Update vom 27. Juli, 15.18 Uhr: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) geht davon aus, dass Deutschland in den nächsten fünf Jahren nicht auf russisches Gas verzichten kann. Das sagte der Politiker in einem Interview mit der Wochenzeitung Zeit. „Wenn wir feststellen, dass wir auf russisches Gas vorerst nicht verzichten können, dann ist das eine bittere Realität, aber es ist eine, und wir müssen ihr Rechnung tragen.“
Er warnte zudem vor den Folgen der Sanktionen gegen Russland für die deutsche Wirtschaft. „Unser Wirtschaftssystem droht, zu kollabieren. Wenn wir nicht aufpassen, kann es zu einer Deindustrialisierung Deutschlands führen.“ Aus der Sicht des CDU-Politikers müsse der Krieg „eingefroren werden“. Zwar dürfe die Ukraine keine Gebiete verlieren, aber ein Waffenstillstand „wird die letzten Monate seit dem 24. Februar auch berücksichtigen müssen.“
Laut einer am Mittwoch (27. Juli) veröffentlichten Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS) sind indes nur zehn Prozent der Ukrainer zu einigen territorialen Zugeständnissen bereit. 84 Prozent der befragten Ukrainer sind gegen einen Frieden mit Russland, wenn dieser territoriale Zugeständnisse beinhaltet.
Der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kritisierte diese Aussagen Kretschmers und ebenso die Zweifel an den Sanktionen des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Rainer Haseloff. „Ich finde es wichtig, dass wir uns auch in Deutschland als Gesellschaft nicht von Putin spalten lassen und deshalb muss jeder demokratische Politiker, auch die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und Sachsen, wissen, was sie sagen“, sagte Heil im ARD-Mittagsmagazin. Einen Diktatfrieden in der Ukraine schloss der SPD-Politiker aus. Auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja wies die Forderung des sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer nach Verhandlungen mit Russland und einem Einfrieren des Ukraine-Kriegs zurück. Sie entsprächen nicht „der mehrheitlichen Position der CDU“.
Update vom 27. Juli, 14.27 Uhr: Die Nord-Stream-Drosselung als Druckmittel? Die Ampel-Koalition unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) wirft Moskau politische Zwecke vor. „Was wir hier sehen, ist tatsächlich ein Machtspiel“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in Berlin.
Deutschland lasse sich davon aber „nicht beeindrucken“. Hoffmann stellte weiter fest: „Die Lieferverträge werden zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingehalten. Wir sehen dafür - wie schon auch zuvor - keine technischen Ursachen.“ Eine gewartete Turbine sei bereit, an den russischen Energiekonzern Gazprom übergeben zu werden, damit sie eingesetzt werden könne.
Moskau hingegen macht technische Probleme im Zusammenhang mit den westlichen Sanktionen wegen des Angriffs auf die Ukraine verantwortlich.
Update vom 27. Juli, 13.36 Uhr: Scheitert der Getreide-Deal? Moskau warnt davor und spricht von bestehenden Hürden: Der Export von Getreide aus Russland und der Ukraine müsse gleichzeitig beginnen, forderte Vize-Außenminister Andrej Rudenko der Agentur Interfax zufolge. Daher müssten die Hindernisse zum Export russischen Getreides schnell beseitigt werden.
„Wir hoffen stets auf das Beste und rechnen darauf, dass unsere Partner die beiden Komponenten des Getreide-Deals verwirklichen, der die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine und die Beendigung der Begrenzungen für den russischen Getreideexport insgesamt betrifft“, sagte Rudenko.
Russland hat in der Vergangenheit eine Beendigung der Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen explizit von einer Lockerung der westlichen Sanktionen gegen sich abhängig gemacht.
Erstmeldung vom 27. Juli: Kiew - Kommt es nun doch zu einem persönlichen Treffen zwischen Frank-Walter Steinmeier und Wolodymyr Selenskyj? Der ukrainische Präsident habe den deutschen Bundespräsidenten ein zweites Mal zu einer Ukraine-Reise eingeladen, sagt der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk in einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit.
„Wir warten noch auf seinen Besuch in Kiew. Im letzten Telefonat hat Präsident Selenskyj ihn zum zweiten Mal persönlich eingeladen“, so der ukrainische Botschafter.
Zuvor waren Irritationen zustande gekommen, nachdem die ukrainische Seite Mitte April einen Besuch Steinmeiers in Kiew abgelehnt hatte. Der Bundespräsident wollte die ukrainische Hauptstadt zusammen mit den Präsidenten Polens und der drei baltischen Staaten besuchen, wurde zur Verärgerung Berlins aber im letzten Moment ausgeladen.
Wegen der Ausladung von Steinmeier und der dadurch verursachten Weigerung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), nach Kiew zu fahren, war der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz der erste hochrangige deutsche Politiker, der nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs dorthin kam.
Im Mai telefonierten Steinmeier und Selenskyj dann und „Irritationen der Vergangenheit wurden ausgeräumt“, so seine Sprecherin. Selenskyj lud sowohl Steinmeier persönlich wie auch die gesamte Bundesregierung zu Besuchen nach Kiew ein. (frs mit dpa)