Wir haben Expertinnen gefragt, wie wir in Zukunft arbeiten werden

Immer mehr Menschen machen sich Gedanken, wie sie künftig gut arbeiten wollen. Wir haben zwei Expertinnen zu New Work, Digitalisierung und Corona befragt.
Warum arbeiten wir? Klar, um die Miete zu bezahlen. Um uns Nahrung und andere Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. Um Hobbys und anderen Firlefanz zu finanzieren. Um Rechnungen zu begleichen. Kurzum: Um unsere Existenz zu sichern, vielleicht auch, um Wohlstand anzuhäufen. In den letzten paar Jahren hat langsam, aber sicher, ein Umdenken stattgefunden, angefangen bei den Millennials. Also jener Generation, die zwischen den frühen 1980er bis zu den mittleren bis späten 1990er Jahren geboren wurde.
Vorhang auf für „New Work“, also „Neues Arbeiten“: Arbeit soll mehr sein als Broterwerb im eigentlichen Wortsinn. Sie soll nicht nur unserem Leben Sinn geben, sie soll allgemein sinnvoll sein, im Idealfall einen Mehrwert für die Gesellschaft bieten. Wir wollen, dass unsere berufliche Leistung anerkannt wird, dass ihr Wertschätzung widerfährt. Wir wollen selbst entscheiden, wo und wann wir arbeiten - das Ergebnis zählt, nicht die dafür aufgewandte Zeit, im guten wie im schlechten. Wir wollen bei der Arbeit, die wir leisten, trotz etwaigem Stress gesund bleiben.
Erwartungen an den Arbeitsmarkt werden enttäuscht
Wer frisch und motiviert auf dem Arbeitsmarkt landet, wird aber oftmals enttäuscht. „Junge Leute kommen frisch auf den Arbeitsmarkt und erleben eine Unternehmenskultur, die ihnen überhaupt nicht taugt“, erklärt Lena Glaser, Expertin für New Work, studierte Juristin und Gründerin von Basically Innovative. Mit ihrem eigenen Future Lab sammelt sie Wissen und Know-How, bietet eine Plattform und vermittelt neue Perspektiven auf die Arbeitswelt in Vorträgen und Workshops. Außerdem berät sie Unternehmen und öffentliche Institutionen in Sachen New Work.
„Fixe Arbeitszeiten, vorgeschriebene Aufgaben, hoher Leistungsdruck stehen im Widerspruch zum zunehmenden Bedürfnis, auch Zeit für andere Dinge zu haben. Zeit ist für viele Leute ein wichtiger Wert geworden. Deswegen kann man auch beobachten, dass immer mehr junge Menschen im Bewerbungsgespräch mit für Unternehmen scheinbar überzogenen Forderungen kommen“, so Glaser. Und das bedeutet eben mitbestimmen wollen, wie, wann und wo man arbeiten will, von Anfang an.

Anwesenheit am Arbeitsplatz ist out
Das birgt eine Menge Vorteile und ein paar Nachteile, für alle Betroffenen - Arbeitnehmer:innen, aber auch Arbeitgeber:innen. Wer glaubt, dass vor allem jüngere Angestellte und Arbeiter:innen darauf drängen, nach coronabedingtem Lockdown und damit verbundenem Homeoffice wieder in ihre Büros zurückzukehren, irrt. Firmen, die auf Anwesenheit am Arbeitsplatz harren, geraten leicht ins Hintertreffen, sobald sich der Mitbewerb davon verabschiedet - und Leute sucht.
Das zeigt sich, sobald Lockdowns nicht mehr zum Alltag gehören, wenn vor allem jüngere Berufstätige nach wie vor ihren Dienst im Homeoffice versehen. Die Angst mancher Firmenbosse alter Schule vor mangelnder Kontrolle ist für gewöhnlich unbegründet, im Gegenteil: Wer zu Hause arbeitet, neigt dazu, dies länger zu tun und auf Pausen zu verzichten.
Forderung nach Freude und Freiraum
„Jene Unternehmen, die noch immer an alten Strukturen und Werten festhalten, werden mit Sicherheit nicht die Unternehmen der Zukunft mehr sein“, verdeutlicht Arbeitspsychologin Rhonda Staudner-Turin. Ihr zufolge sind die Forderungen junger Arbeitnehmer:innen nicht aus der Luft gegriffen: „Millennials fordern eigentlich viele Aspekte, die aus arbeitspsychologischer Sicht absolut nachvollziehbar sind: Sie wollen Freude an der Arbeit, mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, etwas Sinnvolles tun sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit haben. Der Beruf ist nicht mehr nur noch dazu da, um Geld zu verdienen.“
Neu ist das alles nicht. „Viele der Forderungen der Millennials decken sich bereits mit den Forschungen der Arbeitspsychologie aus den 1970ern“, so Staudner-Turin. Bereits 1976 belegte das eine Studie, nämlich die „Job Characteristics Theory“ von Richard Hackman und Greg Oldham. Ihr zufolge steigert eine sinnvolle, ganzheitliche Tätigkeit mit viel Raum für persönliche, freie Entscheidungen nicht nur Motivation, Zufriedenheit und Sinnerfüllung. Auch die Leistung am Arbeitsplatz wird dadurch gesteigert. Was ja nur im Sinne der Arbeitgeber:innen sein kann.
Die GenZ will eine klare Trennung
Jüngere Generationen sind älteren klar im Vorteil, zumindest was das Stellen von Forderungen betrifft. Die den Millennials nachfolgende Generation Z umfasst grob all jene, die Ende der 1990er bis Anfang der Zehnerjahre zur Welt gekommen sind. „Auch die Generation Z fordert etwas, das aus arbeitspsychologischer Sicht sehr sinnvoll ist“, so Staudner-Turin. „Eine klarere Trennung zwischen Privatleben und Beruf, damit diese beiden Bereiche nicht so sehr miteinander verschwimmen. Interessanterweise ist bei Ihnen die Selbstverwirklichung im Job auch eher zweitrangig, der Fokus liegt zuerst auf einem erfüllten Privat- und Freizeitleben.“

Laut Lena Glaser stehen neben Flexibilität, also wann und wo ich arbeiten will, noch zwei weitere Punkte für New Work. Auf der einen Seite das Thema Leadership, das Verhältnis zur Führungskraft. Flachere Hierarchien, Transparenz und wertschätzende Kommunikation sind das Gebot der Stunde am Arbeitsmarkt, nicht umsonst trägt Glasers 2022 erscheinendes Buch den Titel „Arbeiten auf Augenhöhe“. „Da gibt es den Wunsch, dass die Führungskraft mehr zur Mentorin, zum Coach wird, dass sie die Rahmenbedingungen setzt, dass man frei und gut arbeiten kann“, sagt sie. „Die dich stützt, dir vertraut und dich bei der Weiterentwicklung fördert. Und nicht jemand, der hinter dir steht, dich ständig kontrolliert und schaut, ob du eh alles richtig machst.“
Keine Angst vorm Fehler Machen am Arbeitsplatz
Womit wir schon auf der anderen Seite wären, der Fehlerkultur, „die Offenheit, neue Dinge ausprobieren zu können, keine Angst haben zu müssen, dass man Fehler macht“, so Glaser. „Unternehmen wollen innovativ sein und neue Produkte entwickeln. Gleichzeitig passt das nicht mit der Unternehmenskultur zusammen, wonach viele nicht einmal ermutigt werden, neues auszuprobieren. Da findet auch ein Umdenken statt: Dass die Organisationen, aber auch man selbst, sich trauen, Neues auszuprobieren.“
Wie kommt das alles? Warum stellen gerade Millenials und Vertreter:innen der GenZ letztlich doch sehr sinnvolle Forderungen? Das ist relativ einfach erklärt: Im Gegensatz zu unserer Elterngeneration war ziemlich früh klar, dass wir nicht ein Leben lang für einen, bestenfalls zwei Arbeitgeber:innen tätig sein werden, nicht zuletzt der Globalisierung und der Digitalisierung wegen. Dadurch fällt natürlich eine gewisse Sicherheit weg. Und wenn schon Perspektive und Absicherung abhandengekommen sind, werden eben Forderungen gestellt, wie die und der einzelne am besten für sich arbeiten kann.
Der digitalisierte Arbeitsplatz
„Die Flexibilität entsteht ja auch durch digitale Tools und welche Möglichkeiten sie bieten“, erzählt Lena Glaser. „Man ist stets informiert, weiß, was alles möglich ist und will das dann auch zur Verfügung gestellt haben. Dazu kommt, dass immer mehr Leute aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen psychisch, emotional und körperlich belastet worden sind. Also wird früher angefangen, ein Arbeitsleben zu gestalten, indem man sich Unternehmen aussucht, die einen nicht krank machen. Sondern bei der persönlichen Entwicklung wirklich unterstützen und, falls es einem einmal nicht gut geht, auch auffangen.“
Wesentlich dabei: Homeoffice und mobiles Arbeiten sind nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn auch in Zeiten einer Pandemie zumindest vorübergehend unabdingbar. „Mit dem Auftreten von COVID-19 haben sich alle, die sich bis dahin mit ‚New Work‘ nicht beschäftigt haben, damit auseinandersetzen müssen,“ so Glaser. „Viele waren nicht darauf vorbereitet. Homeoffice etwa war früher ein Privileg für wenige und wurde fast zur Verpflichtung für viele.“ In Zukunft werden sich vermutlich sogenannte hybride Arbeitsmodelle durchsetzen, bei denen etwa drei Tage daheim, zwei Tage im Büro gearbeitet werden.
Kaum Pausen im Homeoffice
Allerdings wird gerade bei der Telearbeit gerne auf Pausen vergessen, ganz im Gegensatz zur Sorge mancher Vorgesetzten, ihre Untergebenen würden sich daheim einen faulen Lenz machen. Arbeitspsychologin Rhonda Staudner-Turin: „Auch wenn wir in einer digitalen Welt leben und sich die Digitalisierung nicht mehr wegdenken lässt, darf man eines nicht vergessen: Unser Gehirn und seine Erholungsfähigkeit werden sich nie digitalisieren lassen und daher sind Pausen einfach enorm wichtig.“
Und noch etwas wird gerne übersehen, wenn wir Wochen und Monate im Homeoffice zubringen: Das Büro, unser Arbeitsplatz ist für das Sozialleben vieler Menschen ungeheuer wichtig, das können auch die 789. Videokonferenz innerhalb eines halben Jahres nicht ersetzen. „Nach langer Homeoffice-Zeit fehlen der soziale Zusammenhalt, sich mit den Kolleg:innen verbunden fühlen, der Austausch und der strukturierte Arbeitsalltag“, erklärt Staudner-Turin.alleben in der Arbeit
Sozialleben in der Arbeit
Und Lena Glaser ergänzt: „Der Arbeitsplatz ist wichtig für soziale Beziehungen, für Austausch, auch informell in Kaffeepausen. Arbeit bedeutet mehr als nur Geld zu verdienen. Die fehlende soziale Komponente hat sich während der Krise ganz stark gezeigt. Aber auch, wie man das in der digitalen Welt nachbilden kann. Auch für die Zukunft, wenn man ein paar Tage daheim, ein paar Tage im Büro arbeitet: Wie kann man dieses Gemeinschaftsgefühl, die Identifikation mit dem Unternehmen weiter aufrechterhalten?“
Wie Arbeit der Zukunft aussehen wird, steht in den Sternen, man kann sich aber bereits jetzt viel vorstellen: „Die Digitalisierung, vernetztes Arbeiten und die damit verbundenen Annehmlichkeiten werden sich nicht mehr rückgängig machen lassen“, wagt Staudner-Turin einen Blick in die Zukunft.
Unternehmen müssen auf Arbeitnehmer*innen zugehen
„Telearbeit, mobiles Arbeiten, flexible Arbeitszeiten, hybride Meetings und Arbeitsgruppen, verschiedene Zeitzonen werden uns in Zukunft weiterhin treue Begleiter:innen sein. Es wird jedoch künftig mehr und mehr verlangt sein, dass Unternehmen auch auf Werte wie ökologische und soziale Nachhaltigkeit und psychische Gesundheit achten, um am Arbeitnehmer*innenmarkt bei der jungen Generation gefragt zu sein.“
Schließlich ist es nicht nur so, dass junge Menschen verzweifelt nach Jobs suchen. Im Gegenteil: Sie gehen viel wählerischer vor und entscheiden sich bewusst für die Firmen, die ihren persönlichen Ansprüchen am ehesten gerecht werden. Wollen Unternehmen künftig qualifizierte, super ausgebildete und zufriedene Arbeitnehmer:innen beschäftigen, müssen sie sich auch ein wenig dafür anstrengen.