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Ein Wiener Start-up will dir die Spritze ersparen, indem sie die durch Tabletten ersetzt

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Von: Christian Kisler

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Montage: einer Frau wird eine Spritze verabreicht, ein Haufen Tabletten in Blisterhüllen
Dank Mikroben könnten künftig Tabletten statt Spritzen eingesetzt werden. © imagebroker/AAP/viennaslide/Imago/BuzzFeed Austria

Wenn dir Spritzen nicht geheuer sind, kannst du aufatmen: Drei Wiener Forscher haben Tabletten in eine spezielle Hülle verpackt, die den Magen schont.

Spritzen sind nicht unbedingt beliebt. Es gibt tatsächlich angenehmeres, als sich mit einer dünne Nadel in der Regel in den Oberarm stechen zu lassen. Das betrifft dabei nicht nur Impfungen, die nicht zuletzt wegen COVID-19 und der nie in Kraft getretenen und dann erst recht abgeschafften Impfpflicht allgegenwärtig waren. Auch manche Antibiotika werden wegen besserer Verträglichkeit mit der Spritze verabreicht, moderne Biologika sowieso.

Wenn jetzt bekannt wird, dass das Wiener Start-up NovoArc einen Spritzenersatz in Tablettenform entwickelt hat, kannst du frohlocken - zumindest, wenn du Spritzenphobiker:in bist. Halt, Tabletten? Geht das dann nicht erst recht wieder auf den Magen und sorgt für Unschönes wie Durchfall und Co? In diesem Fall nicht, dank einer speziellen Technologie.

Mikroben aus dem Yellowstone Nationalpark sind das Herzstück der Tabletten

„Hüllbestandteile von Mikroben, die im Yellowstone Nationalpark entdeckt wurden, bringen bei unserer Technologie die Wirkstoffe sicher durch den Magen und entlassen sie im Darm“, erklärte der Biotechnologe David Wurm gegenüber APA das Prinzip in groben Zügen. Er rief mit zwei Kollegen, Oliver Spadiut und Julian Quehenberger, NovoArc ins Leben. So sollen die neuartigen Pillen auf den Markt gebracht werden.

Das Herzstück sind jedenfalls jene Mikroben, die es gerne besonders warm mögen. Sie wachsen in heißen, schwefelhaltigen Quellen, allerdings nur zwischen 75 und 80 Grad Celsius und unter extrem sauren Bedingungen. Am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der Technischen Universität Wien (TU) arbeiteten Oliver Spadiut, David Wurm und Julian Quehenberger mehrere Jahre daran, diese Situation im Labor nachzustellen. Nämlich jene, in der besagte Mikroben wachsen und gedeihen können.

„Wir haben einen neuartigen Bioprozess geschaffen, mit dem wir diese Archaeen unter kontrollierten Bedingungen kultivieren können“, so Julian Quehenberger. „Dabei steuern wir Parameter wie die Temperatur und den pH-Wert, und füttern gewisse Nährmedien dazu, sodass sie schnell wachsen.“ Auf diese Weise könne man „industriell relevante Mengen an Produkt in pharmazeutischer Qualität“ gewinnen.

Die Hülle der neuartigen Tabletten hält der Magensäure stand

Warum das alles? Wegen der Fettstoff-Bestandteile der Mikroben-Hülle, im Fachjargon „Lipide“. Die drei Forscher gewinnen diese Lipide aus der Zellmembran und bauen daraus eine Schutzhülle für medizinische Wirkstoffe, sogenannte Liposome. Und so sind wir beim Prinzip Tablette statt Nadel gelandet. Denn in diese Hülle kann man Impfstoffe, Antibiotika oder Schmerzmittel verpacken, vielmehr deren mRNA, die genetische Information für den Aufbau eines bestimmten Proteins. Ist zum Beispiel bei modernen Impfstoffen wie etwa bei jenen gegen COVID-19 eingesetzt worden.

Der Clou: Die Hülle bietet deshalb vor der Magensäure Schutz, weil diese ähnlich aggressiv ist wie die natürliche Umgebung der Mikroben. Und weil sie diesen Lebensraum gewohnt sind, halten diese das aus. Den Magen können die neuartigen Tabletten also unbeschadet passieren, landen im Darm, haften dort an den Schleimhäuten und können die in ihnen enthaltenen Wirkstoffe langsam abgeben. Sie sind so auch besser verträglich als herkömmliche Tabletten. Deren Inhaltsstoffe rauschen oft großteils durch den Darm und werden ungenutzt ausgeschieden. Oft unter großen Qualen.

Abgesehen davon, dass die Wirkstoffe nicht mehr gespritzt werden müssen, sondern geschluckt werden können, ergibt sich ein weiterer Vorteil; „Durch die hohe Stabilität der schützenden Liposome wird auch die Lagerstabilität der Wirkstoffe erhöht“, erklärt Oliver Spaduit. Ungemein teure, durchgehende Kühlketten werden auf diese Art und Weise eingespart, was auch die Versorgung in abgelegenen Gebieten vereinfachen würde. Eine Win-win-Situation also.

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