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Dritte Amtszeit von Chinas Xi Jinping: Nicht nur gute Nachrichten fürs Weltklima

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Von: Nico Beckert

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Kohlekraftwerk in der Provinz Shanxi
Kohlekraftwerk in der Provinz Shanxi (Archivbild): China ist nach wie vor von fossilen Brennstoffen abhängig. © Peter Parks/AFP

Unter Xi Jinping wurden in China Emissionen gedrosselt und erneuerbare Energien stark ausgebaut. Doch Wachstumszwang und Kohle-Lobby erschweren die Transformation des Landes.

Peking – Die Klima-Bilanz von Chinas neuem und alten KP-Generalsekretär Xi Jinping sieht auf den ersten Blick sehr erfolgreich aus. In seinen neuneinhalb Jahren als Staatschef hat China:

Doch Fachleute warnen davor, Chinas grüne Ambitionen zu überschätzen. Aus ihrer Sicht dient die Umwelt- und Klimapolitik unter Xi dem Machterhalt der Kommunistischen Partei; der CO₂-Rückgang beruht teilweise auf der Covid-Krise; der Wachstumszwang der Wirtschaft ist weiter ungebrochen; die Kohlelobby ist immer noch stark. Und auf dem anstehenden UN-Klimagipfel (COP27) ist von China wohl keine entscheidende Bewegung zu erwarten.

Die Verringerung der CO₂-Emissionen und der langfristige Kohleausstieg „gehören auf jeden Fall zu den wichtigsten Punkten auf Xis politischer Agenda“, sagt Nis Grünberg, Analyst des China-Think-Tanks Merics. „Xi sieht den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel als eine Voraussetzung für den langfristigen Machterhalt der Partei und der jetzigen Regierungsform.“

China: Vier Quartale mit sinkenden Emissionen

Immerhin: Seit Xis Amtsantritt 2013 sind die CO₂-Emissionen weniger stark gestiegen als in den Jahren zuvor. In den letzten vier Quartalen sanken sie sogar leicht. Der Kohleverbrauch wurde – auf einem hohen Niveau – stabilisiert. Und die Erneuerbaren Energien werden in rasanter Geschwindigkeit ausgebaut.

CO₂-Emissionen sinken viertes Quartal in Folge
CO₂-Emissionen sinken viertes Quartal in Folge © Table.Media

Allerdings sind das alles relative Erfolge. Die Emissionen Chinas lagen laut Berechnungen von Carbon Brief auch im März 2022 noch bei fast 12,2 Milliarden Tonnen CO₂. In zwei der letzten vier Quartale war der Rückgang nur minimal (siehe Grafik). Die pro-Kopf-Emissionen liegen seit 2018 über dem EU-Schnitt. China ist inzwischen weltweit auch historisch der zweitgrößte Verschmutzer. Der Erfolg bei den sinkenden CO₂-Emissionen beruht zu Teilen auch auf der Immobilien-Krise und den regelmäßigen Covid-Lockdowns. Ob sich der Rückgang weiter fortsetzt, ist offen.

Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren bietet eine große Chance, sind sich Lauri Myllyvirta und Xing Zhang, China-Experten beim Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA), sicher. Er könnte sogar so schnell gehen, dass die zusätzliche Energienachfrage der kommenden Jahre komplett durch saubere Energieträger gedeckt werden könnte. Dafür darf die Stromnachfrage aber nicht stärker als vier Prozent pro Jahr wachsen.

Intern gilt Klimapolitik in China als wichtig. Seit Verkünden der Klimaziele haben die Zentralregierung und die Provinzen mehr als 60 Aktionspläne für die einzelnen Sektoren herausgegeben. Auf der internationalen Ebene und auf der COP27 wird es aber vermutlich keine größeren neuen Versprechen geben. Der Klimasondergesandte Xie Zhenhua sagte jüngst, die Implementierung und Umsetzung bestehender Klimaziele müsse bei der COP im Fokus stehen.

Chinas Methan-Strategie steht noch aus

Xi Jinping selbst sucht die COP bisher nicht als große Bühne. Seine großen Klimapläne – die 2030/60-Ziele und den Kohleausstieg im Ausland – hat er vor der UN-Vollversammlung verkündet. China will sich nicht auf der COP von anderen Ländern drängen lassen, sondern vor dem heimischen Publikum als eigenständiger Akteur wahrgenommen werden.

Auch das Klimathema muss sich Xis geopolitischer Strategie unterordnen. Noch auf der COP26 in Glasgow verkündete der chinesische Delegationsleiter Xie, dass die Volksrepublik trotz aller geopolitischen Spannungen an den Klima-Gesprächen mit den USA festhalten werde. Ein halbes Jahr später, nach dem umstrittenen Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taiwan, setzte China diese Gespräche aus. Sie könnten jetzt auf der COP27 möglicherweise wieder aufgenommen werden.

Allerdings will China noch in diesem Jahr eine Strategie zur Reduzierung der Methanemissionen vorstellen. „Das ist der zusätzliche Beitrag Chinas über unsere NDCs hinaus“, sagte Xie kürzlich in einem Interview. Die Methanemissionen im Öl- und Gassektor sowie der Landwirtschaft und der Abfallentsorgung sollen „kontrolliert“ werden, so Xie. Den Kohle-Sektor, der den größten Teil der Methan-Emissionen verursachte, nannte Xie nicht.

Krisen könnten Chinas nächsten Fünfjahresplan beeinflussen

Auch hinsichtlich einer dritten Amtszeit Xis sind Analysten nicht allzu optimistisch, dass sich China schneller in Richtung Paris-Konformität bewegen wird. Die Erneuerbaren Energien werden wahrscheinlich noch schneller ausgebaut. Aber die Kohle wird mittelfristig ein wichtiger Bestandteil der Energieversorgung bleiben. Ob es beim Klimaschutz eine Beschleunigung geben wird, „wird aber auch von realpolitischen Faktoren getrieben, seien es Wirtschaftskrisen oder internationale Spannungen“, sagt Grünberg. „Je unsicherer die Gesamtlage, desto unsicherer wird auch die grüne Wende.“

Die zunehmenden Konflikte zwischen China und den USA sowie der EU könnten kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Denn schon im nächsten Jahr starten die internen Debatten um den nächsten Fünfjahresplan Chinas. Falls die geopolitischen Spannungen und die Corona- und Wirtschaftskrise innerhalb Chinas anhalten, könnten Pekings Klima-Ambitionen für den nächsten Fünfjahresplan gering ausfallen. Sollte China dann noch immer keine konkreten Zahlen für den Emissionspeak bis 2030 benennen, um sich klima- und industriepolitische Spielräume zu erhalten, wird der Pfad ab 2030 hin zur Klimaneutralität noch steiler als er ohnehin schon ist.

Steiler Weg zu den Klimazielen
Steiler Weg zu den Klimazielen © Table.Media

Versäumnisse bei Chinas Energiewende

Xi ist zwar der mächtigste Mann Chinas und hat die Macht im letzten Jahrzehnt immer stärker auf seine Person konzentriert. Doch beim Klimaschutz kann und will er nicht durchregieren. Die Volksrepublik ist noch immer zu abhängig von der Kohle. Dabei hätte das Land den Willen, die technischen Möglichkeiten und die Unterstützung der führenden Politiker, um die Energiewende schneller voranzubringen, so Grünberg von Merics. „Das ist auch eines der Ziele, die Xi Jinping persönlich wichtig sind“, sagt der Forscher. „Doch die Kohle-Lobby schafft es bei jeder Krise, sei es die Hitzewelle dieses Jahr oder die Stromkrise 2021, Kohle als die sicherste Basis des Energiesystems zu forcieren und damit den Ausstieg zu verzögern“.

Auch seien Reformen des Strommarktes zu langsam vorangetrieben worden. „In diesem Bereich hätte China sehr viel erreichen können bei der Senkung der CO₂-Emissionen“, so Grünberg. Die Kohle hatte jahrelang Vorrang in Chinas Energiesystem. Das liegt auch an den mächtigen Interessen der Kohleindustrie und der Provinzen. Letztere wirken als Bindeglied zwischen der Zentralregierung und der lokalen Ebene, auf der die Klimapolitik häufig umgesetzt wird. Die Provinzen verfolgen dabei auch eigene Ziele und können beispielsweise den Kohleausstieg verlangsamen.

Und auch Xi muss unterschiedliche Ziele unter einen Hut bringen: Das Wirtschaftswachstum ist die zentrale Legitimation seiner Regierung und der Kommunistischen Partei. Die sichere Stromversorgung der Industrie und der Klimaschutz stehen auf seiner Agenda ähnlich weit oben. In Krisenzeiten sind Wachstum und Energiesicherheit jedoch wichtiger. In den CO₂-intensiven Branchen Kohle, Bau und Schwerindustrie sind über 60 Millionen Menschen beschäftigt. Wiederholt mahnt Xi in politischen Reden einen vorsichtigen Wandel an. „Das Neue muss erst erschaffen werden, bevor das Alte weggeworfen wird“, sagte er auf dem jüngsten Parteitag zu Chinas Energieversorgung.

Nico Beckert ist seit Januar 2021 Redakteur für die Table.Media Professional Briefings. Seine Themenschwerpunkte sind die deutsch-chinesischen Beziehungen, Wirtschaft und Finanzen, die Neue Seidenstraße sowie chinesische Klimapolitik. Zuvor schrieb Beckert als freier Autor für den Tagesspiegel und den Freitag.

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