und People of Color (PoC) leben nach wie vor in ähnlichen Situationen wie vor dem Sommer 2020. Die Politik hat dagegen nicht viel bzw. eigentlich sogar gar nichts Sichtbares gemacht.

Also sind die „White Lives Matter“-Shirts von West eigentlich eine Kritik an „Black Lives Matter“?

Eine weitere Message dahinter, die West jedenfalls offen kundgibt, ist, dass es stimme, dass das Leben weißer Menschen genauso wichtig sei. Sicher, alle Leben sind wichtig - aller Lebewesen. Den Fakt zu ignorieren, dass das System und Gesellschaft nicht so handeln und es marginalisierte Gruppen - in dem Fall Schwarze Menschen und PoC - gibt, die aufgrund ihrer Hautfarbe und Ethnie diskriminiert werden, ist aber sehr problematisch.

Das alles weckt Erinnerungen an „All Lives Matter“, eine Reaktion auf die „Black Lives Matter“-Bewegung im Sommer 2020. Gibt es hier eine Verbindung zur aktuellen Debatte?

Ein bisschen. „All Lives Matter“ kam von der weißen Mehrheitsgesellschaft, die sich in der ganzen Bewegung vernachlässigt gefühlt hat. Ich liebe diese Metapher dazu: Stellt euch ein Geschwisterpärchen vor. Das ältere der beiden hat Geburtstag, bekommt an diesem Tag ausnahmsweise mal die ganze Aufmerksamkeit, denn sonst liegt der Fokus immer auf dem jüngeren Geschwisterkind. Dem jüngeren passt das aber überhaupt nicht und es muss irgendwas anstellen, damit es wieder in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Zurück zu „All/White Lives Matter“: Dieses trotziges Verhalten nennt man White Fragility (Weiße Zerbrechlichkeit).

Von zahlreichen Medien wurde West für seine Aktion harsch kritisiert. Doch was ist an so einem simplen Slogan wie „White Lives Matter“ eigentlich problematisch?

Dass Menschen, die damals „All Lives Matter“ gefeiert haben und nicht sehen wollen, dass es Rassismus nach wie vor gibt, sich in ihrem Denken total bestätigt fühlen. Viele nehmen das ungefiltert an. Bei „Black Lives Matter“ geht es aber um so viel mehr als bei einem so unreflektierten Slogan. Sicher sind alle Menschenleben wertvoll. Das steht gar nicht außer Frage. All diese Diskriminierungserfahrungen, die Schwarze Menschen und PoC aufgrund ihrer Hautfarbe oder Ethnie haben, werden mit „White Lives Matter“ aber nicht ernst genommen.

Eine bittere Enttäuschung war zuletzt, als das Black Voices Volksbegehren, Österreichs erstes Anti-Rassismus-Volksbegehren, nicht die benötigte Hürde von 100.000 Unterschriften erreichen konnte. Zahlreiche Menschen auf Social Media zeigten sich vom Ergebnis enttäuscht.

Für mehr zu diesem Thema und warum Rassismus auch in Österreich noch immer ein Problem ist, empfehlen wir das Buch „War das jetzt rassistisch? 22 Antirassismus-Tipps für den Alltag“ vom Black Voices Volksbegehren gemeinsam mit Ndona-Adjanie Kamucote und weiteren Autorinnen und Autoren aus der Community.

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