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SPÖ: Von Adler bis Rendi-Wagner

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SPÖ Wahlplakate für die Nationalratswahl 2019
SPÖ-Wahlplakate für die Nationalratswahl 2019. © Franz Perc/Chromorange/Imago

Für die SPÖ sind Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität unverrückbare Grundwerte. Wissenswertes über die Geschichte der Sozialdemokraten in Österreich:

Wien – In ihrem Grundsatzprogramm, beschlossen am Parteitag 1998, bekennt sich die SPÖ zur Sozialdemokratie, zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Gleichzeitig wird aber auch die Notwendigkeit von politischer Liberalisierung, Modernisierung und Veränderung thematisiert. Bildung wird als soziales Grundrecht angesehen. In der europäischen Einigung sieht die SPÖ ein entscheidendes Friedensprojekt, um Konflikte zwischen Staaten und ethnischen Gruppen zu lösen. In der Gesellschaftspolitik werden die Gleichstellung von Frauen und die Tolerierung ethnischer Minderheiten in den Vordergrund gesetzt.

SPÖ: Eine Partei für die Überwindung der Klassengegensätze

Den Grundsätzen der Sozialdemokratie entsprechend, ist das Ziel der SPÖ eine Gesellschaft, in der alle Klassengegensätze überwunden sind. Nach Meinung der SPÖ müsste jegliche Form von Arbeit zwischen Männern und Frauen gerecht verteilt werden. Die SPÖ stellte seit 1945 in 16 von 32 Bundesregierungen den Bundeskanzler (zuletzt: Christian Kern – 2016-2017). Sechs von neun Bundespräsidenten der Zweiten Republik waren SPÖ-Mitglieder oder wurden beim Erstantritt von der Partei unterstützt (zuletzt Heinz Fischer 2004). Weiters stellt sie derzeit (2021) drei der insgesamt neun Landeshauptleute (Wien, Burgenland und Kärnten). Nach der Niederlage bei der Nationalratswahl 2017 ging sie im Bund in Opposition.

Die historischen Anfänge

Gegründet wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) zur Jahreswende 1888/1889 im niederösterreichischen Hainfeld. Federführend bei der Vereinigung der bereits zuvor existierenden sozialdemokratischen Gruppierungen war der Armenarzt Victor Adler, der auch zum ersten Vorsitzenden der Partei gewählt wurde. Adler schwor die Partei auf einen gemäßigten Kurs ein, bei dem das Kommunistische Manifest nicht als Richtlinie, sondern als Zukunftsvision präsent war. Durch seine Artikel in der „Arbeiter-Zeitung“ gab Adler den Anstoß zu den 1.-Mai-Feiern im Sinne eines internationalen Arbeiterfeiertages.

Die Sozialdemokratie veranstaltete dann am 1. Mai 1890 im Wiener Prater die mit mehr als 100.000 Teilnehmern größte Kundgebung, die bis dahin jemals in der Stadt zu sehen war. Mit der Durchsetzung des „Allgemeinen Männerwahlrechtes“ im Jahr 1907 gelang der SDAP um Adler ein historischer Erfolg. 1911 wurde die sozialdemokratische Fraktion stärkste Fraktion im damaligen Reichsrat.

Nach dem schleichenden Zusammenbruch der Monarchie kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges waren die Sozialdemokraten die ersten, die mit einem klaren Programm vor das Volk traten und eine parlamentarische Republik anstrebten. Die Provisorische Nationalversammlung wählte im Oktober 1918 Karl Renner zum Staatskanzler Deutschösterreichs, wie das Land vorerst genannt wurde. Am 12. November 1918 wurde der neue Staat zur Republik erklärt.

SPÖ: 1918 bis 1934

Es folgte eine zweijährige „Große Koalition“ mit den Christlich-Sozialen (1918-1920). Nachdem die Christlichsozialen die Nationalratswahlen 1920 gewonnen hatten, führte Otto Bauer die Partei in der Bundespolitik in die Opposition. Dort blieb sie bis zu ihrem Verbot 1934. Als Reaktion auf die Organisation faschistischer Heimwehren wurde 1923/1924 der „Republikanische Schutzbund“ als paramilitärische Organisation der SDAP gegründet.

Nach dem 4. März 1933 nutzte die christlichsoziale Dollfuß-Regierung die von ihr sogenannte „Selbstausschaltung des Parlaments“ (eine Geschäftsordnungskrise des Parlaments), um mit Notverordnungen autoritär weiterzuregieren. Mit der Inkraftsetzung der „Maiverfassung“ von 1934 wurde der österreichische Ständestaat gegründet und die Sozialdemokratie in die Illegalität getrieben. Die Mandate der sozialdemokratischen Abgeordneten wurden für erloschen erklärt. Otto Bauer und anderen Sozialdemokraten gelang die Flucht ins Ausland, von wo aus sie die - als Nachfolgeorganisation der verbotenen SDAP geheim gegründeten - Revolutionären Sozialisten (R.S.) unterstützten.

SPÖ: 1945 bis 1964

Nach den ersten Nationalratswahlen der Zweiten Republik vom 25. November 1945, die der ÖVP die absolute Mehrheit brachte, wurde Karl Renner am 20. Dezember 1945 von der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) zum ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik gewählt. Die SPÖ vertrat in der Folge einen gemäßigten, pragmatischen Kurs und wirkte in mehreren „Großen Koalitionen“ unter ÖVP-Bundeskanzlern mit. Die SPÖ erreichte 1955 gemeinsam mit der ÖVP den Staatsvertrag und den Abzug der Besatzungstruppen. Als Vizekanzler und Parteivorsitzende fungierten Adolf Schärf (1945-1957) und Bruno Pittermann (1957-1966/1967). Die SPÖ stellte nach Karl Renner vier weitere sozialdemokratische Bundespräsidenten:

SPÖ – die Olah-Affäre 

1964 erschütterte die Olah-Affäre die Partei: Der sozialistische Spitzenpolitiker Franz Olah hatte 1959 und 1960 Medienpolitik abseits der Parteigremien betrieben, indem er aus Gewerkschaftsgeldern die nicht parteigebundenen Wiener Tageszeitungen „Kronen Zeitung“ und „Express“ unterstützte. 1964 wurde eine größere Zahlung an die FPÖ bekannt, mit der Olah wohl einen möglichen alternativen Koalitionspartner aufbauen wollte. Gleichzeitig verfügte Olah, 1963 zum Innenminister berufen, über die Geheimakten der Staatspolizei. Er wurde nach Bekanntwerden der Affäre aus der SPÖ ausgeschlossen.

SPÖ – 1966 bis 1983

Bei der Nationalratswahl am 6. März 1966 erreichte die ÖVP eine absolute Mandatsmehrheit und konnte somit ohne Koalitionspartner regieren. Der SPÖ blieb nur der Gang in die Opposition. Im Jahr 1967 wurde der Außenpolitiker Bruno Kreisky zum neuen Parteivorsitzenden gewählt und löste Bruno Pittermann ab. Kreisky erwies sich binnen Kurzem als Goldgriff für die SPÖ. Seine langsame, bedachte Sprechweise und sein souveräner Stil wurden zum Markenzeichen. Nachdem die SPÖ bei der Nationalratswahl 1970 mit 47,6 Prozent eine relative Mehrheit erreicht hatte, bildete Kreisky eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der FPÖ (Kreisky I) unter deren Obmann Friedrich Peter, der aufgrund seiner SS-Vergangenheit heftig umstritten war.

Nach einer Wahlrechtsreform fanden im Oktober 1971 Neuwahlen statt, aus der die SPÖ als klarer Sieger hervorging und die absolute Mehrheit in Stimmen und Mandaten erreichte. Es folgte eine SPÖ-Alleinregierung (Kreisky II). Diesem Kabinett gehörten unter anderem der junge Finanzminister Hannes Androsch und Justizminister Christian Broda, der das Strafrecht massiv reformierte, an. Außenpolitisch zeigte Kreisky vor allem im Nahen Osten Initiative, was Österreich einen bis dahin ungewohnten internationalen Ruf einbrachte.

SPÖ – 1983 bis 1997

Nachdem die SPÖ bei den Nationalratswahlen 1983 die absolute Mehrheit verloren hatte, arrangierte Kreisky eine Koalition mit der FPÖ - Fred Sinowatz wurde Kanzler. Sinowatz‘ Amtszeit war von einigen Krisen überschattet: dazu zählten unter anderem die Konfrontation um die Besetzung der Hainburger Au, der „Weinskandal“, der Skandal um den Neubau des AKH und die hohe Verschuldung der staatlichen Industrie. Während des Wahlkampfs zur Bundespräsidentenwahl im Juni 1986 trat Sinowatz im Zuge der „Waldheim-Affäre“ vehement gegen den ÖVP-Kandidaten auf.

Als Waldheim schließlich gewählt wurde, trat Sinowatz als Bundeskanzler zurück. Gemäß seinem Vorschlag wurde Franz Vranitzky sein Nachfolger. Nach der Wahl Jörg Haiders zum FPÖ-Obmann löste Vranitzky die rot-blaue Koalition auf. Vranitzky bildete anschließend eine Große Koalition mit der ÖVP, die bis 1999 Bestand haben sollte. Unter Vranitzkys Vorsitz wurde die Partei auf dem Bundesparteitag in Linz 1991 offiziell von „Sozialistische Partei Österreichs“ in „Sozialdemokratische Partei Österreichs“ umbenannt. Als größter politischer Erfolg der Vranitzky-Ära ist eindeutig der positive Ausgang der Volksabstimmung zum EU-Beitritt im Jahr 1994 zu sehen. Im Jänner 1997 übergab Vranitzky die Amtsgeschäfte aufgrund gesundheitlicher Probleme an den bisherigen Finanzminister und neuen Bundeskanzler Viktor Klima.

SPÖ – 1999 bis 2008

Nachdem die SPÖ bei der Nationalratswahl 1999 einen Stimmenverlust von fünf Prozent hinnehmen musste und eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen worden war, blieb als einziger möglicher Koalitionspartner die ÖVP. Die Koalitionsverhandlungen scheiterten jedoch und die ÖVP bildete eine Koalition mit der FPÖ (Schwarz-Blau I). Der SPÖ blieb nur der Gang in die Opposition. Nachdem sich Klima nach der Wahl zurückgezogen hatte und in die Privatwirtschaft gewechselt war, wählte die SPÖ Alfred Gusenbauer zum neuen Parteivorsitzenden, der die Rolle des Oppositionsführers übernahm.

Bei der Nationalratswahl am 24. November 2002 wurde die SPÖ trotz eines Stimmenzuwachses von 3,3 % von der ÖVP überholt, die erdrutschartige Zugewinne verzeichnen und sich auf 42,3 Prozent verbessern konnte. Bei der Nationalratswahl im Oktober 2006 wurde die SPÖ mit einem Stimmenanteil von 35,3 % (−2,2 %) und 68 Mandaten (−1) wieder zur bundesweit stimmenstärksten Partei.

Die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP gestalteten sich erfolgreich und führten am 11. Jänner 2007 zur Angelobung der Bundesregierung Gusenbauer. Am 7. Juli 2008 gab ÖVP-Chef und Vizekanzler Wilhelm Molterer mit der Aussage „Es reicht“ den Beschluss bekannt, die Zusammenarbeit mit der SPÖ zu beenden, weil sie „orientierungs- und führungslos“ sei. Gusenbauer trat zurück und wurde am 8. August 2008 von Werner Faymann an der Parteispitze abgelöst.

SPÖ – 2008 bis heute

Es kam zur vorgezogenen Nationalratswahl vom 28. September 2008. Die SPÖ konnte mit 29,3 Prozent der Stimmen (−6 %) zwar den ersten Platz verteidigen, verbuchte jedoch das schwächste Ergebnis seit der Neugründung 1945. Bei der Nationalratswahl 2013 verlor die SPÖ zwar erneut Stimmen und Mandate, konnte den ersten Platz aber vor der ÖVP behaupten. Bundeskanzler Faymann setzte die Koalition mit der ÖVP fort. Aufgrund schwerer Niederlagen bei Landtagswahlen und des schlechten Ergebnisses des SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer bei der Bundespräsidentenwahl 2016 geriet Faymann innerparteilich unter Druck. Am 9. Mai 2016 erklärte er, mit sofortiger Wirkung sowohl vom Amt des Bundeskanzlers wie auch als Vorsitzender der SPÖ zurückzutreten.

Christian Kern wurde sein Nachfolger auf beiden Posten. Dessen politische Karriere dauerte allerdings nicht allzu lange: Nachdem Reinhold Mitterlehner am 10. Mai 2017 bekannt gegeben hatte, sowohl als Bundesparteiobmann der ÖVP, wie auch von seinen Ämtern als Minister und Vizekanzler zurückzutreten, versuchte Kern zunächst, die Koalition mit einem Angebot an Mitterlehner-Nachfolger Sebastian Kurz zu retten, wurde von diesem jedoch abgewiesen.

Der Nationalrat beschloss daraufhin seine Selbstauflösung und es kam zu Neuwahlen. Die SPÖ wurde dabei von der Volkspartei unter ihrem neuen Obmann Sebastian Kurz überholt. Kurz bildete in der Folge eine schwarz-blaue Regierung. Christian Kern führte die SPÖ zunächst in die Opposition und gab Mitte September 2018 bekannt, als Spitzenkandidat der SPÖ bei der Wahl zum EU-Parlament im Mai 2019 anzutreten und den Parteivorsitz spätestens nach der Wahl zurückzulegen. Pamela Rendi-Wagner wurde als erste Frau an der Spitze der SPÖ zu Kerns Nachfolgerin bestellt.

Von Wolfgang Wonesch

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