Ylva Johansson: Realpolitikerin und Optimistin

Ylva Johansson ist keine gelernte Politikerin und kam auf Umwegen zu ihrem Amt. Wissenswertes über die EU-Kommissarin für Inneres:
Die am 13. Februar 1964 in Huddinge, Schweden, als Tochter eines Sozialarbeiterpaares geborene Ylva Johansson wuchs im Stockholmer Vorort Botkyrka, einer Gemeinde mit hohem Ausländeranteil, auf. Von 1979 bis 1982 absolvierte Johansson an der Tumba Upper Secondary School das Natural Sciences Programm und studierte von 1983 bis 1988 an der Universität Lund Mathematik und Physik auf Lehramt.
Das Studium beendete sie mit dem akademischen Grad Master of Science in education (MSc). Von 1991 bis 1992 vervollständigte sie ihre Ausbildung am Stockholmer Institut für Bildung. 1992 fing sie an der Matteus Schule in Stockholm als Lehrerin an, wo sie bis 1994 unterrichtete. Seit Dezember 2019 belegt sie das Amt als EU-Kommissarin für Inneres. Johansson ist verheiratet, lebt in Stockholm und hat drei Kinder.
Ylva Johansson: Ihre ersten Ministerämter
Politisch engagierte sich Ylva Johansson anfangs für die schwedische Linkspartei (VP), für die sie von 1988 bis 1991 als Abgeordnete dem schwedischen Parlament, dem Reichstag oder Riksdag angehörte. Dort wirkte sie auch Bildungsausschuss mit. 1992 wechselte sie zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SAP) und galt dort bald als eine Wortführerin des linken Flügels. 1994 machte sie unter Ministerpräsident Ingvar Carlsson (SAP) einen ersten großen politischen Sprung, da sie von 1994 bis 1998 Schul- und Wohlfahrtsministerin unter der sozialdemokratischen Regierung von Göran Persson sowie später von 2014 bis 2019 Arbeitsministerin in den Regierungen Löfven I und Löfven II war.
Zwischen diesen beiden Ministerämtern hatte Johansson für mehrere Jahre in die Privatwirtschaft gewechselt. Im August 2019 kündigte Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven an, Johansson als EU-Kommissarin für die KommissionUrsula von der Leyen zu nominieren, die am 1. Dezember 2019 als Nachfolgerin der Kommission Juncker ihre Arbeit aufnehmen würde. Daraufhin legte Ylva Johannson am 10. September 2019 ihr Amt als Arbeitsministerin nieder. Am selben Tag wurde sie von Ursula von der Leyen als designierte Kommissarin für Inneres vorgestellt. Ihr neues Amt als EU-Kommissarin trat Johansson nach ihrer Wahl am 1. Dezember 2019 an.
Ylva Johansson – ihre Positionen und Ämter
- seit 2019: EU-Kommissarin für Inneres
- 2019: Ministerin für Arbeit
- 2014 – 2019: Ministerin für Arbeit und Integration
- 2010 – 2014: Mitglied des Riksdag (Parlament), stellvertr. Vorsitzende des Ausschusses für den Arbeitsmarkt
- 2006 – 2010: Mitglied des Riksdag, stellvertr. Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Wohlfahrt
- 2004 – 2006: Ministerin für Wohlfahrt und Altenpflege
- 2000 – 2004: Stellvertr. geschäftsführende Direktorin und geschäftsführende Direktorin, Att Veta AB
- 1998 – 1999: Leitende Beraterin, Telia Business Innovation
- 1994 – 1998: Schulministerin
- 1992 – 1994: Lehrerin für Mathematik, Physik und Chemie
- 1988 – 1991: Mitglied des Riksdag (schwedisches Parlament)
Ylva Johansson – ihre Aufgabenbereiche
Als EU-Kommissarin für Inneres befasst sich Ylva Johannson mit zahlreichen tagesaktuellen Themen, die weitreichende Auswirkungen auf die gesamte EU haben: Terrorismus, Migration, Asylproblematik etc. Die Realpolitikerin wird oft als „Architektin des neuen EU-Flüchtlings- und Asylpakets“ bezeichnet und versteht sich als Befürworterin von Migration: „Migration ist etwas ganz Normales, hat es immer gegeben und wird es immer geben.“
Ylva Johansson verweist bei Diskussionen mit Kritiker:innen immer wieder auf die 2,4 Millionen Einwanderer und Einwanderinnen, die jährlich legal in die EU kommen. Ihr Motto lautet: „Pessimismus ist besonders attraktiv. Dass man in Brüssel pessimistisch ist, gehört dazu. Ich gehöre zur Schule der Optimisten.“ Ihre Stellungnahme zu konkreten Themen:
- Afghanistan und Migrationsdruck: „Wir sollten nicht warten, bis die Menschen an unseren Außengrenzen landen. Wir müssen jetzt da sein, um diejenigen zu schützen, die sich in unmittelbarer Gefahr befinden. Sie brauchen legale und sichere Möglichkeiten, in die Europäische Union zu kommen, um internationalen Schutz zu erhalten. Wir müssen vor allem Afghan:innen in Afghanistan unterstützen – und die Nachbarländer, die derzeit viele Afghan:innen aufnehmen. Wir müssen jetzt zusätzliche 200 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Afghanistan bereitstellen. Wir werden auch mehr Unterstützung für die Nachbarländer und andere Länder in der Region brauchen, die Afghanen aufnehmen.“
- Weißrussland: „Was wir von Weißrussland sehen, ist eine extreme Aggression gegenüber der Europäischen Union und den Nachbarländern, und er (Lukaschenko; Anm.) instrumentalisiert die Geflüchteten. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir uns gemeinsam gegen Lukaschenko und sein Handeln stellen. Was ich zum Beispiel von Litauen sehe, ist, dass sie ihre Außengrenzen vor unerlaubter Einreise schützen. Und wenn sie der Meinung sind, dass sie einen Zaun gegenüber einem aggressiven Nachbarn wie Lukaschenko brauchen, dann kann ich das verstehen.“
- Terrorismus: „Terroristen missbrauchen häufig die von privaten Unternehmen angebotenen Dienstleistungen, um Anhänger zu rekrutieren, Anschläge zu planen und Propaganda zu verbreiten. Wir müssen besser Informationen teilen und bessere Informationen teilen. Das Wort heute heißt ‚Dringlichkeit‘.“
Von Wolfgang Wonesch