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Bei den ÖBB wirst du bald reservieren müssen

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Von: Christian Kisler

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Montage: eine junge Frau sitzt in einem Zug, ein Zug der ÖBB in einem Bahnhof
Wird man künftig nur nach mit der Bahn fahren dürfen, wenn man reserviert hat? © Johanna Schlosser/Tobias Steinmaurer/APA-PictureDesk/BuzzFeed Austria

Erst kürzlich mussten Fahrgäste volle ÖBB-Züge trotz gültiger Tickets verlassen. Und jetzt das: Bald sollst du nur noch mit Reservierung mitfahren dürfen.

Vor einigen Jahren hatten die ÖBB, die Österreichischen Bundesbahnen, einen Slogan, der den Umstieg von Auto auf Schiene bewerben sollte. Er lautete: „Bahnfahren wirkt“. Damit und mit Folgewerbespots sollten Entschleunigung und Entspannung beworben werden. Die vorbeiziehende Landschaft genießen, unterwegs Arbeit erledigen, einfach nur lesen, all das sollte zum Beispiel auf der Fahrt von Graz nach Innsbruck möglich sein. Aber, und jetzt kommt ein großes, ein ganz großes ABER: Die Wirklichkeit sieht für die meisten Menschen anders aus.

Stressfreies Bahnfahren ist ein rares Gut

Zwar sind wir von den Zuständen bei der Deutschen Bahn weit entfernt, wo ein pünktlicher Zug einem Sechser im Lotto gleicht. Entspanntes und stressfreies Bahnfahren ist aber ein rares Gut. Ich für meinen Teil hatte nur selten das Vergnügen, etwa als ich an einem 24. Dezember von Linz nach Wien gefahren bin - und keinesfalls umgekehrt, das wäre die Hölle gewesen. Ist aber auch schon ein paar Jahre her, und seitdem hat sich die Lage nicht gerade verbessert.

Im Gegenteil: Nicht nur zu Stoßzeiten, sondern generell sind Züge der ÖBB gerade bei längeren Strecken mit schöner Regelmäßigkeit überfüllt. Was zu absurden Situationen führen kann. So müssen Fahrgäste immer wieder trotz gültiger Tickets aussteigen, wenn sie keinen reservierten Sitzplatz vorweisen können. Begründet wird das von den ÖBB mit Sicherheitsbedenken. Dabei sind die West- und die Südbahnstrecke besonders betroffen. „Schuld“ daran sollen drei Dinge sein: erhöhte Spritpreise, das Wiener Parkpickerl und das günstige, von Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) durchgesetzte Klimaticket, mit dem Bahnfahrten bedeutend erschwinglicher als üblich sind. Was im Normalfall schon zur Geduldsprobe werden kann, wächst sich an Wochenenden und Feiertagen zu einem ernsten Problem aus.

Die ÖBB lösen ihre Probleme auf dem Rücken der Fahrgäste

Das haben auch die ÖBB erkannt und reagiert. Nicht, dass sie ihr Angebot attraktiver machen, etwa, indem sie die Intervalle verkürzen, die Fahrpläne der aktuellen Lage anpassen und mehr Züge auf Schiene bringen. Nein, es soll zulasten der Fahrgäste gehen. Immerhin: Ausgebaut werden sollen die Echtzeitnachrichten, die die Belegung von Zügen anzeigen, wobei in einem Aufwaschen auch Infos über andere, weniger ausgelastete Züge angeboten werden sollen. Alles andere passiert eher auf dem Rücken der Kund:innen. So sollen Menschen, die nur kurze Strecken unterwegs sind, von der Nutzung von Fern- in Nahverkehrszügen abgebracht werden. Und über all dem das Unwort schlechthin: Reservierungspflicht.

„Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass es mehr ein Lenkungsthema als ein Kapazitätsthema ist“, erklärte ein Sprecher der ÖBB gegenüber der Tageszeitung „Kurier“. „Auch die Tangente ist am Freitagnachmittag immer zu, egal wie viele Spuren man baut.“ Mit dieser Argumentation machen es sich die Bundesbahnen ein bisschen einfach. Dass oft viele Menschen gleichzeitig reisen wollen, hat auch organisatorische Gründe. Schließlich warten die wenigsten Anschlusszüge ewig auf ihre zur Weiterfahrt heraneilenden Fahrgäste.

Laut ÖBB gibt es genügend freie Kapazitäten

Genügen Kapazitäten gebe es laut ÖBB sehr wohl, halt über alle Strecken verteilt. Das nutzt halt wenig, wenn man in Gramatneusiedl oder Windischgarsten unfassbar lange Wartezeiten, umständliche Verbindungen und unterm Strich zu jeder Uhrzeit überfüllte Züge in Kauf nehmen muss. Bereits seit Jahren stocken die ÖBB an starken Reisewochenenden wie zu Christi Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam ihre Garnituren und Extrazügen auf. So können bis zu 10.000 zusätzliche Sitzplätze gewonnen werden. Angesichts des aktuellen Ansturms, der so bald kein Ende nehmen wird, eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Mehr ist aber aus Kostengründen nicht drin. Will man die Bahn endgültig als klimafreundliche Alternative, zu Auto und Flugzeug für alle etablieren, muss man allerdings auch entsprechend investieren. Sonst wirkt Bahnfahren eher abschreckend.

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