Iran – der Islamische Gottesstaat, wo der Westen keinen Platz hat
Im Jahr 1935 wurde aus dem historisch bedeutsamen Persien der Staat Iran, der seither einen strikt anti-westlichen und extrem konservativen Kurs verfolgt. Warum das so ist, erfährt ihr hier.
Die heutige Islamische Republik Iran ging aus dem im Jahr 1979 von schiitischen Geistlichen geführten Umsturz hervor, der den letzten Schah von Persien, Mohammad Reza Pahlavi, absetzte. Nach dem Umsturz führten die Ajatollahs ihr Land allerdings auf einen strikt anti-westlichen und extrem konservativen Kurs. Das bedeutet bis heute: Raketen werden nicht abgerüstet, der Atombombenbau ist permanent ein Thema, ein Teil der rund 85 Millionen Menschen im Land leidet aufgrund internationaler Sanktionen und Korruption unter Arbeitslosigkeit und Armut.
Der Iran grenzt im Osten an Pakistan und Afghanistan, das seit September 2021 unter der Macht der Taliban steht. Im Westen grenzt Iran an Irak, im Nordwesten an die Türkei und Aserbaidschan. Der Norden des Landes wird durch das kaspische Meer und Turkmenistan begrenzt. Die südliche Landesgrenze ist mit dem Persischen Golf und dem Golf von Oman eine Wassergrenze.
Iran – das Rechtssystem des Gottesstaates
Immer wieder werden die iranischen Gerichte bzw. Sondergerichte von Amnesty International wegen Nichteinhaltung der internationalen Standards für faire Verfahren kritisiert. Folter und Misshandlungen an Gefangenen sind üblich. Nach China ist der Iran das Land mit den meisten jährlich vollstreckten Hinrichtungen. Obwohl es in der Hauptstadt Teheran und anderen Großstädten etwa aufgrund der Streichung staatlicher Unterstützungsgelder für Millionen Bedürftige immer wieder zu Protesten gegen das Regime kommt und der Iran international weitgehend isoliert ist, zeichnen sich keine wesentlichen Veränderungen oder Reformen ab.

Wiederholt werden Entscheidungen publik, die aus westlicher Sicht unverständlich sind: Zuletzt wurde etwa vom konservativen Klerus ein Gesetzesentwurf vorbereitet, der das Halten von Haustieren unter Strafe stellt. Der Plan sehe hohe Geldstrafen vor, wenn Tiere wie „Krokodile, Schlangen, Eidechsen, Mäuse, Affen, Schildkröten, Katzen, Kaninchen oder Hunde“ gehalten werden. Es sei auch für Gassigehen eine hohe Strafe vorgesehen, und Fahrzeuge, in denen etwa Hunde transportiert werden, sollen vorübergehend sogar beschlagnahmt werden.
Die Rechte von Frauen im Land sind stark beschnitten. Sie werden systematisch entrechtet. Ähnlich geht es den Frauen in Afghanistan unter den Taliban. Aber die Frauen im Iran verteidigen ihre Rechte. Zwei Drittel der Studierenden im Land sind weiblich nach Angaben der IGFM, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.
Iran und sein politisches System
Es gibt im Iran keine Parteien, die über eine längere Zeit bestehen und politische Positionen vertreten. Es gibt allerdings verschiedene Lager oder Strömungen, die sich ständig in intensiven Machtkämpfen befinden. Dazu zählen u. a. das konservative Lager, das reformorientierte Lager, das pragmatische Lager und das prinzipalistische Lager. Das höchste und mächtigste Amt im iranischen Staat ist der Religionsführer und verfügt somit über fast uneingeschränkte Macht: Er definiert die Politik des Gottesstaates und überwacht deren Ausführung, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und erklärt als solcher Krieg und Frieden. Er ernennt auch den vom Volk gewählten Präsidenten und kann ihn unter gewissen Umständen absetzen.
Zusätzlich ernennt er auch den obersten Richter, den obersten Staatsanwalt und die Oberbefehlshaber der Sicherheits- und Ordnungskräfte. Der Religionsführer wird nicht vom Volk, sondern vom Expertenrat für eine unbestimmte Zeit ernannt und kann von diesem theoretisch auch wieder abgesetzt werden. Bisher gab es nur zwei Amtsinhaber: Im Jahr 1989 folgte Ali Chamenei auf Ruhollah Mussawi Chomeini. Das zweithöchste Amt ist der Staatspräsident. Seit August 2021 ist der ultrakonservative Ebrahim Raissi im Amt. Er wird von Menschenrechtsorganisationen und Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen aufgrund seiner Mitverantwortung für die Massenhinrichtungen politischer Gefangener im Jahr 1988 der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezichtigt.
Ebrahim Raissi ist der Leiter der Exekutive und ernennt die Regierungsmitglieder, die jedoch vom Parlament bestätigt werden müssen. Der Präsident leitet die Regierungsarbeit, koordiniert die Entscheidungen der Minister und ist für diese dem Parlament und dem Religionsführer gegenüber verantwortlich. Folgende Entscheidungsträger sind außerdem wichtig
- der aus zwölf Mitgliedern bestehende Wächterrat, der jedes Gesetz auf Konformität mit dem Islam prüft und gegebenenfalls zurückweist. Eine weitere Aufgabe ist vor Parlaments-, Präsidentschafts- oder Expertenratswahlen die Überprüfung jedes Kandidaten.
- der Expertenrat, ein Gremium aus 86 Geistlichen. Er hat die Aufgabe, den Religionsführer zu wählen. Ebenso berät er über Gesetzesvorschläge des Parlaments, die die Verfassung verletzen.
- der Schlichtungsrat, ein Gremium, in dem Vertreter des Wächterrates, der Exekutive, Judikative und Legislative sowie sonstige vom Religionsführer direkt ernannte Mitglieder sitzen. Seine Aufgabe ist einerseits das Beraten des Religionsführers. Andererseits vermittelt er zwischen dem Parlament und dem Wächterrat, wenn der Wächterrat einen Gesetzesvorschlag als den Islam oder die Verfassung verletzend bewertet, und das Parlament den Vorschlag nicht ändern kann.
- die Islamische Konsultative Versammlung (= Parlament). Sie hat die Aufgaben Sachfragen zu diskutieren, Budgets aufzustellen, die Berichte der Regierung zu prüfen, Gesetzesvorschläge auszuarbeiten sowie Referenden zu beschließen. Das Parlament hat 290 Abgeordnete, die alle vier Jahre in allgemeinen Wahlen bestimmt werden. Kandidaten zur Parlamentswahl müssen vom Wächterrat genehmigt werden
Iran – die Geschichte des Gottesstaates von 1941 bis heute
- August 1941: Britische und sowjetische Truppen besetzen Iran.
- September 1941: Die Besatzer zwingen Reza Schah Pahlavi zur Abdankung. Er geht ins Exil nach Südafrika, wo er 1944 stirbt. Als Nachfolger wird sein Sohn, Mohammed Reza, von den Besatzungsmächten inthronisiert.
- April 1951: Mohammed Mossadegh wird von Mohammed Reza Pahlavi zum iranischen Ministerpräsidenten ernannt
- Mai 1951: Unter Führung Mossadeghs wird die iranische Ölindustrie verstaatlicht. An der Ölgesellschaft, der Anglo-Iranian Oil Company, hält Großbritannien die Mehrheit; es kommt zum Konflikt zwischen Großbritannien und Iran. Innenpolitisch wird Mossadegh zum Widersacher des Schahs.
- August 1953: Mossadegh wird gestürzt; Teile der iranischen Armee führen mit Hilfe des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA einen Staatsstreich durch. Mossadegh wird zu drei Jahren Haft verurteilt.
- Mai 1961: Der Schah löst das Parlament auf. Iran bleibt zwei Jahre ohne Volksvertretung.
- Februar 1963: Per Dekret erhalten Frauen das passive und aktive Wahlrecht. 1967 erlässt der Schah ein fortschrittliches Familienschutzgesetz, das Frauen vor allem bei Scheidungen besser stellt.
- Juni 1963: Ajatollah Ruhollah Chomeini tritt erstmals öffentlich in Erscheinung. In einer Rede greift der Geistliche den Schah an. Anlass ist ein von Religionsstudenten ausgehender Aufstand gegen die proamerikanische Reformpolitik des Schahs. Chomeini wird verhaftet; es kommt zu Demonstrationen, die sich auch gegen die Reformpläne des Schahs richten.
- November 1964: Die Regierung schickt Ajatollah Chomeini ins Exil. Er geht zunächst in die Türkei, ab 1965 in den Irak und hält sich ab 1978 in Paris auf.
- 1978: Es kommt immer wieder zu Anti-Schah-Demonstrationen und landesweiten Streiks; in Teheran versammeln sich mehrfach hunderttausende von Menschen. Wiederholt gehen Polizei und Armee teils brutal gegen die Protestierenden vor; es gibt tausende Tote. Der Massenprotest wird von unterschiedlichsten Gruppen getragen: Liberale und Konservative, Säkulare und Religiöse, Linke und Rechte. Zu ihrer Integrationsfigur wird Ajatollah Chomeini.
- Januar 1979: Mohammed Reza Schah flieht ins Exil. Er stirbt 1980 in Kairo.
- 1. Februar 1979: Ajatollah Chomeini kehrt aus dem Exil zurück nach Teheran. Er wird von Millionen von Menschen euphorisch empfangen.
- 30./31. März 1979: In einem Referendum spricht sich die Bevölkerung gegen die Monarchie und für die Gründung einer Islamischen Republik aus.
- 22. September 1980: Der Irak überfällt Iran. Ein achtjähriger Krieg zwischen den beiden Nachbarländern beginnt (Irak-Iran-Krieg). Er fordert auf beiden Seiten hunderttausende Tote. Erst im Juli 1986 kommt es zum Waffenstillstand zwischen Irak und Iran.
- 1979-1982: Es folgt die Islamisierung des Justizwesens, der Schulen und Hochschulen sowie der Wirtschaft und Medien. Für Frauen gilt fortan eine islamische Kleiderordnung und in öffentlichen Verkehrsmitteln Geschlechtertrennung. Ein Großteil der Wirtschaft wird verstaatlicht. Kritiker und Kritikerinnen der Islamischen Republik werden bedroht und verhaftet. Es kommt auch zur Ermordung Oppositioneller. Mehr als 2.000 Häftlinge sollen hingerichtet worden sein, die exakte Zahl ist ungewiss.
- Herbst 1986: Die Iran-Contra-Affäre wird bekannt: Die USA hatten Waffen an Iran verkauft, die Erlöse aus dem geheimen Waffengeschäft gingen an die Contra-Rebellen in Nicaragua.
- 14. Februar 1989: Ajatollah Chomeini erlässt eine Fatwa, eine Art Rechtsgutachten, gegen den britisch-indischen Autor Salman Rushdie und ruft zu seiner Ermordung auf. Chomeini wirft Rushdie vor, mit seinem Roman "Die satanischen Verse" den Propheten Mohammed und islamische Traditionen zu verhöhnen.
- 3. Juni 1989: Chomeini stirbt. Der Expertenrat wählt den bisherigen Präsidenten und Kleriker Ali Chamenei zu seinem Nachfolger.
- 30. April 1995: US-Präsident Bill Clinton verhängt Sanktionen gegen Iran, vor allem ein Handelsembargo und das Verbot amerikanischer Investitionen im Land. Die Sanktionen dienen als Druckmittel gegen Irans umstrittenes Atomprogramm.
- 14. Juli 2015: Nach vielen Jahren diplomatischen Verhandelns unterzeichnen Iran, die fünf ständigen Vertreter des UN-Sicherheitsrats (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA) sowie Deutschland in Wien das internationale Atomabkommen (engl. Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA). Der Kompromiss sieht vor, dass Iran strenge Auflagen und engmaschige Transparenzmaßnahmen für seine Nuklearaktivitäten akzeptiert, im Gegenzug werden die Sanktionen gegen das Land formal aufgehoben.
- Dezember 2017/Januar 2018: Es kommt zu zahlreichen Demonstrationen im ganzen Land. Die Proteste richten sich gegen Arbeitslosigkeit, ausbleibende Lohnzahlungen und steigende Lebensmittelpreise.
- 3. Januar 2020: In der Nacht vom 2. auf den 3. Januar wird der hochrangige iranische General Qassem Soleimani in Irak durch einen Luftangriff des US-Militärs gezielt getötet. In den Tagen zuvor hat sich die Lage in Irak zugespitzt. Am 27. Dezember 2018 wird bei einem Raketenangriff ein US-Bürger getötet und mehrere verletzt. Die USA machen dafür vom Iran unterstützte Milizen verantwortlich und fliegen als Reaktion Luftangriffe bei denen schätzungsweise 25 Milizen-Kämpfer getötet werden. Es kommt zu gewaltsamen Protesten vor der US-Botschaft in Bagdad. Als Vergeltung reagieren die USA mit der Tötung Soleimanis. Nach dem Tod Soleimanis droht Teheran mit Gegenmaßnahmen. Es folgen Angriffe auf US-Stützpunkte im Irak.
Iran und sein umstrittenes Atomprogramm
Schon in den 1970er-Jahren begann unter dem Schah die Entwicklung eines Atomprogrammes parallel zu denen in vielen anderen Ländern. Nach der islamischen Revolution (eine vielschichtige Bewegung, die 1979 zur Absetzung von Schah Mohammad Reza Pahlavi und zur Beendigung der Monarchie führte; Anm.) wurde das Atomprogramm zunächst eingestellt.
Als Reaktion auf die ersten israelischen Atomwaffen im Jahr 1988 rief die geistliche Führung des Iran zum Bau einer islamischen Atombombe auf. Als zu Beginn des neuen Jahrtausends deutlich wurde, dass die Perser tatsächlich an Atomwaffen arbeiteten und Uran anreicherten, kam es zum Konflikt mit dem Westen, der Sanktionen erließ.
Erst 2015 gelang es, ein Atomabkommen auszuhandeln, das zu einer zeitweiligen Entspannung zwischen dem Iran und den westlichen Nationen führte. Im Juni 2021 waren die Gespräche unterbrochen worden. Auslöser war die Wahl des ultrakonservativen Geistlichen Ebrahim Raisi zum neuen iranischen Präsidenten. Die Verhandlungen über die Wiederherstellung des Wiener Abkommens von 2015 (Kontrolle der iranischen Atomindustrie, Abbau westlicher Wirtschaftssanktionen; Anm.) wurden Ende November 2021 in Wien erneut aufgenommen und ziehen sich mit teils kontroversen Kommentaren hin.
Iran – Wirtschaftslage & Reisewarnung
Durch seine Bodenschätze, allen voran die größten Erdgas- und die viertgrößten Erdölvorräte der Welt, hat der von Religionsführern geführte Staat hohen Einfluss auf die Versorgung der Welt mit fossilen Energieträgern. Da Irans Wirtschaft allerdings durch das Militär und von religiösen Stiftungen dominiert wird, die in erster Linie sich selbst bereichern, merkt ein Großteil der Bevölkerung nichts vom Reichtum ihres Landes.
Iran, Terror und Flucht
Der Iran ist auf Platz 8 der Top 10 Herkunftsländer von Geflüchteten in Österreich (Stand 2020). Platz 1, 2 und 3 belegen Syrien, Afghanistan und Marokko. Angeblich unterstützt der Iran die terroristischen Organisationen Hamas und Hisbollah. Das UN-Gremium für Geflüchtete heißt UNHCR. Sie bieten unter anderem Rechtsschutz für Asylsuchende und beobachtet die Qualität von Asylverfahren. Der Iran sicherte dem benachbarten Irak Unterstützung im Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) zu. Mit der Muslimbruderschaft hingegen unterhält der Iran langwährende Beziehungen.
Auch aus diesem Grund gehört der Iran zu den vom Ausbruch von COVID-2019 am härtesten getroffenen Ländern. Die durch die Sanktionen schon sehr geschwächte Wirtschaft leidet massiv unter den Auswirkungen. Bereits vor dem Ausbruch der Pandemie sprach ein Großteil der westlichen Länder eine Reisewarnung aus, und es wurde von nicht notwendigen Reisen von Personen, die auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, dringend abgeraten.
Von Wolfgang Wonesch