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Truppen „praktisch verschwunden“? Russland zieht offenbar tausende Soldaten von EU-Grenze ab

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Von: Andreas Schmid

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Russische Soldaten auf den Weg in den Ukraine-Krieg.
Russische Soldaten auf dem Weg in den Ukraine-Krieg. © IMAGO/Donat Sorokin

Gehen Putin die Soldaten aus? Aufgrund der Verluste im Ukraine-Krieg sollen Truppen nahe Finnland und dem Baltikum abziehen. „Das heißt aber nicht, dass sie nicht gefährlich sind.“

Helsinki - Finnland und Russland teilen sich eine knapp 1400 Kilometer lange Grenze. Zudem grenzt das größte Land der Erde an Estland, Lettland und Litauen. An der Nähe des EU-Nachbarn sowie an den Nato-Staaten des Baltikums stationiert der Kreml eigentlich mehrere tausend Soldaten. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg zieht Russland nun aber offenbar einen Großteil der Soldaten ab.

Soldaten „praktisch verschwunden“: 6.000 statt 30.000 russische Soldaten nahe EU-Grenze?

Zuletzt verließen wohl immer mehr russische Streitkräfte die Stützpunkte an der Grenze zum EU- und Nato-Raum. Laut dem Portal Foreign Policy will der Kreml damit seine Verluste in der Ukraine kompensieren.

Von den geschätzten 30.000 russischen Soldaten, die einst in Lettland, Litauen, Estland sowie Südfinnland stationiert waren, wurden nach Angaben hochrangiger europäischer Verteidigungsbeamter 75 bis 80 Prozent in die Ukraine abgezogen. Um die 6000 Soldaten seien noch vor Ort. Aktuell agiere eine „Notbesatzung“.

„Der Abzug, den wir in den letzten sieben Monaten in dieser Region erlebt haben, ist sehr bezeichnend“, zitiert Foreign Policy einen nordeuropäischen Verteidigungsbeamten, der demnach anonym bleiben wollte. „Russland stand uns jahrzehntelang mit Bodentruppen gegenüber. Die sind jetzt praktisch verschwunden.“

Russland zieht offenbar Truppen nahe EU ab: „Schwere Verluste“ im Ukraine-Krieg

Ferner würde Russland auch militärische Ausrüstung verlagern. Laut Satellitenbildern des finnischen Medienunternehmens Yle hat Russland Flugabwehrsysteme aus St. Petersburg verlagert. Ein Raketenstützpunkt in der Region, der vom russischen 500. Flugabwehrraketenregiment besetzt ist, wurde den Satellitenbildern zufolge offenbar vollständig aufgegeben.

Der litauische Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas sagt Foreign Policy, der Abzug begründe sich mit „schweren russischen Verlusten im Einsatzgebiet“. Zudem seien Truppen aus Kaliningrad, der russischen Exklave zwischen Litauen und Polen, in die Ukraine verlegt worden.

Russischer Abzug nahe Baltikum? „Das heißt nicht, dass sie nicht gefährlich sind“

Die Balkan-Nachbarn fühlen sich durch die russische Invasion in die Ukraine bedroht. Bei der Lettland-Wahl am 1. Oktober ist der Ukraine-Krieg das prägende Wahlkampfthema. Auch Finnland, jahrzehntelang neutral, macht sich Sorgen. Das nordeuropäische Land strebt wie Schweden in die Nato. Den Beitrittsantrag müssen nur noch die Türkei und Ungarn ratifizieren.

Der mutmaßliche Truppenabzug sorgt nun für kurzzeitige Entspannung. Jonatan Vseviov, Generalsekretär des estnischen Außenministeriums, sagt Foreign Policy: „Die unmittelbare militärische Bedrohung für die baltische Region ist im Moment natürlich gering, weil es keine professionellen Truppen an unseren Grenzen gibt.“ Das könne sich jedoch wieder ändern. „Das heißt nicht, dass Russland nicht gefährlich ist.“ Im Gegenteil: „Russland ist extrem gefährlich, und die langfristige Gefahr, die von Russland ausgeht, wird vom Ausgang dieses Krieges abhängen.“

Russland-Bedrohung für Baltikum? „Als kleines Land darf man nie unvorsichtig werden“

Der Kreml äußerte sich nicht zum möglichen Truppenabzug. Dazu passen würden jedoch vergleichsweise vorsichtige Äußerungen von Ex-Präsident Medwedew zur Nato-Norderweiterung. Für Esten-Politiker Vseviov bleibt Russland aber ohnehin eine Bedrohung für das Baltikum: „Wenn es so weit kommt, dass sie in der Ukraine zumindest teilweise das bekommen, worauf sie aus waren, dann sagen wir extrem schwierige Zeiten für uns alle in Europa voraus.“

Jim Townsend, Experte am Center for a New American Security und früherer Mitarbeiter im US-Verteidigungsministerium, meint: „Die russische Bedrohung im Baltikum ist heute nicht mehr so groß wie vor einem Jahr, weil die russischen Streitkräfte stark geschwächt sind.“ In Sicherheit wiegen sollte man sich allerdings nicht. „Wenn man ein kleines baltisches Land ist, darf man niemals unvorsichtig werden, nur weil Russland heute nicht gut dasteht.“ (as)

Foreign Policy ist Medienpartner von IPPEN.MEDIA. Ausführliche Hintergrundberichte zur politischen Weltlage erscheinen in deutscher Sprache zuerst auf unseren Portalen. Eine Übersicht zu den aktuellen Texten finden Sie hier.

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