3 Gründe, warum ich nach Videos der militanten Veganerin erst recht Fleisch essen will

Neben ihrem Only-Fans-Account überredet die militante Veganerin Menschen, sich vegan zu ernähren. Aber nicht nur mit Argumenten, sondern auch mit Geschrei.
Sie ist so etwas wie die neue Antiheldin: Die militante Veganerin hat jetzt sogar ihren eigenen Only-Fans-Account. Bisher war sie für ihre TikTok-Videos bekannt, in denen sie sich vehement gegen vegane Ernährung ausspricht. Sie zeigt darin ihren Aktivismus auf der Straße: Ähnlich wie Greenpeace-Mitarbeiter:innen, überredet sie Passant:innen zu einem – in ihren Augen – besseren Leben, indem sie ihnen Fotos von Tieren auf dem Schlachthof zeigt.
Mit Passant:innen, die für Fleischkonsum argumentieren, fängt sie Streit an. Beleidigt Personen, die Döner essen. „Schönes, veganes Leben noch“, schreit sie ihnen hinterher. Die militante Veganerin ist so provokant, dass selbst bekannte Rapper wie Sinan G sich mit ihr treffen, um über vegane Ernährung zu diskutieren. Einige ihrer Videos haben über eine Million Aufrufe.
Aber ist das wirklich die richtige Art, um jemanden von veganer Ernährung zu überzeugen? Ich selbst esse wenig Fleisch – ein bis zweimal im Monat. Nach den Videos der militanten Veganerin werde ich jedoch so trotzig, dass ich erst recht Fleisch essen will. Hier sind drei Gründe, warum:
1. Extremer Veganismus hilft uns nicht weiter
Fleischessen ist unzweifelhaft nichts Gutes. Nicht nur für die Tiere: Fleischkonsum produziert Treibhausgase, die für die Klimakrise verantwortlich sind. Was mich aber nervt, ist diese extreme Haltung, von der die militante Veganerin keinen Millimeter abzuweichen scheint.
Und ich empfinde es als extrem, zu sagen, dass Rassismus und Fleischessen auf einer Stufe stehen. Das macht die militante Veganerin – zum Beispiel, wenn sie dem Fleisch-essenden Rapper Sharo Speziesismus [Anm. d. Red.: Diskriminierung von Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit] vorwirft und ihn deshalb als „Rassist“ bezeichnet.
Rechtsextreme und auch linksextreme Ansichten schaden unserer Gesellschaft. Das Bundesinnenministerium bezeichnet Extremismus als eine Gefahr für unsere Demokratie. Natürlich kann man Rechtsextremismus und veganen Extremismus nicht vergleichen. Aber aus rein demokratischen Gesichtspunkten kann man sagen: Extremer Veganismus hilft uns auch nicht weiter.
2. Wer Menschen nicht ausreden lässt, wird nicht ernst genommen
In einem TikTok-Video unterhält sich die militante Veganerin mit einem Jäger. Der Jäger versucht ihr zu vermitteln, dass seine Arbeit sinnvoll ist: Für die Gesundheit des Waldes sei es zum Beispiel wichtig, Tierbestände zu jagen. Er hat damit recht: Eine zu hohe Dichte an Tieren im Wald kann laut der Organisation Waldhilfe großen Schaden anrichten. Die Tiere beißen demnach Knospen und Zweige junger Bäume ab. Das sorge dafür, dass keine neuen Bäume nachwachsen können.
Wahrscheinlich hätte der Jäger im TikTok-Video der militanten Veganerin auch noch ein paar andere gute Argumente gebracht. Dazu kommt er aber nicht, weil sie ihn nicht ausreden lässt. Stattdessen schreit sie ihn an. In den Kommentaren beschwert sich ein:e TikTok-User:in: „Digga, lass ihn doch erklären“. Ein andere:r User:in schreibt: „Wer schreit, hat Unrecht.“
„Militant sein“ bedeutet laut Duden „mit bewusst kämpferischem Anstrich für eine Überzeugung eintretend“. Natürlich ergibt es Sinn, Fleischkonsum zu verurteilen. Discounter-Fleisch zum Beispiel wurde unter „skandalösen Zuständen“ hergestellt. Aber: „Bei einer Diskussion geht es darum, verschiedene Meinungen auszutauschen, und zwar möglichst sachlich, ohne Geschrei oder Beleidigungen“, sagt die Lehrerin Steffi Chita beim alpha-Kanal von BR3. Es sei wichtig, das Gegenüber ausreden zu lassen, und das passiert im Video mit dem Jäger nicht.
3. Zu veganer Ernährung kann man niemanden zwingen
Auf Vorschriften folgt bei Menschen nicht unbedingt eine Einsicht, wie man vielleicht denken würde. Sie reagieren darauf gerne mit Trotz, fanden Psycholog:innen in mehreren Studien heraus. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete über dieses Phänomen. Es besagt, dass Menschen besonders dann bockig reagieren, wenn eine Einschränkung nicht komplett in Stein gemeißelt ist. Wenn sie also eine Möglichkeit sehen, einer Vorschrift zu entgehen – so wie beim Fleischessen.
Es gibt kein Fleisch-Ess-Verbot. Wir können Fleisch essen, so viel wir wollen, ohne dass uns etwas passiert. Wenn Menschen also das Gefühl habe, die militante Veganerin will sie zur veganen Ernährung zwingen, ist es kein Wunder, dass sie darauf mit Trotz reagieren.
Ich bin davon nicht ausgenommen. Auch ich ticke so. Wenn ich mich dazu entscheide, kein Fleisch mehr zu essen, dann weil es meine Entscheidung ist – und nicht weil mich Videos der militanten Veganerin versuchen, dazu zwingen.