„FoMO“ in der Pandemie? Millennials erzählen, ob sie noch Angst haben, etwas zu verpassen

Seit zwei Jahren ist die Corona-Pandemie ausschlaggebend dafür, was wir wann wo wie machen können. Sind wir es mittlerweile gewohnt, Dinge zu verpassen? Vier junge Erwachsene erzählen, ob sie noch FoMO haben.
Ich persönlich hatte immer schon FoMO. Als das Kürzel für „Fear of missing out“ (zu Deutsch: Die Angst, etwas zu verpassen) vor ein paar Jahren zum ersten Mal in den Massenmedien breit diskutiert wurde, habe ich mich richtig verstanden gefühlt. Auf Wikipedia definiert als „eine Form der gesellschaftlichen Beklemmung/Angst/Besorgnis [...] die zwanghafte Sorge, eine soziale Interaktion, eine ungewöhnliche Erfahrung oder ein anderes befriedigendes Ereignis zu verpassen und nicht mehr auf dem Laufenden zu bleiben“ hat es einem mulmigen Gefühl, das ich bis dato namenlos mit mir herumschleppte, eine Form gegeben.
Schon als Jugendliche war ich mir nie sicher, ob es nicht noch andere Erfahrungen oder Lebenswege gibt, die mir mehr Spaß, Erfüllung oder Inspiration bringen. Die Antwort darauf ist natürlich: Ja, die gibt es. Die restriktive Biologie des menschlichen Körpers hindert uns jedoch daran, überall immer das Beste herauszuholen. Unsere Zeit und unsere Ressourcen sind begrenzt, die Möglichkeiten im 21. Jahrhundert hingegen schier unendlich - das suggeriert uns vor allem Social Media.
Social Media Nutzung begünstigt FoMO
FoMO wird nicht umsonst als Problematik gehandhabt, die mit Instagram & Co in engem Zusammenhang steht: Eine Parallelrealität, in der alle super toll, schön, beliebt und begehrt sind, bietet den perfekten Nährboden, um sich schlecht zu fühlen. Das zeigen auch Studien wie die der University of Glasglow (2016), wo die Nutzung sozialer Netzwerke und ihre Auswirkung auf das psychische Wohlbefinden untersucht wurde. 467 High School-Schüler:innen wurden befragt, ein Großteil davon berichtete von einem stetigen Druck, ständig verfügbar zu sein zu müssen, und einem andauernden Gefühl von FoMO. Darüber hinaus ergab die Studie, dass FoMO zu einem geringeren Selbstwertgefühl, Schlafstörungen und Angstzuständen führte.
Nicht zuletzt deswegen habe ich diverse Social Media Apps schon vor einigen Jahren gelöscht. Ganz kann mich aber auch das nicht davor bewahren, mich hin und wieder so zu fühlen, als würde ich etwas verpassen. Weit über Social Media hinaus ist es jedoch die Corona-Pandemie, die für die globale Generation des 21. Jahrhunderts das erste kollektive Erlebnis darstellt, nicht alles machen zu können. Es sind externe Restriktionen, die Partys, Reisen und andere High-Life Statussymbole unerreichbar machen. Ist FoMO nach zwei Jahren Pandemie noch immer eine relevantes Phänomen? Ich habe mit vier jungen Erwachsenen darüber gesprochen.
„Über FoMO reden wir nicht, weil‘s ja eh nix gibt, was man überhaupt verpassen kann.“ - Patrick, 24
FoMO hat sich bei mir in den letzten Jahren sehr gebessert. Ich stress mich da auch wegen der Pandemie nicht, weil ich ja noch jung bin und noch viele Jahre jung bleiben werde. Wenn ich also jetzt keine Weltreise mache, ist das auch kein Problem. Mein ganzes Leben liegt noch vor mir, da hab ich keine akuten Ängste, dass ich etwas verpasse. Früher war das anders. In der Schulzeit war meine Daumenbewegung in Richtung Instagram-App quasi automatisiert. Ich hab immer geschaut, was die anderen Leute machen und mir gedacht ich bin vielleicht nicht so cool, oder social genug. Nachdem ich das Bundesheer absolviert habe und Corona angefangen hat, hat sich meine Denkweise da komplett geändert. Während der Pandemie hatte ich die Zeit, darüber zu reflektieren. Jetzt benutze ich Social Media nur mehr anonymisiert, zum Beispiel auf Reddit. Facebook und Instagram hab ich gelöscht. Ich will mich nicht durch Klick-Geilheit manipulieren lassen, Likes und Fame interessieren mich nicht. Das, was Leute posten, repräsentiert ja auch nicht die Realität, sondern kleine Aufnahme-Schnipsel. Über das FoMO-Thema reden wir in meinem Freundeskreis auch gerade deswegen nicht, weil‘s ja eh nix gibt, was man überhaupt verpassen kann. Wenn ich mal nicht wo eingeladen werde, dann macht mich das vielleicht ein bisschen icky, aber das war‘s auch schon. FoMO würde ich das nicht nennen.“
„Man fragt sich: ‚Wie sehr kann ich rechtfertigen, dass ich einmal Spaß habe?‘ - Fabi, 30
FoMO war bei mir ganz schlimm früher. Über die Pandemie hinweg ist es besser geworden, das liegt aber vor allem daran, dass ich mich selbst weiterentwickelt habe (lacht). Irgendwann war die Erkenntnis da, dass man einfach nicht immer überall dabei sein kann. Wenn ich einen super netten Abend daheim habe und sehe, dass meine Freunde etwas machen, denk ich mir jetzt zwar immer noch “Hey, da wär ich gern dabei”, aber jetzt ist das nicht mehr mit einem schlimmen FoMO-Gefühl verknüpft. Allgemein in Bezug auf meine Ziele hab ich das Gefühl, ich kann die Dinge eh immer angehen, wenn ich möchte. Wenn es zum Beispiel um ein Konzert oder Festival geht, das ich verpasse, stresst mich das nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist ja gegeben, dass ich das in Zukunft machen kann, da brauch ich mich dann nicht rein- “fomoisieren”. Klar würde ich gern mal wieder richtig fortgehen. Da ist der Vernunftgedanke dann aber stärker, weil man das Risiko einer Corona-Infektion abwägt. Man fragt sich: ‚Wie sehr kann ich rechtfertigen, dass ich einmal Spaß hab?‘ Voll traurig eigentlich, weil man ja allein schon durch diese Überlegung einen gewissen Spaß-Anteil abgibt. In meinem Freundeskreis sind alle um die Dreißig herum. Die letzten zwei Jahre wären also wahrscheinlich die gewesen, wo wir nochmal so richtig fortgehen. Wenn die Pandemie dann einmal wirklich vorbei ist, wird die Frage sein, ob man drauf scheißt, und das nachholt, auch wenn man dann mit viel jüngeren gemeinsam clubben geht. Wobei Vollgas wird dann eh nicht mehr möglich sein, weil je älter man wird, desto weniger hält man exzessives Fortgehen aus. Trotzdem: Für die Jüngeren ist es sicher nochmal schwieriger, weil die haben tatsächlich einige Erfahrungen noch nicht zum ersten Mal machen können, so simple Sachen wie auf einer Tanzfläche stehen und schmusen zum Beispiel.“
„Ich bin kein Mensch, der sich groß nach anderen richtet.“ - Florian, 27
„FoMO ist für mich kein Thema und das hat sich auch während der Pandemie nicht großartig verändert. In meinem Freundeskreis trifft man sich wenn dann nur getestet. Es hatten auch schon drei Leute, die ich kenne Corona, eine Person kämpft jetzt auch mit Long Covid. Fear of Missing Out hatte ich vielleicht am Ehesten noch, weil ich meinen Bachelor lange nicht fertig bekommen habe. Erst heuer werde ich ihn abschließen. Das hat auch damit zu tun, dass die Pandemie für mich psychisch belastend war. Aber im Sinne von einem Gefühl, dass ich Angst habe, ich verpasse was, wenn ich mich nicht mit meinen Freunden treffe? Das Gefühl hab ich eigentlich nie. Ich bin kein Mensch, der sich groß nach anderen richtet. Social Media hab ich zwar schon, Instagram, Reddit und Jodel, aber auch das ist für mich jetzt nicht weltbewegend. Klar gibt‘s hin und wieder mal ein Posting, wo man dann das Gefühl hat ma, da wär ich gern mit dabei, aber so ist das Leben (lacht). Wenn ein Freund von mir irgendwas auf Social Media postet dann schau ich‘s mir an und denk mir: „Hey cool für dich“, aber da kommt nicht großartig der Neid auf.“
„Man fühlt sich halt ausgeschlossen, das ist wie so ein instant Stich in die Magengrube.“ - Valentina, 27
Ich hab teilweise auf jeden Fall FoMO, grad bei Social Media (lacht). Wenn ich sehe, dass Freunde was auf Instagram posten ohne mich, dann denk ich mir ‚Aha, warum machen die jetzt was? Warum bin ich nicht dabei?‘. Man fühlt sich halt ausgeschlossen, das ist wie so ein instant Stich in die Magengrube. Wenn man dann die Person wieder sieht, versucht man halt möglichst lustig und easy-going zu wirken, aber schon ein bisschen nachzuforschen, warum man nicht eingeladen wurde. Als ich jünger war, hatte ich das Problem definitiv noch mehr. Ich hab die Leute dann indirekt darauf angesprochen, nie vorwurfsvoll, ich möchte ja nicht zugeben, dass mich das triggert (lacht). Ich bin schon recht lange in einer Beziehung, deswegen ist meine Prime-Fortgehzeit schon etwas länger her. Aber wenn keine Party möglich ist, nimmt das auch ein bisschen den Druck. Silvester 2020/2021 war zum Beispiel Lockdown - Das war echt mal schön, „gezwungen“ zu sein, nix zu machen. Offline würde ich trotzdem auch sagen, dass ich FoMO hab. Sag ich jetzt zu bei einem Event, obwohl ich voll im Stress bin, oder bin ich cool genug und sag ab - Das ist manchmal sehr schwierig für mich. Vor der Pandemie hab ich alles in einen Tag gequetscht, was nur irgendwie ging, konnte dann aber Events zum Beispiel gar nicht richtig genießen, weil ich manchmal einfach fertig war. Jetzt hab ich sowieso auch berufliche Verpflichtungen, im Falle des Falles entscheide ich mich für die Vernunft, weil ich muss am nächsten Tag mit der Entscheidung leben (lacht).“