„Cluttercore“: Die Generation Z zeigt auf Tiktok vollgestellte Zimmer - „Suche nach Individualität“

Beim Trend „Cluttercore“ teilt Generation Z ihre vollgestellten Zimmer auf TikTok. Ein Generationenforscher erklärt BuzzFeed News, was dahinter steckt.
Wer auf TikTok unterwegs ist, stößt auf einiges, was ihm oder ihr im normalen Alltag gar nicht begegnen würde. Da gibt es zum Beispiel den Schüler Dennis, der als „Quoten-Asiate“ TikTok-Videos zu Klischees über asiatische Menschen macht. Für den 19-Jährigen aus der Generation Z ist TikTok dabei kein politisches Werkzeug, sondern nur Unterhaltung. Hier präsentiert er sich als fränkisch-asiatische Person auf eine witzige und individuelle Art.
Dieser Individualismus findet sich auch beim Trend „Cluttercore“. Unter dem gleichnamigen Hashtag erhält man hier Einblicke in Wohnungen und WG-Zimmer, die mit Sammelstücken, Dekoration und Kleinkram überladen sind. Der Generationenforscher Rüdiger Maas erklärt BuzzFeed News Deutschland, warum das nichts mit Unordentlichkeit zu tun hat und warum Individualismus inmitten des Mainstreams typisch für die Generation Z ist.
TikTok-Trend „Cluttercore“: Eine Mischung aus „Maximalismus“ und „Dark-Academia“?
Auf TikTok haben schon einige Trends die Runde gemacht. Manche von ihnen sind sogar gefährlich, wie der „Femizid-Trend“ auf TikTok, bei dem Männer davon schwärmen, wie sie Frauen ermorden. Während die App bei diesem Trend die Videos löschte, bleiben die Clips bei anderen, harmloseren Trends online. So auch bei #cluttercore. Wer diesem Hashtag folgt, taucht schnell in eine bunte, fröhliche Welt aus Krimskrams (engl. clutter) ein.
Die Nutzerin @blondesigns zeigt in einem TikTok ihre Wohnung und erzählt: „Als ich klein war, habe ich nie verstanden, warum Erwachsene zwar ihre eigenen Häuser hatten, aber nie etwas Spaßiges und Buntes daraus gemacht haben. Warum haben Erwachsene keine Hängematten, Schaukeln oder Trampoline? Als Erwachsene habe ich mir diesen Kindheits-Traum jetzt erfüllt und lebe hier.“
Viele „Cluttercore“-Fans benutzen genau diesen Sound und zeigen zu ihm ihre bunten Bildergalerien und Porzellanfiguren, die man wohl in keinem Möbelhaus findet. Der Account @4walls erklärt den Trend in einem Video (siehe unten) und vergleicht dessen Ästhetik mit „Maximalismus“ und „Dark-Academia“. „Für viele Minimalisten wäre es wohl ein Albtraum“, heißt es im TikTok-Clip. „Aber manche sagen, es ist nur organisierte Unordnung“. Der Trend sei wie ein „warmes, gemütliches Antiquitätengeschäft“ und sein Sinn sei, die liebsten Dinge in einer „selbstbewussten, lauten“ Art zu präsentieren.
Ist „Cluttercore“ eine Gegenreaktion auf den Minimalismus der Generation Y?
Auch der Generationenforscher Rüdiger Maas interpretiert „Cluttercore“ nicht als chaotisch. „Der Trend Cluttercore hat nichts mit Unordentlichkeit zu tun“, sagt er BuzzFeed News Deutschland. Mit typischem Maximalismus aber auch nicht viel: „Es ist alles einheitlich, in gleichen Farben gehalten und folgt einer spezifischen Ästhetik“, sagt Maas. Der Trend sei deswegen auch keine Gegenreaktion auf den Minimalismus der Generation Y, die auf Social Media eher moderne, aufgeräumte Zimmer zur Schau stellt.
„Wahrer Minimalismus reagiert auf die Konsumgesellschaft“, erklärt der Generationenforscher. Er leitet gemeinsam mit seinem Bruder Hartwin Maas das Institut für Generationenforschung. „Während Maximalismus nicht automatisch bedeutet, viele Dinge zu besitzen, bedeutet Minimalismus nicht unbedingt Konsumverzicht.“ Viele sogenannte Minimalisten aus der Generation Y kauften sich zwar weniger, aber dann eben teurere Dinge – „im Endeffekt auch eine Form von Maximalismus“, so Maas. Was beim Trend „Cluttercore“ sichtbar werde, gehe eher in Richtung Exzentrik, erklärt der Arbeits- und Organisationspsychologie.
Maas warnt im Interview mit BuzzFeed News Deutschland außerdem davor, Alterseffekte auf eine gesamte Generation auszuweiten. Die Unterteilung in Generation Z und Y sei zudem populärwissenschaftlich – man könne Generationen nicht so einfach in 15-Jahresschritten einteilen. „Dieser Sammler-Stolz, der ist nicht typisch für die Generation Z. Auch früher haben Menschen gesammelt, zum Beispiel Briefmarken. Das ist also kein Generationeneffekt.“ In den 90er Jahren seien es eben Panini-Sticker oder Diddl-Blätter gewesen – das Sammeln an sich sei nicht neu. Heute trete es bei jungen Menschen eben durch Social Media an die Öffentlichkeit. „TikTok macht den Sammelcharakter also erst sichtbar“, so Maas.
Generation Z lebt mit TikTok-Trend „Cluttercore“ Individualität
Was für die Generation Z in der Tat typisch sei, seien Schwierigkeiten im Umgang mit realen Menschen und Problemen. „In Studien haben wir herausgefunden, dass die Generation Z eine große Unsicherheit in der realen Welt verspürt – in der digitalen hingegen nicht“, erzählt Maas. Dazu passt wohl der TikTok-Sound „The Internet isn‘t real life“, zu dem TikToker die Wahrheit hinter der Scheinwelt zeigen, die vielen Menschen der Genration Z immer weniger bewusst zu sein scheint.
Die Generation Z sei im Gegensatz zu älteren Generationen in eine Welt voller Möglichkeiten hinein geboren worden. Gleichberechtigung, Bildungschancen, Luxusgüter: „Sie sind mit allem aufgewachsen und mussten auf nichts verzichten – das überfordert sie heute. Ein Mehr im Leben macht sie quasi nicht mehr glücklich, aber ein Weniger macht sie sofort unglücklich“, sagt der Generationenforscher.
Ob sie sich das „Mehr“ deswegen in den eigenen vier Wänden suchen? Darauf kann Maas keine Antwort geben. Er findet es jedoch spannend, dass die jungen Menschen unter dem Hashtag #cluttercore mit ihren ganz individuellen Sammlungen aus der Uniformität herausbrechen, die bei TikTok allein aufgrund wiederkehrender Sounds und Trends vorherrsche. „Generation Z agiert im Mainstream und kann da gar nicht wirklich raus. Sie muss sich Individualität eben bewusst suchen – vielleicht könnte man den Trend „Cluttercore“ damit erklären“, sagt Maas.
TikTok-Trends liebt auch Ex-„GNTM“-Kandidatin Sophie: Die Personality-Award-Gewinnerin steht nämlich auf Draco Malfoy. Deswegen machte Sophie von GNTM auch beim Tiktok-Trend #DracoTok mit.