„Original Unverpackt“ betreibt ein Ladengeschäft in Berlin-Kreuzberg und einen Internetshop. Das Geschäftsmodell beruht auf der Idee, den im konventionellen Einzelhandel massenhaft auftretenden Verpackungsmüll maximal zu reduzieren. Statt Lebensmittel in vergleichsweise kleinen Mengen aufwendig verpackt zu verkaufen, bietet man den Kund:innen an, Produkte wie Nudeln, Müsli oder Milch lose in selbst mitgebrachte Behälter bzw. Pfandflaschen abzufüllen und nach Gewicht zu bezahlen. Ziel ist die Vermeidung umweltschädlichen Plastikmülls, der in der heutigen Zeit allgegenwärtig ist. Mittlerweile findet sich Mikroplastik sogar in der Lunge lebender Menschen.
Das von Milena Glimbovski mitgegründete Unternehmen war einer der ersten sogenannten „Unverpackt-Läden“ in Deutschland und nahm eine Pionierrolle ein. Im ganzen deutschsprachigen Raum wurden Dutzende Läden nach dem Berliner Vorbild gegründet, wie das Internetportal Utopia zusammenfasst. „Original Unverpackt“ unterstützt diese Gründungen gezielt mit Online-Kursen, wie aus der Firmenhomepage hervorgeht.
Die Idee, Lebensmittel ohne Verpackung zu verkaufen, hat in den letzten Jahren immer mehr an Popularität gewonnen. Auch konventionelle Supermarktketten bieten vermehrt plastikfreie Verpackungsalternativen an, wie der Supermarkt Blog ausführt. Schon die Gründung von „Original Unverpackt“ wurde erst durch eine Crowdfunding-Kampagne über 100.000 Euro ermöglicht, wie der rbb berichtet.
Milena Glimbovski betont daher im Gespräch mit Buzzfeed News Deutschland, dass die vorläufige Insolvenz kein Zeichen eines grundsätzlichen Scheiterns sei. Man habe viel bewegen können und erfahre aktuell auch großen Rückhalt und Zuspruch von Sympathisanten und Unterstützer:innen aus dem ganzen Land. Auch der Insolvenzverwalter zeige sich „aufgrund der deutschlandweiten Bekanntheit der Marke und der Beliebtheit der Unverpackt-Läden“ zuversichtlich, das Unternehmen sanieren zu können. „Es sieht gut aus“, sagt Glimbovski. Es hätten sich bis zum heutigen Tag bereits fünf Interessenten gemeldet.
Dass es überhaupt zur Insolvenz gekommen ist, liege nur an den äußeren Umständen. „Die aktuellen Krisen sind einfach zu viel“, sagt Glimbovski mit Blick auf Corona, den Ukraine-Krieg, die Klimakrise und die galoppierende Inflation. Bis 2019 seien die Kund:innenzahlen kontinuierlich gestiegen, mit der Corona-Krise habe 2020 aber eine Stagnation eingesetzt.
Seit dem Frühjahr 2022, mit der Zuspitzung der Ukraine-Krise, würden die Kundenzahlen sinken. „Das nehmen wir langsam wahr“, so Glimbovski. Der Umsatz sei aber bereits 2021 deutlich gesunken, da über den Onlineshop weniger eingekauft worden sei. Das Geld sitze bei den Menschen nicht mehr so locker wie vor 2020, sagt sie. „In Zeiten von steigender Inflation muss ich einsehen, dass eine Idee alleine nicht mehr reicht, und die aktuelle Krise mich schlichtweg überfordert“, zitiert sie der rbb.
Auch der Wirtschaftspsychologe Gunnar Mau, Professor von der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport, kann sich die Insolvenz von „Original Unverpackt“ nicht anders erklären als mit den aktuellen Krisen. Die Vermeidung von Plastikmüll im Einzelhandel sei weiterhin „eines der ganz wesentlichen Zukunftskonzepte, gerade für jüngere und gebildete Bevölkerungsgruppen“, betont er im Gespräch mit Buzzfeed News Deutschland. Die Insolvenz des innovativen Unternehmens, das eine aufmerksam beobachtete Vorreiterrolle gespielt habe, „habe ich nicht kommen sehen“, sagt er.
Der stationäre Einzelhandel müsse sich von der Masse abheben, um in der Konkurrenz mit dem Onlinehandel zu bestehen. Der Nachhaltigkeitsgedanke spiele hierbei eine Schlüsselrolle, gerade im urbanen Milieu. Allerdings seien nachhaltig gehandelte Produkte tendenziell teurer, was sich nun negativ auswirke. Die Menschen müssten jetzt angesichts überall steigender Preise und düsterer Prognosen zwangsläufig ihre Prioritäten ändern. „Das Motiv der Nachhaltigkeit ist zumindest vorläufig in den Hintergrund gerückt“, sagt Mau.
Erst jüngst zeigte eine Studie, dass sich gerade junge Menschen durch Krieg, Klima und Inflation in einem „Dauerkrisen-Modus“ befinden. Dieser „Dauerkrisen-Modus“ wirke sich auf das Konsumverhalten aus, so der Experte. Grundsätzlich aber sehe er keine Anzeichen dafür, dass es sich dabei um einen dauerhaften Trendwechsel handelt. „Entspannt sich die krisenhafte Situation, wird auch wieder die Bereitschaft steigen, mehr Geld in ein nachhaltiges Konsumverhalten zu investieren.“